Kollegin prüft bei einer Kollegin den Sitz der Schutzmaske

Wer ist in der Corona-Krise der zuverlässigere internationale Partner?

Die Corona-Pandemie trifft die Menschen in den Ländern der östlichen Nachbarschaft der EU leicht zeitversetzt. Doch schlecht aufgestellte Gesundheits- und schwache Sozialsysteme werden sich mit Wucht auf die gesamte Region auswirken. Manch ein Regierungschef nutzt die Pandemie bereits für den Machtausbau. 

Inhalt

Mit der Östlichen Partnerschaft (ÖP) investiert die EU in ihre politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zu ihren Nachbarn Belarus, Ukraine, Moldau, Georgien, Armenien, und Aserbaidschan. Brüssel unterstützt deren Transformation hin zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freier Marktwirtschaft – auf der Grundlage europäischer Werte. Es ist nur folgerichtig, wenn die EU, angesichts von Corona und dessen Wirkung auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, diesen Ländern hilft. In Zeiten, in denen die ökonomisch stärkste Nation der Welt, die USA, sich schwer tut im Kampf mit der Pandemie, und die deutsche Bundeskanzlerin den Schluss zieht, die-Epidemie stelle die EU vor die "größte Bewährungsprobe seit ihrer Gründung", sind die Länder Osteuropas jenseits der EU-Grenze besonders verwundbar. Denn sie alle leiden unter mangelhaften Gesundheitssystemen, haben keine zuverlässigen Verwaltungskapazitäten und nur begrenzte Haushaltsspielräume, um die Verluste aufzufangen, die Social Distancing für ihre Volkswirtschaften bedeutet.

Weder die EU noch ihre Nachbarn können sich "nachbarschaftliche Distanzierung" leisten

Hier Solidarität zu zeigen ist nicht nur ein Gebot nachbarschaftlichen Zusammenhalts, sondern weitsichtig: Denn nur gesunde Staaten können für die EU einen stabilen "Ring guter Freunde" in ihrer Nachbarschaft bilden.

Fakt ist, dass Brüssel am 30. März ein Nothilfepaket in Höhe von 840 Millionen Euro mobilisiert hat, um das Virus und seine kurz- und mittelfristigen Auswirkungen in den ÖP-Ländern zu bekämpfen. Zu diesem Zeitpunkt hatten China und Russland allerdings schon öffentlichkeitswirksam Hilfspakete mit medizinischer und persönlicher Schutzausrüstung auf den Weg gebracht.

Die Bürgerinnen und Bürger in den ÖP-Ländern beobachteten derweil fassungslos die unzureichende Kooperation innerhalb der EU – vor allem, wie einzelne EU-Länder das Recht auf Freizügigkeit handhabten, eine der symbolträchtigsten Errungenschaften der europäischen Integration. Mit der Einigung der Mitglieder des Schengen-Raums, vorerst die EU-Außengrenzen zu schließen und so das visumfreie Reisen für georgische, moldauische und ukrainische Bürger zu beenden, liegt die sichtbarste Errungenschaft der Östlichen Partnerschaft auf Eis.

In der EU-Nachbarschaft bestimmen die Autokraten die Narrative

Schon jetzt ist erkennbar, dass Demokratie in der Corona-Pandemie gefährdet ist, selbst innerhalb der EU, wo Ungarn und Polen demokratische Prinzipien einschränken. Und in der EU-Nachbarschaft fällt die Erzählung, dass Autokratien angeblich besser für die Bewältigung von Krisen gerüstet seien, bei manchem Bürger mit dem Glauben an "starke" Führer auf fruchtbaren Boden.

Präsidenten wie Alexander Lukaschenko in Belarus und Ilhan Alijew in Aserbaidschan haben beschlossen, die Krise entweder herunterzuspielen (wie 1986 die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl) oder zum Anlass zu nehmen, wieder härter gegen die Opposition vorzugehen. Aber auch in Ländern mit unterschiedlich mangelhaften Demokratien wie Armenien, Georgien, Moldau und der Ukraine ist das vorgeblich erfolgreiche Krisenmanagement Chinas oder russische Hilfslieferungen für den einen oder die andere willkommene soft power. Fake news aus Russland verbreiten sich schneller als das Virus und sind teils ebenso gefährlich.

Aus Brüssel vermittelt sich den Osteuropäern vor allem eines: Die EU ist mit sich selbst beschäftigt. Das ist ein schwerer Schlag für die Kommission, die als "geopolitische Kommission" angetreten ist, um ein "stärkeres Europa in der Welt" zu schaffen.

Bitte lesen Sie dazu den Policy Brief "Geopolitical Symptoms of COVID-19: narrative battles within the Eastern Partnership" von Mihai-Razvan Corman und Eliana Coraci.