Bürger diskutieren mit Maas und der bulgarischen Außenministerin

Für ein starkes, souveränes und solidarisches Europa

Unter dem Motto "2020 Europas Zukunft gemeinsam gestalten“ luden die Bertelsmann Stiftung und das Auswärtige Amt Bürgerinnen und Bürger, Politiker und Experten zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein. Die Bürger aus Polen, Frankreich und Deutschland diskutierten mit den Außenministern Heiko Maas und Ekaterina Zaharieva.

Foto Dominik Hierlemann
Dr. Dominik Hierlemann
Senior Advisor
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Anna Renkamp
Senior Project Manager
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Miriam Kosmehl
Senior Expert Eastern Europe and EU Neighbourhood

Zusammenhalt und ein europäisches "Wir-Gefühl“ waren zentrale Themen der Veranstaltung. Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass gerade im digitalen Zeitalter persönliche Gespräche face-to-face immer noch der beste Weg seien, sich kennenzulernen, sich verstehen zu lernen und ein Gefühl des Zusammenhalts zu entwickeln. So entstehe auch ein gemeinsames Verständnis für unsere europäischen Werte Toleranz, Freiheit und Solidarität.

Konflikte an den EU-Außengrenzen, Migrationsströme und aktuell das Corona Virus zeigen, dass komplexe Probleme nicht an nationalen Grenzen Halt machen. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Zusammenarbeit in der EU, so Bundesaußenminister Heiko Maas. Die EU wird nur handlungsfähiger, wenn sie sich von einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners verabschiedet. In einer globalisierten Welt müssen wir für unsere Werte einstehen und gegenüber Russland, der Türkei und Iran an einem Strang ziehen (Die vollständige Rede finden Sie in der untenstehenden Box).

Vor der Konferenz entwickelten 75 Bürgerinnen und Bürger aus Polen, Frankreich und Deutschland in einer Europawerkstatt konkrete Empfehlungen für ein starkes, souveränes und solidarisches Europa. Sie diskutierten ihre Vorschläge dann mit dem deutschen Außenminister und seiner bulgarischen Kollegin Ekaterina Zaharieva.

Europawerkstatt: Neue Form des grenzüberschreitenden Bürgerdialogs

Die Europawerkstatt ist eine neue Form des Bürgerdialogs. Je 25 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus Polen, Frankreich und Deutschland arbeiteten über zwei Tage im Auswärtigen Amt zusammen. Sie repräsentierten die Vielfalt der Gesellschaft. Gleich viele Frauen und Männer waren im Raum, Menschen ganz unterschiedlichen Alters und sozioökonomischer Hintergründe. Jede und jeder diskutierte in ihrer und seiner eigenen Sprache – mit Hilfe von Dolmetschern, Moderatoren und Experten.

Bürger wollen gemeinsame Projekte

Das Ergebnis: Viele Ideen und konkrete Vorschläge. Grundlage für mehr europäischen Zusammenhalt ist eine gemeinsame europäische Identität. Gerade deshalb müssen persönliche Kontakte und Begegnungen gefördert werden, etwa grenzüberschreitende Praktika, ein Europäisches Soziales Jahr sowie die Ausweitung des Erasmus-Programms und Interrail-Angebote für Berufstätige und Senioren.

Für die Nachhaltigkeitspolitik der EU wünschen sich die Bürger, dass die Verschwendung von Ressourcen reduziert und Innovationen in Sharing-Modelle und neue Verpackungskonzepte gefördert werden. Eine faire Handelspolitik ist für sie wichtig, wenn es um die Rolle Europas in der Welt geht. Dazu gehört Aufklärung der Bürger. Sie empfehlen ein Label, das die Auswirkungen der Produkte auf die Umwelt aufzeigt.

Europakonferenz: Wie ein handlungsfähiges Europa nach innen und außen gestalten?

Der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas, die niederländische Europaabgeordnete Sophie in’t Veld, MdB Katja Leikert und der Ökonom und Politikwissenschaftler Henrik Enderlein diskutierten auf dem Podium "Europa – Für die Zukunft gerüstet?“was sich in der EU ändern müsse, um Herausforderungen wie Migration oder Populismus zu meistern. Alle waren sich einig: Europa müsse für seine Bürgerinnen und Bürger ein Raum der Sicherheit bleiben, aber mehr Möglichkeiten schaffen und Potentiale besser nutzen. Europa müsse eigene Selbstlähmung überwinden, um zentrale Aufgaben zu meistern, etwa die „doppelte Transition“ zu Umweltschutz und Digitalisierung.

Margaritis Schinas unterstrich die Bedeutung von Solidarität, etwa gemeinsame Asylverfahren im grenznahen Raum. Zugleich müsse die EU ihre Außengrenze schützen und dürfe sich weder einschüchtern noch erpressen lassen.

Problemlösungsfähigkeit beweisen und klar kommunizieren: Das ist uns Europa wert!

In’t Veld zufolge müssen endlich Blockaden im Europäischen Rat überwunden werden. Dazu gehören eine funktionierende parlamentarische Demokratie mit echten Spitzenkandidaten und ein transparenter Haushalt. Leikert wünschte sich  Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, Enderlein Führungsfähigkeit und Projekte, in die sich alle einbringen und von denen alle profitieren. Um Rechtsstaatlichkeit einzufordern, ohne Widerstände gegen die EU auszulösen, sei etwa wichtig, strukturschwache Regionen zu unterstützen.

Steuerungsfähigkeit in einer globalisierten Welt

Der deutsche Europaabgeordnete David McAllister, MdB Nils Schmid und Daniela Schwarzer, Direktorin der DGAP diskutierten zu "Wie erhöhen wir die europäische Souveränität in einer unbequemeren Welt?“ Ohne innere Stärke kann es keine europäische Souveränität nach außen geben. Die Diskussion ging unter anderem um die Kraft der EU als normative soft power und wie auf Sanktionierungen anderer Regionalmächte zu reagieren sei. Die Antwort liege auch hier in der eigenen Wettbewerbsfähigkeit vor allem in Zukunftstechnologiebereichen – auch als Grundlage dafür, das eigene regulatorische System im Innern aufrechtzuerhalten, anstatt regulatorische Maßnahmen zu übernehmen, die europäischen Prinzipien widersprechen.

Die Meinungen in der Bewertung des Iran-Nuklearabkommens, aber auch der deutsch-französischen Initiative für Frieden in der Ostukraine gingen auseinander. Immerhin sei die EU stark und geschlossen in ihrer Sanktionspolitik Moskau gegenüber, befanden alle Redner.

Was tut Deutschland für eine zukunftsfähige EU?

Bei allen Unterschieden – einig waren sich die Redner in einem: Die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind immens.  Die Erfolgsgeschichte der EU fortzuschreiben, darum, so Axel Dittmann, Auswärtiges Amt und Christian Kastrop, Bertelsmann Stiftung müsse es ganz wesentlich in den kommenden Monaten gehen.