Teilnehmer des Stakeholder-Dialogs während der Diskussion

Ein Jahrzehnt Östliche Partnerschaft der Europäischen Union – Bewertung der Gegenwart, Gestaltung der Zukunft

Die Herausforderungen in Europas Osten sind aufs Engste mit Fragen des Zusammenlebens in der EU verbunden. Deshalb lud das Programm „Europas Zukunft“ am 29. Mai zum Dialog über die „östliche Dimension der EU“ ein, im Rahmen einer regelmäßigen Kooperation der Bertelsmann Stiftung mit den EU-Ratspräsidentschaften, aktuell mit Rumänien.

Foto Miriam Kosmehl
Miriam Kosmehl
Senior Expert Eastern Europe and EU Neighbourhood

Inhalt

Polen und Schweden initiierten die „Östliche Partnerschaft“, die der Europäische Rat 2009 als Antwort auf die andere multilaterale Initiative, die „Union für das Mittelmeer“, beschloss. Das erklärte Ziel des „gemeinsamen Unterfangens der Mitgliedstaaten der EU und ihrer osteuropäischen Partnerländer“, so die damalige Gipfelerklärung, sind vertiefte Beziehung der EU zu Moldau, der Ukraine, Belarus und den Südkaukasus-Republiken Armenien, Aserbaidschan und Georgien.

Das zehnjährige Jubiläum bot den Anlass, Erfolge und Defizite der Nachbarschaftspolitik Ost mit politischen Entscheidungsvorbereitern, Experten und Praktikern aus der Wirtschaft zu analysieren und sich Gedanken über mehr Gestaltungskraft für die „östliche Dimension der EU“ (so Polen 2004) zu machen.

Regionaler Ansatz für eine heterogene Region?

Die EU-Antwort auf die von jeher heterogene Region sind Verträge nach Maß: Assoziierungsabkommen und auf wirtschaftliche Integration abzielende Freihandelszonen für Moldau, die Ukraine und Georgien, die am liebsten der EU angehörten, sowie ein Partnerschaftsabkommen ohne Freihandel für Armenien, das engere Beziehungen mit der EU sucht, aber Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion bleiben möchte. Belarus und Aserbaidschan wollen am politischen Status quo nichts ändern, jedenfalls, so lange sie ohne EU-Gegengewicht zu Russland ihre Eigenständigkeit nicht gefährdet sehen.

Am ersten Roundtable „Die EU und ihre östliche Nachbarschaft – Bewertung der Gegenwart, Strategie für die Zukunft“ wurde kontrovers die Frage diskutiert, inwieweit die EU ihr Ziel erreicht, politische und wirtschaftliche Transformationen zu stärken. Doch in einem Punkt waren sich die Diskutanten einig: Es führe langfristig kein Weg daran vorbei, die europäische Nachbarschaftspolitik Ost um eine sicherheitspolitische Komponente zu ergänzen. Dabei sei unerheblich, dass die Östliche Partnerschaft von der EU nicht als geopolitische Strategie konzipiert worden sei, denn sie werde von Moskau so wahrgenommen.

Die zentrale Rolle der EU als Partner der reformorientierten Gesellschaft und Wirtschaft

Nur ein starker und fairer Staat bietet den Rahmen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierung. Deshalb müsse die EU den reformwilligen Staaten, wie der Ukraine, Moldau und Georgien, auch bilateral zur Seite stehen. Auch wenn die Reformen, insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, stockten oder Rückschritte erfolgten, sei es wichtig, sie konsequent weiter zu fördern und Ergebnisse einzufordern. 

Die Zukunft der Ukraine wird nicht nur im Donbass entschieden, sondern auch in Kiew.

Ein Diskutant des Experten-Roundtable

Die EU kooperiert inzwischen gut mit den Zivilgesellschaften der Nachbarn, wenn es darum geht, Probleme zu identifizieren und gemeinschaftlich zu lösen. Der gemeinsame Druck der EU von außen und der Zivilgesellschaft von innen ist so wichtig, weil fairer politischer Wettbewerb sich erst langfristig einstellt. Und gerade "alte" Eliten sind geübt darin, demokratische Institutionen nur der Form nach auszufüllen und Reformen vorzuspiegeln anstatt umzusetzen.

Eine solche Unterstützung setzt aber den politischen Willen in Brüssel und den EU-Mitgliedstaaten voraus, die östlichen Nachbarn weiter auf der Prioritätenliste zu halten und die „Mühen der Ebene“ anzuerkennen. Keine EU-Politik hätte die ehemaligen Sowjetrepubliken in nur wenigen Jahre umfassend verändern können. Es dauert lange, die Vereinnahmung staatlicher Strukturen durch eigennützige Eliten aufzubrechen. Ein zentraler Punkt ist Einigkeit innerhalb der EU. Auch die Einbindung besonders fortschrittlicher Nachbarn in EU-Projekte wie die Energieunion oder gemeinsame Verteidigungspolitik kann nur gelingen, wenn die EU-Mitglieder den strategischen Gestaltungswillen aufbringen, europäischen Zusammenhalt in Stärke nach außen umzusetzen.

Zwei konkurrierende Projekte wirtschaftlicher Integration

Auf nachhaltiger Entwicklung lag beim zweiten Roundtable „Östliche Partnerschaft – ein Faktor für wirtschaftliche Entwicklung?“ der Fokus. Die Vertieften und Umfassenden Freihandelsabkommen seien in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung, so alle Redner, weil die mit ihnen verbundene Integration in das europäische System in den Partnerländern den Rahmen für fairen Wettbewerb und damit für Innovation und Wachstum festige. Die EU müsse aber gerade die Umsetzung der komplexen Assoziierungsabkommen gewissenhaft begleiten. Frühere Analysen der DCFTAs identifizieren kurzfristig hohe Kosten, Vorzüge zeigen sich erst langfristig.

Insgesamt sind die Nachbarn auch hier in einem Spannungsfeld zwischen östlichem und westlichem Einfluss – den Freihandelszonen mit der EU steht die Eurasische Wirtschaftsunion gegenüber, die etwa ihren Mitgliedern Armenien und Belarus Freihandel mit der EU nicht gestattet und Nicht-Mitglieder schon einmal mit Wirtschaftssanktionen belegt.

Für eine Bewertung des mit Armenien geschlossenen Partnerschaftsabkommens als "Brücke" zwischen den Blöcken ist es nach rund eineinhalb Jahren und einer Zeit innenpolitischer Umwälzungen noch zu früh.

Sowohl für die Europäische als auch für die Eurasische Integration gilt gleichermaßen: korrupte Machthaber diskreditieren die Integrationsmodelle für die sie, häufig nur vermeintlich, stehen.

Ausländische Investoren wollen Rechtssicherheit

Zwar ist die EU bereits der stärkste wirtschaftliche Partner der Länder der Östlichen Partnerschaft, von Belarus abgesehen. Doch ein wesentlicher Anstieg an ausländischen Direktinvestitionen fehlt bislang, weil gerade Großinvestoren Wert auf ihre Eigentumsrechte legen. Veränderungen hier sind auch Bedingung dafür, dass die Jungen und Talentierten nicht auswandern, sondern Beschäftigungsmöglichkeiten zu Hause finden und dort die Modernisierungsprozesse mitgestalten.

Gleichzeitig seien einige positive Entwicklungen schon in Ansätzen sichtbar. So stelle der wachsende Servicesektor insbesondere im IT-Bereich etwa in der Ukraine und Belarus eine Möglichkeit für KMU dar, Fuß zu fassen, ohne direkt in Konkurrenz mit einer immer noch überwiegend monopolistisch organisierten Wirtschaftselite zu treten.

Dass die Transformationsprozesse in der östlichen Nachbarschaft nur langsam voranschreiten, zeigt auch der Bertelsmann Transformation Index (BTI). Der BTI analysiert und vergleicht weltweit Transformationsprozesse zur rechtsstaatlichen Demokratie und sozialpolitisch flankierten Marktwirtschaft. Er erscheint zweijährlich und bewertet die Qualität von Demokratie, Marktwirtschaft und politischer Gestaltungsleistung in 129 Ländern.

Die Länder der östlichen Partnerschaft in der Transformation

Politische Transformation
Wirtschaftliche Transformation
Transformation der Regierungsführung

Ausblick: Positive Reformagenda fortsetzen!

Der politische Wille der Länder selbst sei zwar der entscheidende Faktor, doch leider stünden politische Entscheider und fortschrittliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Kräfte nicht automatisch und von Beginn an im selben Lager. Wenn der Konsens der reformorientierten Kräfte aber weiter unterstützt werde, und die EU die DCFTA-Länder in den Bereichen, in denen staatliche Kapazitäten fehlen, stärke, sei der Ausblick auf die nächste Dekade der Nachbarschaftspolitik Ost ein positiver. Denn ein großes wirtschaftliches und gesellschaftliches Potential sei in den Ländern der Östlichen Nachbarschaft gegeben, so resümierten die Teilnehmer ganz überwiegend die Ergebnisse beider Konferenzrunden.