Die Forderungen der EU sind richtig, doch viele der in Syrien einflussreichen Regionalmächte teilen sie nicht. Dennoch wünschen sie das finanzielle und technische Engagement Europas beim Wiederaufbau Syriens.
Das ist eine Chance für die europäische Nachbarschaftspolitik, Brüsseler Interessen durchzusetzen, selbst wenn das Gestaltungspotenzial der EU durch die Einflussmöglichkeiten der wirklichen Akteure im Nahen Osten, nämlich Russland, die Türkei, Iran, Saudi-Arabien und Israel, begrenzt ist. Zudem zieht sich der transatlantische Partner Europas, die USA, militärisch aus dem Osten Syriens zurück, nachdem der „Islamische Staat“ vertrieben wurde. Auch die Unberechenbarkeit der Trump'schen Nahostpolitik lädt neue Verantwortung auf Brüsseler Schultern.
„Antagonismen in der Nachbarschaft der Europäischen Union – Strategische Ohnmacht in Syrien überwinden, wie die EU Flagge zeigen und den Interessen der Regionalmächte begegnen kann“: Dieser neue Policy Brief des Projekts „Strategien für die EU-Nachbarschaft“ der Bertelsmann-Stiftung erklärt die neuen Parameter des Syrien-Konflikts, analysiert die Regionalpolitik Russlands, der Türkei, Irans, Saudi-Arabiens, der USA und Israels und schlägt vor, wie Berlin und Brüssel ihre Interessen in dem schwierigen Umfeld ihrer südöstlichen Nachbarschaft besser durchsetzen und wie sie mit der Nahost-Politik der genannten Schlüsselstaaten gezielter umgehen können.
Die Vorschläge für ein europäisches Engagement in Syrien reichen von einem Festhalten an Minimalkriterien für Wiederaufbauhilfen über ein unabhängiges und verlässliches Monitoring von Investitionen bis zur Verfolgung und juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen.
Um die Eskalationsgefahren im Nahen Osten mit Hilfe von Verhandlungen zu reduzieren, wird eine intensive Shuttle-Diplomatie mehrerer europäischer Außenminister zwischen Washington, Moskau, Ankara, Teheran, Riad und Jerusalem vorgeschlagen. Gleichzeitig sollten Brüssel, Berlin, London und Paris ihr EU-/E-3 Diplomatie-Format um ein mittel-/osteuropäisches Mitgliedsland erweitern, um die Rückkopplung auch an die Interessen der jungen EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
An diesem Policy Brief haben die Osteuropa-Expertin Miriam Kosmehl und der Nahost-Fachmann Christian Hanelt von der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit neun Experten/innen zu den Ländern Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien, USA und Israel sowie für europäische Außenpolitik und internationale Beziehungen gearbeitet.
Das Europaprogramm der Bertelsmann-Stiftung möchte mit seinem Projekt „Strategien für die EU-Nachbarschaft“ Vorschläge erarbeiten, wie die EU in ihrer direkten Nachbarschaft, von Weißrussland über Syrien bis Marokko, zu einem Ring stabiler Staaten beitragen kann.