Kein Kandidat steht zuverlässig für euroatlantische Integration – obwohl es der Wunsch der großen Mehrheit der ukrainischen Bürger ist. Die EU ist der Rettungsanker, um Korruption und schlechter Regierungsführung zu begegnen. Beides sehen die Ukrainer neben dem Krieg mit Russland als größte Herausforderung. Doch wenn Noch-Präsident Poroschenko den EU-Beitritt verspricht, ist das ein Lippenbekenntnis. Reformen sind dort gelungen, wo die Interessen mächtiger Eliten nicht berührt werden. Die Ausnahmen im Banken- und Energiesektor oder im Gesundheitsbereich zeigen nur, dass ohne den Druck der ukrainischen Zivilgesellschaft und internationaler Partner wenig vorankommt.
Der kompetitive Wahlkampf verstellt den Blick darauf, dass die Ukrainer auch fünf Jahre nach der Zäsur des Euromaidan noch immer wenig Wahl zwischen "alten" und "neuen" Politikern haben. Letztere sind in Kiew deutlich in der Unterzahl. Reichweitestarke TV-Kanäle von Oligarchen und ein Wahlgesetz, das Geld und Politik intransparent verflicht, versperren den Weg in nationale Bekanntheit und Politik.
Der Polit-Neuling Selensky hat den Zugang, den neue Politiker in der Ukraine sonst nicht haben – Mit dem Fernsehen erreicht er Wähler im ganzen Land. Erfolgreich wurde er als Mann des Systems. Seine Geschäftsbeziehungen zu dem berüchtigten Oligarchen Ihor Kolomoisky lassen hinterfragen, ob Selensky politisch unabhängig handeln kann und will.