Da die bestehenden Instrumente und Politiken zur Bewältigung dieser Herausforderungen nicht ausreichen, bedarf es völlig neuer Ansätze. Innovationen sind daher der grundlegende Treiber einer umfassenden Transformation hin zu einer sozial wie ökologisch nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind gegeben. In Deutschland gibt es großen Handlungsbedarf, aber auch enorme Innovationspotenziale, die man beherzt und ambitioniert erschließen sollte.
Die Bertelsmann Stiftung ist gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe der Frage nachgegangen, wie sich diese Potenziale erschließen lassen – um Innovationen zu fördern, die sowohl zu Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand als auch zu gesellschaftlichem Fortschritt beitragen. Im Rahmen des Reinhard Mohn Preises 2020 wurden auf Basis einer weltweiten Good-Practice-Recherche beispielhafte Politiken, Institutionen und Mechanismen aus 13 Ländern analysiert. Die unter dem Titel „Innovation for Transformation“ gesammelten Erkenntnisse liegen nun in vier detaillierten Ergebnispapieren und einer „Zukunftsagenda“ vor. Im Zentrum der „Zukunftsagenda: Innovation for Transformation“ stehen dabei konkrete Handlungsempfehlungen für die deutsche wie europäische Politik.
Ambitionierte Ziele formulieren, Sprunginnovationen fördern, Start-ups besser unterstützen
Laut den Studienautoren sind durchaus tiefgreifende Veränderungen nötig. Ein wichtiger Ansatzpunkt der Zukunftsagenda: Eine erfolgreiche Innovationspolitik braucht einen handlungsfähigen und proaktiv agierenden Staat mit wirkungsvollen Institutionen. Die hiesige Innovationspolitik sollte noch stärker auf gemeinschaftlich ausgehandelte, sektorübergreifende Ziele ausgerichtet werden – beispielsweise im Bereich „grünes Wachstum“ oder der wertebasierten Entwicklung digitaler Technologien. Ebenso sollte man institutionelle Anpassungen erwägen, wie etwa die Einrichtung einer Innovationsagentur als „Change Agent“. Ein solcher Change Agent kann helfen, Innovationsakteure wirksam auf die großen gesellschaftlichen Transformationsziele auszurichten und die Umsetzung missionsorientierter Innnovationsstrategien zu verbessern. Hierbei lohnt ein Blick auf erfolgreiche institutionelle Praktiken in anderen Ländern, wie etwa in Gestalt der schwedischen Innovationsagentur Vinnova, der israelischen Innovation Authority oder der britischen Innovationsstiftung Nesta.
Zudem auf der Agenda: Die Förderung von Austausch- und Vernetzungsprozessen zwischen verschiedenen Bereichen, wie etwa Staat, Unternehmen, Forschung und Zivilgesellschaft. „Gerade um Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu erarbeiten, muss man über sektorale Grenzen und Silos hinweg denken. Offene, partizipative Innovationsprozesse führen zu einem besseren Problemverständnis – und dann auch zu passgenauen Lösungen“, erläutert Dr. Daniel Schraad-Tischler, Director des Programms Nachhaltig Wirtschaften der Bertelsmann Stiftung. Beispielsweise könnten bestehende (regionale) Innovationszentren gezielt um zivilgesellschaftliche Perspektiven erweitert und auf konkrete gesellschaftliche Veränderungsziele ausgerichtet werden, wie dies etwa im schwedischen Modell sogenannter „Science Parks“ der Fall ist.
Weitere vielversprechende Ansatzpunkte erkennen die Studienautoren in der noch intensiveren Förderung hochtechnologischer Sprunginnovationen und kreativer Start-ups. Zudem scheitern zu viele gute Geschäftsideen bei der Kommerzialisierung. Hier raten die Autoren unter anderem zu einer Flexibilisierung der Gründungsförderung sowie einer bewussten Unterstützung auch hochriskanter Projekte – besonders dann, wenn diese einen gesellschaftlichen Mehrwert erkennen lassen. Vorbildhafte Beispiele hierfür sind in der Schweiz, in Großbritannien oder Israel zu finden.
„Ohne Zweifel gibt es enormen Veränderungsbedarf. Doch gerade der tiefe Einschnitt durch die Corona-Krise bietet jetzt die große Chance, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prioritäten anzupassen und sie mit einer Agenda für mehr Innovationskraft sinnvoll zu verbinden. Dann kann Innovation zum Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit werden“, resümiert Dr. Jan Breitinger, Innovationsexperte der Bertelsmann Stiftung.