In einem Online-Leitartikel argumentiert Christian Kastrop, Direktor des Programms Europas Zukunft der Bertelsmann Stiftung, zusammen mit Thomas Wieser, dem langjährigen Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses des Europäischen Rates der Wirtschafts- und Finanzminister und der Eurogruppe, dass die Corona-Krise exemplarisch zeigt, wie sich die Europäische Union wandeln muss, um im 21. Jahrhundert zu bestehen.
"Gemeinsam oder einsam?" fragen die Autoren in dem am Osterwochenende erschienenen Leitartikel. Tatsächlich reagierten viele europäische Regierungen auf rein nationaler Ebene auf die aktuelle Krise – Schutzmasken wurden vom Zoll einbehalten, Grenzen geschlossen, wichtige Lieferketten unterbrochen. Dabei wäre gerade in dieser Situation europäische Solidarität dringend notwendig, um Europas Bürgerinnen und Bürger den bestmöglichen Schutz zu garantieren.
So gibt es augenscheinlich Aspekte der Gesundheitspolitik, die auf europäischer Ebene koordiniert und organisiert werden müssten – wozu der EU allerdings aktuell die Handlungsermächtigung fehlt, da die Gesundheitspolitik ausschließlich auf der Ebene der Mitgliedstaaten angesiedelt ist. Ein Mangel an Handlungsfähigkeit, den man der EU nicht nur in diesem Politikfeld attestieren muss. Auch in anderen Politikfeldern, wie der Rechtsstaatlichkeit, der Außen- oder auch der Migrationspolitik zeigte sich die EU in den vergangenen Jahren entweder politisch nicht willens oder faktisch im Rahmen der gegebenen europäischen Institutionen und Entscheidungsstrukturen nicht fähig, entschieden auf europäischer Ebene zu handeln.
So wird durch die aktuelle Krise augenscheinlich, dass die EU einen neuen Impuls braucht, um das Handeln auf europäischer Ebene zu fokussieren und somit effizienter zu machen. Diesen Impuls entwickelt die Bertelsmann Stiftung zusammen mit einer Reflektionsgruppe zu Europäischen Öffentlichen Gütern, die mehrmals im Jahr Politiker, Vertreter der europäischen Union und unabhängige Experten zusammenbringt. Der Fokus auf zentrale europäische Gemeinschaftsgüter soll dabei bei Wahrung des Subsidiaritätsprinzips den Fokus dorthin legen, wo gemeinsames und entschlossenes europäisches Handeln den eindeutigen Mehrwert für Mitgliedstaaten und Bürgerinnen und Bürger erzeugt – so wie jetzt in der Pandemie. So stehen beim nächsten Treffen, welches am 14. Mai und angesichts der aktuellen Lage online stattfinden wird, neben Corona die Resilienz des Euroraums und die gemeinsame europäische Migrationspolitik im Vordergrund.