Die von John Lough und Iulian Rusu verfassten Länderberichte analysieren Justiz- und Antikorruptionsreformen in der Ukraine seit der Revolution der Würde 2013/14 bzw. seit 2009 in der Republik Moldau, als die Parteienkoalition „Allianz für Europäische Integration“ Reformen nach westlichem Vorbild ankündigte.
Ukraine und Moldau: Warum ist es so herausfordernd, Rechtsstaatlichkeit zu erreichen?
Gerade Richter:innen und Staatsanwält:innen werden in jungen und fragilen Demokratien häufig für politische Zwecke instrumentalisiert. Dies ist angesichts ihrer Schlüsselrolle in der Rechtsstaatsförderung verheerend: Denn nur eine unabhängige Justiz kann Korruption unterbinden, und nur zuverlässige Gewaltenteilung bietet Gewähr für integre Richter:innen und Staatsanwält:innen.
Inhalt
Obwohl die beiden Länder ganz unterschiedlich groß sind, lassen sich die Justiz- und Antikorruptionsreformen dort durchaus vergleichen.
Die Gegenüberstellung ermöglicht es, Rückschlüsse auf strukturelle Probleme zu ziehen und typische Herausforderungen zu identifizieren, die Rechtsstaatsreformen und ihre Umsetzung mit sich bringen. Und dies genau zu der Zeit, in der der Kurs der Politik der Östlichen Partnerschaft für ihr zweites Jahrzehnt gesetzt wird.
Lough und Rusu kommen zu dem Schluss, dass die auf die Justiz und Staatsanwaltschaften gerichteten Reformen die Realitäten der zugrundeliegenden politischen Systeme nicht ausreichend berücksichtigten, in denen die Ablehnung von Wandel tief verwurzelt ist – und so das klassische Problem mit dem Huhn und dem Ei schufen: Die Reformer sahen Justiz- und Antikorruptionsreformen als Katalysator für eine Systemtransformation, doch alte machtpolitische Netzwerke verhinderten, dass die Reformen diese Rolle auch ausfüllen konnten.
Dieser Teufelskreis trägt zu dem Eindruck bei, dass beide Länder in einer Endlosschleife gescheiterter Antikorruptionsreformen gefangen sind, die keine noch so große westliche Hilfe auflösen kann.
Die Studie bietet fünf zentrale Empfehlungen für internationale Partner der Ukraine und der Republik Moldau, die sich in der Rechtsstaatsförderung engagieren:
- Die Funktionsweisen der politischen Systeme und die Regierungsführung mehr in den Fokus nehmen und berücksichtigen, wie sich Reformerfolge in den Bereichen Justiz und Antikorruption im Kontext dieser Systeme auswirken.
- Offene Auseinandersetzung mit jenen Faktoren, die Justiz- und Antikorruptionsreformen behindern, einschließlich der Mechanismen politischer Einflussnahme und Instrumentalisierung von Justiz und Strafverfolgung sowie auch von Kulturen, die die Berufe von Richter:innen, Ermittler:innen und Staatsanwält:innen prägen.
- Entwicklung von Programmen, um einen Kulturwandel in Organisationen fördern zu können, die von starken, fest verankerten Identitäten und Interessen geprägt sind. Wirtschaftsunternehmen können hier einschlägige Expertise und Erfahrung bieten (Change Management).
- Der Aufbau neuer Antikorruptionseinrichtungen und die Reform des Justizsektors, einschließlich der Staatsanwaltschaften, sollten Hand in Hand gehen und Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden einbezogen werden.
- Es empfiehlt sich, den Einstieg in Justizinstitutionen für Außenstehende zu öffnen, insbesondere für erfahrene Anwält:innen. Bisherige Karrieremodelle sollten angepasst werden, weil sie es begünstigen, dass sich jenseits von Fähigkeiten und Integrität "verschworene Einheiten" herausbilden.
Event
In der Expert:innendiskussion, organisiert von Chatham House in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung, werden die o.g. Studie vorgestellt und insgesamt Erfolge und Rückschläge bei der Reduzierung illegitimer politischer Einflussnahme sowie Marktverzerrungen seit 2014 analysiert. Im Fokus der Veranstaltung steht die Ukraine: