Die Konzentration der globalen Innovationskraft hat in den letzten 20 Jahren trotz Digitalisierung nicht abgenommen: Wenige große Metropolen vereinen einen großen Anteil der Patentanmeldungen auf sich, mit weitem Abstand zum Rest. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie der OECD und der Bertelsmann Stiftung, für die die Patentanmeldungen in 30 OECD-Ländern zwischen 1995 und 2014 untersucht wurden.
Digitalisierung verstärkt regionale Ungleichgewichte bei Innovationen
Der digitale Wandel verspricht den einfachen, schnellen und kostengünstigen Zugang zu Wissen und Daten weltweit. In der Theorie können Innovationen somit überall entwickelt werden. Doch Patentanmeldungen konzentrieren sich weiterhin auf wenige große Städte, die ihren Innovationsvorsprung im Zuge der Digitalisierung sogar noch ausbauen. Das birgt Risiken für die Wohlstandsverteilung.
International hohe Konzentration bei Patentanmeldungen
Die führenden 10 Prozent der Städte vereinen knapp zwei Drittel der Patentanmeldungen in den 30 OECD-Ländern auf sich. Dieser Wert ist von 1995 bis 2014 sogar von 61 auf 64,5 Prozent gestiegen.
Geblieben ist auch die Dominanz der weltweiten Innovationszentren, die sich kaum geändert haben. Nur wenige Metropolen wie Seoul (1995: Platz 37) oder Seattle (1995: Platz 34) konnten einen Aufstieg in die Top-Ten hinlegen. Auffällig ist in der Spitzengruppe weiterhin das starke Abschneiden von Städten aus dem Asien-Pazifik-Raum. Europa ist hier lediglich mit Paris (5. Platz) vertreten. Deutschland folgt mit München und Stuttgart erst auf den Rängen 11 und 12.
Die Konzentration und die daraus resultierenden Ungleichgewichte werden besonders deutlich bei der Gegenüberstellung von Patentanmeldungen und Bevölkerungszahlen. Die Top-fünf-Städte machen knapp ein Viertel (22 Prozent) der Patentanmeldungen aus, repräsentieren aber nur rund acht Prozent der Bevölkerung in den 30 untersuchten Ländern. Diese Ballung findet sich auch innerhalb der meisten Länder.
In Deutschland ist die Konzentration auf einzelne Ballungsgebiete allerdings deutlich schwächer ausgeprägt. Dies ist laut der Studie auf die räumlich breiter verteilte Bevölkerung und die dezentrale Wirtschaftsstruktur zurückzuführen. München und Stuttgart führen mit jeweils rund vier Prozent aller deutschen Patentanmeldungen das Feld an. Zum Vergleich: In Frankreich vereint allein Paris knapp 47 Prozent aller Patentanmeldungen auf sich.
Digitalisierung verstärkt Konzentrationstrend
Bemerkenswert ist, dass die digitale Transformation laut Studie in den letzten 20 Jahren nicht zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Innovationen geführt hat – im Gegenteil: Die Digitalisierung hat die Konzentration von Innovationskraft in Ballungszentren noch verstärkt.
Tatsächlich zeigen die Daten, dass Konzentrationsprozesse vergleichsweise stark in solchen Branchen ausgeprägt sind, in denen digitale Technologien verstärkt zum Einsatz kommen. In den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien, Biotech und Meditech konzentrieren sich jeweils 76, 64 und 68 Prozent der Patentanmeldungen im Jahr 2014 auf die jeweils zehn Prozent der OECD-Spitzenstädte. Das lässt sich laut Studienautoren damit begründen, dass zwar überall ein erleichterter Zugang zu Daten und Wissen besteht, doch die hochqualifizierten Fachkräfte gerade in diesen wissensintensiven Bereichen in den Zentren anzutreffen sind, wo sie ein innovationsfreundliches Biotop aus Universitäten und Forschungseinrichtungen finden.
Diese räumlichen Zentren seien häufig recht geschlossen („home bias“ bei Innovationen), sodass das Wissen nicht hinreichend in andere Regionen gelangt und diese immer weiter abgehängt werden. Die Entwicklung gleiche einem Domino-Effekt: Je innovativer, desto produktiver und einkommensstärker werden die Ballungszentren in der Regel.
Um diese Entwicklungen abzufedern, ohne dabei die Innovationskraft der Zentren zu bremsen, empfehlen die Autoren zweierlei: Zum einen sollten bislang wenig innovative Regionen eine „intelligente Spezialisierung“ verfolgen, bei der Innovationen in bestehende Geschäftsaktivitäten und regionale komparative Vorteile eingebettet sein sollten. Fördermaßnahmen sollen auch bestehende Potenziale aufbauen und diese weiter stärken, anstatt in komplett neue Strukturen zu investieren. Zum anderen sollte der schnelle Zugang zu Internet und Daten überall sichergestellt und die Mobilität hochqualifizierter Arbeitskräfte gefördert werden.
Die ausführliche Studie lesen Sie hier.
Diese Studie erscheint im Rahmen des Reinhard Mohn Preises der Bertelsmann Stiftung. Der Reinhard Mohn Preis 2020 widmet sich dem Thema "Innovationskraft stärken. Potenziale erschließen." und befasst sich mit der Herausforderung, wie Deutschland und Europa den technologischen Wandel zum Wohle der Gesellschaft vorantreiben können.
Der Reinhard Mohn Preis wird seit 2009 von der Bertelsmann Stiftung an international renommierte Persönlichkeiten verliehen, die sich um wegweisende Lösungen für gesellschaftliche und politischen Herausforderungen verdient gemacht haben.