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Können Zentralisierung und Inklusivität in der EU-Kohäsionspolitik Hand in Hand gehen?

Die Europäische Kommission überlegt künftig die Kohäsionspolitik über einen performance-basierten Ansatz mit zentraler Rolle der Mitgliedsstaaten zu steuern. Regionale und zivilgesellschaftliche Stimmen haben deshalb Bedenken an den Rand gedrängt werden. Dieser Policy Brief skizziert zwei konkrete Reformvorschläge – Nationale Partnerschaftsausschüsse und einen gestärkten Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaft – die sicherstellen können, dass demokratische Beteiligung weiterhin im Zentrum der EU-Finanzierungsentscheidungen steht.

Ansprechpartner

Foto Andrey Demidov
Dr. Andrey Demidov
Project Manager
Foto Thomas Schwab
Dr. Thomas Schwab
Senior Expert European Economics

Inhalt

Die Europäische Kommission plant eine umfassende Reform der EU-Kohäsionspolitik durch die Einführung nationaler Mittelzuweisungen – eines stärker zentralisierten, leistungsorientierten Modells, das von der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) inspiriert ist. Die Mittelvergabe soll an das Erreichen vorab vereinbarter Meilensteine wie strukturelle Reformen geknüpft werden, was eine stärkere strategische Koordination über alle Regierungsebenen hinweg erfordert.
Auch wenn dieses Vorgehen die Verfahrenseffizienz steigern soll, birgt es ein erhebliches Risiko: die Marginalisierung subnationaler Behörden und zivilgesellschaftlicher Akteure, die bisher feste Partner bei der Gestaltung und Umsetzung der Kohäsionspolitik waren.

Warum Partnerschaft wichtig ist

Das Partnerschaftsprinzip ist zentral für den Erfolg der Kohäsionspolitik. Es:

  • sichert eine lokal fundierte und relevante Politikgestaltung.
  • stärkt die demokratische Legitimität und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
  • trägt zur Verhinderung von Mittelfehlverwendung bei und fördert rechtsstaatliche Standards.

Studien zeigen, dass partnerschaftsbasierte, dezentralisierte Systeme zu einer höheren Mittelaufnahme und effektiveren Politikumsetzung führen.

 

Lösungsvorschläge

Um das Partnerschaftsprinzip im neuen Umsetzungsmodell zu integrieren, werden zwei zentrale Reformen empfohlen:

1. Einrichtung nationaler Partnerschaftsausschüsse
Zur Förderung strukturierter Beteiligung und effektiver Koordination sollte jeder Mitgliedstaat einen nationalen Partnerschaftsausschuss einrichten. Diese Gremien sollten:

  • Alle relevanten Interessenträger zusammenbringen.
  • Als zentrales Verhandlungsforum mit der Europäischen Kommission dienen.
  • Nationale Positionen intern abstimmen, bevor sie auf EU-Ebene eingebracht werden.

Erfolgreiche Modelle existieren bereits, etwa die ÖROK in Österreich und die Nationale Kommission für nachhaltige Entwicklung in Finnland, die bewährte Rahmenbedingungen für multilaterale Koordination bieten.

2. Stärkung des Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaft
Der Europäische Verhaltenskodex für Partnerschaft sollte überarbeitet werden, um:

  • Rollen, Rechte und Beteiligungsstufen aller Interessenträger klar zu definieren.
  • Den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zu begrenzen und symbolische Beteiligung zu verhindern.
  • Die Einhaltung der Partnerschaftsverpflichtungen an die Auszahlung von EU-Mitteln zu knüpfen.
  • Neue Koordinierungsstrukturen wie die nationalen Partnerschaftsausschüsse zu integrieren.

Umsetzungslücken und Hindernisse

In der Praxis zeigen sich oftmals Defizite in der Umsetzung des Partnerschaftsprinzips, die auf folgende Faktoren zurückzuführen sind:

  • Unzureichende Verwaltungsstrukturen und mangelnde Einbindung von Partnern.
  • Eingeschränkter Zugang zu relevanten Dokumenten und oberflächliche Konsultationen.
  • Zu flexible EU-Leitlinien, die eine formalistische Umsetzung erlauben,

Risiko in Reform verwandeln

Die Reform der Kohäsionspolitik ist sowohl Risiko als auch Chance. Ohne entsprechende Schutzmechanismen könnten entscheidende Stimmen ausgeschlossen werden. Mit den richtigen Instrumenten – rechtlich verbindliche Beteiligung, klare EU-weite Standards und Verknüpfung mit leistungsbasierter Mittelvergabe – kann das Partnerschaftsprinzip jedoch nicht nur bewahrt, sondern gestärkt werden.
Jetzt ist der entscheidende Moment, die EU-Kohäsionspolitik zu modernisieren und dabei ihre demokratischen und integrativen Grundlagen zu bekräftigen.

Policy Brief