Die rumänische Flagge vor blauem Himmel

Ein Aufgebot gegen die Korruption

Das Referendum am Ende des Monats wird zeigen, wie stark Korruption in Rumänien toleriert wird. Wird es die Epidemie politischer Bestechlichkeit und Straflosigkeit eindämmen können?

 

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Mit einem Volksentscheid per Dekret am 26. Mai begegnet Präsident Klaus Johannis dem schlechten Abschneiden der Regierungspartei im Kampf gegen Korruption sowie ihren jüngsten Angriffen auf Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz. Nach den letzten Wahlen 2016 sicherten sich die Sozialdemokraten (PSD) mit der Unterstützung zweier Juniorpartner eine komfortable Parlamentsmehrheit, die sie nutzten, um das Strafrecht zugunsten korrupter Parteimitglieder und zulasten der Rechtsstaatlichkeit zu ändern. 45 Prozent der Stimmen konnte die PSD auf sich verbuchen, obwohl ihre Parteiführer bekanntermaßen in Korruptionsskandale verwickelt waren. Diesen Erfolg verstand die Partei als Freibrief, den Kampf gegen die Korruption zu behindern und die nationale Antikorruptionsbehörde zu schwächen. Mit seiner Volksabstimmung will Johannis der Partei signalisieren, dass sie sich gegen den Willen der Rumänen stellt.

Konkret werden die rumänischen Wähler beim kommenden Volksentscheid am Tag der gleichzeitig stattfindenden Europawahl ihre Meinung zu zwei mit der Verhinderung von Korruption verbundenen Fragen kundtun können: "Unterstützen Sie ein Verbot von Amnestien und Begnadigungen für Korruptionsstraftaten?" Und: "Unterstützen Sie, dass Strafrechtsänderungen und Eingriffe in die Gerichtsbarkeit per Eilverordnungen unzulässig sind und die Frist für Beschwerden gegen diese Rechtsvorschriften beim Verfassungsgericht ausgeweitet wird?" Die umständliche Formulierung dieser Fragen könnte zu einiger Verwirrung führen, doch insgesamt erhalten die Rumänen eine Gelegenheit, gegen die am 24. April vom PSD-dominierten Parlament verabschiedeten Strafrechtsänderungen Stellung zu beziehen.

Diese Änderungen umfassen die Verkürzung der Verjährungsfristen, Strafmilderungen für manche Tatbestände sowie die Entkriminalisierung von Amtspflichtvernachlässigungen und sind dazu gedacht, laufende Ermittlungsverfahren und Gerichtsverfahren gegen hochrangige Politiker und Staatsleute zu beenden. Die zweite Frage stellt das Recht der Exekutive auf Erlass von Eilverordnungen infrage, die wirksam werden, sobald sie dem Parlament vorliegen. Selbst wenn das Parlament gegen einige dieser Rechtsvorschriften votiert, lassen sich ihre rechtlichen Konsequenzen nicht mehr aus der Welt schaffen. Das bedeutet, dass die Exekutive per Eilverordnungen sofortige Gesetzesänderungen erlassen kann, ohne dass das Parlament, besonders die Opposition, die Möglichkeit erhält, die Vorlagen zu diskutieren und zu ändern.

von Lavinia Stank

Lavinia Stank ist Professorin für Politikwissenschaft an der St. Francis Xavier Universität in Canada. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt Politik im postkommunistischen Osteuropa, besonders in Rumänien, Übergangsjustiz sowie Religion und Politik. Seit 2016 trägt sie zum Länderbericht Rumänien der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung bei.

Korruption nimmt zu, Proteste dagegen auch

Viele Bürger setzen sich dafür ein, dass die Korruptionsbekämpfung in Rumänien weitergeht. Das Land zählt in Europa zu den ärmsten und zu den korruptesten. Der aktuelle Länderbericht der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung stellt unmissverständlich fest: "Korruption ist in Rumänien ein Problem, das sich weiter auswächst." Obwohl "einige Verfahren zur Sicherung der Rechtschaffenheit funktionieren, werden Amtsträger nicht wirkungsvoll davon abgehalten, ihre Positionen zu missbrauchen." Im SGI-Ranking der 41 Industrienationen landet Rumänien beim Thema Rechtsstaatlichkeit, das neben der Korruptionsbekämpfung auch die Rechtssicherheit, die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung und die Ernennung von Richtern bewertet, auf dem 35. Platz.

Seit seiner Gründung 2002 und besonders unter der Leitung von Laura Codruta Kövesi (2013-2018) hat die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA) eine Welle von Urteilen gegen Minister, Gesetzgeber, Bürgermeister, Richter, Strafverfolger, Direktoren öffentlicher Versorgungsbetriebe und andere Staatsleuten erwirkt. Die Berichte der Jahre 2016, 2017 und 2018, veröffentlicht auf der Webseite der Behörde, listen nicht weniger als 2.823 Personen auf, gegen die Anklage erhoben wurde, darunter sieben Minister, 17 Stellvertreter, sieben Senatoren, 72 Bürgermeister, 20 Richter und Anwälte sowie 38 Direktoren von Staatsbetrieben. Eine beträchtliche Zahl der Verurteilten gehört der PSD an, doch auch Mitglieder anderer Parteien wurden wegen Bestechlichkeit, Vetternwirtschaft, Veruntreuung und Einflussnahme angeklagt.

Die bekannteste Korruptionsermittlung betrifft keinen geringeren als den PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea. Weil er von allen Änderungen, die von der PSD-dominierten Parlamentsmehrheit auf den Weg gebracht wurden, profitieren wird, halten Analysten ihn für die treibende Kraft hinter den Angriffen auf die Rechtsstaatlichkeit. Dragneas Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten nach den Wahlen von 2016 wurden durch die DNA zunichte gemacht, die ihn wegen Amtsmissbrauch und Fälschung in seiner Zeit als Kreistagspräsident des Landkreises Teleorman anklagte. Stattdessen wurde er Präsident der rumänischen Abgeordnetenkammer. Dragnea wird außerdem der Wahlfälschung beschuldigt und es wird gegen ihn wegen Beteiligung an einem betrügerischen Komplott ermittelt, bei dem Fördermittel der Europäischen Union im Wert von 20 Millionen Euro umgeleitet wurden.

Ein parteiübergreifendes Problem

Das derzeit hochrangigste Regierungsmitglied, gegen das die DNA wegen Fälschung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt, ist der ehemalige PSD-Parteivorsitzende und Ministerpräsident Victor Ponta, der auch durch eine Plagiatsaffäre im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit Bekanntheit erlangte. Sein Doktorvater war der ehemalige PSD-Ministerpräsident Adrian Nastase, der 2012 zu zwei Jahren Gefängnis wegen Korruption verurteilt wurde und vor dem Antritt seiner Strafe einen Suizidversuch unternahm. Im April 2019 klagte die DNA auch den früheren rumänischen Abgeordneten Petru Luhan an, der mit 37 falschen Quittungen versucht haben soll, Reisekostenerstattungen vom Europäischen Parlament zu erhalten. Luhan ist ehemaliges Mitglied der liberaldemokratischen Partei und ein Beweis dafür, dass die PSD in Rumänien kein Monopol auf Korruption hat.

Es ist kaum überraschend, dass die PSD angesichts so vieler Korruptionsermittlungsverfahren gegen ihr Führungspersonal die DNA-Chefin Kövesi zu ihrem Erzfeind erkor. 2018 veranlasste die PSD-dominierte Regierung Kövesis Entlassung, was zu Verunsicherung in der Antikorruptionsbehörde führte. Auch gegen ihre Ernennung als Leiterin der neu zu schaffenden Europäischen Staatsanwaltschaft geht die PSD mit allen Mitteln vor. Kövesi wurde kurzzeitig untersagt, das Land zu verlassen und sich in der Presse über das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren zu äußern.

Mit der bevorstehenden Volksabstimmung verbindet sich für Johannis die Hoffnung, ein politisches Mandat zu erhalten, um den Vorstoß der PSD, sich von Korruptionsvorwürfen reinzuwaschen, doch noch verhindern zu können. Doch das wird nur ein erster Schritt auf einer langen Reise sein: Rumänien wird erst dann den Kampf gegen die Korruption gewinnen können, wenn es die Rechtsvorschriften durchsetzt und entschlossen gegen die in der Kultur verankerte Korruption vorgeht.

Aus dem Englischen übersetzt von Karola Klatt.