Eine Lehrerin der Gesamtschule Rosenhöhe in Bielefeld und ein Teilnehmer des Programms Lehrkräfte Plus im Gespräch

Ein Plus für die berufliche Integration von Lehrkräften

Bis vor wenigen Jahren gab es für neu zugewanderte Lehrkräfte kaum Unterstützung auf dem Weg, auch in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten zu können. Als ein wichtiger Baustein, um diese Lücke zu schließen, hat sich "Lehrkräfte Plus" erwiesen. Der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht zeigt die Vorteile des Programms auf.

Ansprechpartnerin

Foto Angela Müncher
Angela Müncher
Senior Project Manager

Inhalt

Seit 2017 bieten die Universitäten in Bielefeld und in Bochum das von der Bertelsmann Stiftung und der Stiftung Mercator mitinitiierte Programm „Lehrkräfte Plus“ für zugewanderte Lehrerinnen und Lehrer an. Seit 2021 existiert es auch an den Universitäten Duisburg-Essen, Köln und Siegen. Forschende der Universität Potsdam bescheinigen dem Programm im Abschlussbericht nun eine hohe Wirksamkeit: Die Teilnehmenden konnten nicht nur ihr Sprachniveau signifikant erhöhen, sondern fühlten sich auch in ihren Unterrichtskompetenzen gestärkt. Dafür entscheidend waren die von den Universitäten angebotenen Vorbereitungskurse, die Praxisphase an Schulen sowie eine enge Begleitung durch Mentor:innen. 

In Deutschland haben rund 39 Prozent aller Schüler:innen einen Migrationshintergrund, bei den Lehrkräften hingegen sind es gerade einmal 13 Prozent. Personen mit Migrationshintergrund wählen seltener einen Lehramtsstudiengang als Personen ohne Migrationshintergrund. Zugleich gab es für neu zugewanderte Lehrkräfte bislang kaum Wege in den Lehrberuf.

Fünf Universitäten setzen das Programm um

Vor dem Hintergrund der Fluchtbewegungen von 2015 und 2016 entstanden bundesweit verschiedene Programme für Lehrkräfte mit Fluchtgeschichte. Eins von ihnen ist „Lehrkräfte Plus“, das als Kooperationsprojekt des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, der Landeskoordinierungsstelle Kommunaler Integrationszentren in NRW, der Bertelsmann Stiftung sowie der Stiftung Mercator 2017 an den Universitäten in Bielefeld und in Bochum gestartet ist. Seit 2020 fördert das NRW-Ministerium für Wissenschaft und Kultur das Programm über Bielefeld und Bochum hinaus an den Universitäten in Duisburg-Essen, Köln und Siegen.

Die Universität Potsdam hat das Programm an allen fünf Standorten von Februar 2021 bis Dezember 2022 wissenschaftlich begleitet. Die Forschenden wollten herausfinden, welche Kompetenzen die Teilnehmenden mitbringen, wie sich ihre Kompetenzen während des Programms weiterentwickeln und wie bedeutsam die einzelnen Programmelemente sind.

Hohe Zufriedenheit der Teilnehmenden

Ein zentraler Befund ist, dass die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden dauerhaft als Lehrkraft in Deutschland tätig sein möchte (92 Prozent). Fast neun von zehn Teilnehmenden schließen das Programm erfolgreich ab (86 Prozent) und noch mehr würden es weiterempfehlen (93 Prozent). In das Anschlussprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, "Internationale Lehrkräfte fördern" (ILF), wechseln 73 Prozent der Teilnehmenden. Ein vorbereitendes Programm wie "Lehrkräfte Plus" kann somit dazu beitragen, eine Gruppe von Lehrkräften für das deutsche Bildungssystem zu gewinnen, für die der Weg ins Schulwesen ohne entsprechende Unterstützung deutlich schwerer gewesen wäre. 

Es ist Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes, Anschlüsse wie ILF und darauffolgend eine sichere Perspektive zu ermöglichen, damit tatsächlich mehr Vielfalt in die Lehrer:innenzimmer kommt.

Angela Müncher, Expertin für schulische Bildung bei der Bertelsmann Stiftung

Als universitäres Programm unterscheidet „Lehrkräfte Plus“ sich von sogenannten "Anpassungslehrgängen", die die Bundesländer für ausländische Lehrkräfte anbieten. Denn es setzt deutlich früher an. Anders als bei den Anpassungslehrgängen der Länder, müssen die Teilnehmenden weder ein annähernd muttersprachliches Deutsch-Niveau (C2, zum Teil auch C1) noch vertiefte Kenntnisse zu Schule und Unterricht in Deutschland mitbringen. Das Programm "Lehrkräfte Plus" ist so konzipiert, dass beides innerhalb eines Jahres erlernt werden kann. Um das Zielniveau C1 zu erreichen, startet etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden auf dem Niveau B2, das selbstständige Sprachverwendung kennzeichnet. Ein Fünftel beginnt auf dem Niveau B1 und rund ein Viertel befindet sich bereits auf dem C1-Niveau der fachkundigen Sprachkenntnisse. Die Begleitforschung macht deutlich, dass das Programm erfolgreich ist: Das Sprachniveau lässt sich durch hochwertige Sprachkurse und eine sinnvolle Einbettung in den beruflich-fachlichen Kontext in kurzer Zeit erheblich steigern. Rund drei Viertel der Teilnehmenden erreichten am Ende des Programms das Zielniveau C1, vier Prozent bewegten sich zu dem Zeitpunkt gar auf muttersprachlichem Niveau (C2).

Lehrkräfte konnten ihre Kompetenzen stärken und ausbauen

Mit Blick auf die Kompetenzen zeigt die Begleitforschung, dass die Teilnehmenden im Verlauf des Programms eine deutlich gesteigerte Sicherheit in ihren beruflichen Aufgaben und in der Vorbereitung auf die Tätigkeit als Lehrkraft an einer Schule in Deutschland erreichten.Waren die Einschätzungen der Selbstwirksamkeit als Lehrkraft und die wahrgenommene Vorbereitung für die Lehrtätigkeit bereits zu Beginn tendenziell hoch ausgeprägt, so steigerten sich diese subjektiven Kompetenzeinschätzungen im Verlauf des einjährigen Programms signifikant. Die zugewanderten Lehrkräfte, die oft mit langjähriger Lehrerfahrung nach Deutschland kommen, konnten ihre Kompetenzen im Hinblick auf das deutsche Schulsystem somit stärken und ausbauen.

Dazu beigetragen haben die unterschiedlichen Programmbausteine. Als besonders hilfreich bewerteten die Teilnehmenden die schulischen Praxisphasen (95 Prozent) und die pädagogisch-interkulturelle Qualifizierung (94 Prozent), dicht gefolgt von den Beratungsangeboten (86 Prozent) sowie den fachlich-fachdidaktischen Seminaren (81 Prozent). Als förderlich nahmen die Teilnehmenden auch die Unterstützung durch Mentor:innen aufseiten der Schulen dann wahr, wenn sie sich mit diesen mindestens einmal pro Woche austauschten.

Zugewanderte Lehrkräfte sind wertvoll für das deutsche Schulsystem

Aus Sicht der Bertelsmann Stiftung können zugewanderte Lehrkräfte sehr wertvoll für das hiesige Schulsystem sein. Programme wie "Lehrkräfte Plus"‘ bieten wichtige Unterstützung für ihren Wiedereinstieg. "Von einer dauerhaften Beschäftigungsperspektive profitieren alle: Die Lehrkräfte selbst, die in ihrem erlernten Beruf auch in Deutschland arbeiten können. Die Schulen, die nicht nur qualifizierte Lehrkräfte, sondern mit ihnen auch neue Perspektiven für eine multikulturelle Schule gewinnen. Sowie das Schulsystem insgesamt, das durch zugewanderte Lehrer:innen den Lehrkräftemangel lindern zugewanderte  und die Vielfalt der Kinder und Jugendlichen in Schule auch in den Kollegien abbilden kann", bilanziert Angela Müncher.

Abschlussbericht