Die Bertelsmann Stiftung trug mit einer neuen Studie zur inhaltlichen Debatte auf der Konferenz „Subsidiarity as a building principle of the EU" bei. Die Studie beleuchtet aus ökonomischer Sicht die Rationale und die Potenziale des Subsidiaritätsprinzips in der EU – und macht Vorschläge für die Bewältigung künftiger Herausforderungen, gerade hinsichtlich der Vollendung des Binnenmarktes. Nach der Begrüßung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz legte Christian Kastrop die wesentlichen Erkenntnisse aus der Studie dar: Demnach zeige die regionalökonomische Bestandsaufnahme, dass Europas Regionen – auch innerhalb der Länder – sich keineswegs im Gleichschritt entwickelt hätten. Im Gegenteil: Die regionalen Disparitäten zwischen prosperierenden Zentren und der strukturschwachen Peripherie nehmen zu, die sogenannte Konvergenz sei nicht zu erkennen.
Subsidiarität in der EU: „Europa ist mehr als nur Brüssel“
Unter Anwesenheit des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und weiteren hochkarätigen Gästen stellte Christian Kastrop die neueste Studie des Projektes „Repair and Prepare“ in Bregenz vor. Dort lud die österreichische Regierung, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ein, um einen Kernbaustein der EU zu diskutieren: das Subsidiaritätsprinzip.
Diese Entwicklung sei insbesondere vor dem Hintergrund künftiger Herausforderungen ein Problem: Würden etwa Protektionismus im Handel oder die Disruption durch digitale Geschäftsmodelle weiter zunehmen, so könnten sich die Unterschiede im Lebensstandard zwischen den Regionen weiter verschärfen. Die Berücksichtigung ökonomischer Leitlinien bei der Anwendung der Prinzipien von Subsidiarität und Proportionalität könnten laut Kastrop hier Abhilfe schaffen: Regional getroffene Entscheidungen könnten ein Treiber der regionalen Wirtschaftskraft sein, da sie die lokalen Eigenheiten, je nach Politikfeld, besser berücksichtigen können. Entscheidend sei bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips vor allem die systematische Abschätzung, inwieweit eine angedachte Maßnahme einen länderübergreifenden Mehrwert liefern kann (im Fachjargon: „positive Externalitäten“). Diese Perspektive fehle ein Stückweit in der aktuellen Debatte um die Prinzipien der Subsidiarität und Proportionalität.
In der darauffolgenden Paneldiskussion, an der Christian Buchmann (Vorsitzender EU-Ausschuss des Österreichischen Bundesrates), Christian Callies (Professor für Europarecht), Benno Elbs (Bischof von Feldkirch) und Kathy Riklin (Schweizer Nationalrätin) teilnahmen, bekräftigte Kastrop, dass das von der „Timmermans-Task Force“ erarbeitete Prüfraster („Assessment Grid“) der Subsidiarität durch eine ökonomische Dimension ergänzt werden könnte. Diese Sicht stieß bei den Panelteilnehmern, aber auch im Publikum, auf Zustimmung. Auch andere Erkenntnisse aus der politischen und gesellschaftlichen Arbeit wurden betont: so wies die Schweizer Nationalrätin Kathy Riklin darauf hin, dass die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips auch die Bürgernähe stärken könne und daher ein wichtiger Baustein der Legitimation in der EU sei. Bischof Benno Elbs ergänzte, dass Subsidiarität auch auf einem gegenseitigen Vertrauen fuße und dieses für das Funktionieren der EU daher von großer Bedeutung sei.
Nach dem Panel standen Christian Kastrop und Dominic Ponattu zur Studie der Bertelsmann Stiftung Rede und Antwort. Im Anschluss ging es mit weiteren hochkarätigen Vorträgen und Paneldiskussionen weiter: Viviane Reding, die frühere Vizepräsidentin der EU Kommission, erklärte, dass auch die EU Kommission die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für die Legitimation der EU auf Bürgerseite anerkenne und stetig an entsprechenden Anpassungen, etwa bei der Regulierungsdichte, arbeite. Gleichzeitig betonte sie, dass auch die Nationalstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien Spielraum bei der bürgernahen Gestaltung hätten. Am zweiten Konferenztag begrüßte der österreichische Kanzleramtsminister für EU, Kultur und Medien, Gernot Blümel, die Gäste. Der Konferenztag stand dabei ganz im Zeichen der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips im politischen Kontext: Dazu war mit Frans Timmermans, Vorsitzender der Task Force zur Subsidiarität (und Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten) ein weiterer hochkarätiger Gast anwesend. Timmermans berichtete dabei von den Arbeiten seiner Task Force und betonte, wie wichtig die Umsetzung der Ergebnisse, gerade auch für die Regionalentwicklung in Europa, sei. Die Veranstaltung schloss mit einer gemeinsamen Erklärung ab. Darin wurde festgehalten, dass künftig das Prüfraster der Task Force konsequent genutzt werden soll, um eine bessere Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu ermöglichen.