Illustration: Kinder und Lehrer im Klassenraum
Bertelsmann Stiftung / Simone Ott

Heinz Böer und Beatrix Toups: Modul 4. Didaktik: Lernen und Lehren – Potenziale fördern und kompetenzorientiert unterrichten (Teil 2)

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In Modul 4 wird das Thema fortgeführt und vertieft, das bereits in Modul 3 von zentraler Bedeutung ist: Wie können Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, ihre Potenziale bestmöglich zur Entfaltung zu bringen, und dabei vor allem die Selbststeuerung des Lernens fördern? Damit individuelles Lernen erfolgreich ist, bedarf es eines differenzierten Umgangs mit Lernprozessen und -ergebnissen, einer differenzierten Beurteilung der Lernergebnisse und einer intensiven Kooperation der Lernenden.

Entsprechend untergliedert sich das Modul in folgende Bausteine:

  • Baustein 1: Lerndokumentation (1 Halbtag)
  • Baustein 2: Leistungsbeurteilung (1 Halbtag)
  • Baustein 3: Kooperatives Lernen (1 Ganztag oder 2 Halbtage)
Grafik aus dem Projekt "Vielfalt fördern", verwendet in der Broschüre "Leitfaden zu den Inhalten der Fortbildungsmodule". Die Illustrationen können ausschließlich für "Vielfalt fördern" im Projektkontekt genutzt werden.

Im Mittelpunkt des ersten Bausteins stehen Verfahren der Lerndokumentation. Dazu werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fortbildung drei Formen der Dokumentation angeboten: Lerntagebuch, Portfolio und geordnete Mappe. Für jede Variante werden Beispiele (aus unterschiedlichen Fächern) vorgestellt und anhand von Übersichten die Besonderheiten der einzelnen Dokumentationstypen erörtert. Dazu gibt es Checklisten, die den Einsatz im Unterricht vereinfachen und zugleich standardisieren. Entsprechend dem Qualitätszirkel, den die Teams in den vorausgehenden Modulen bereits angewendet haben, geht es auch in diesem Baustein darum, zunächst im Team eine Ist-Stand-Analyse vorzunehmen; diese bezieht sich hier darauf, welche Formen der Lerndokumentation die Lehrkräfte bereits einsetzen und zu welchem Zweck sie dies tun. Anschließend wird der Einsatz von Lerndokumentation (neu) geplant, die Teams treffen dazu konkrete Vereinbarungen und legen fest, wie die Effekte evaluiert werden sollen.

Der Präsentation der einzelnen Lerndokumentationstypen und dem Arbeiten damit geht ein knapper Input dazu voraus, welche Rolle Lerndokumentation im individualisierenden Unterricht spielt und welche Bedeutung sie für die Schülerinnen und Schüler auf der einen und für die Lehrkräfte auf der anderen Seite hat. Schülerinnen und Schüler nähern sich einem Thema auf unterschiedliche Weise und haben unterschiedliche Interessen und  Vorstellungen davon, was sie in Bezug auf dieses Thema erreichen wollen. Sie lernen also nicht in gleichen Schritten. Durch eine systematische Dokumentation gewinnen sie einen Überblick über ihre ganz persönliche Lernentwicklung und ihren Wissensstand; zudem können sie damit ihren Lernprozess selbstständig planen und strukturieren. Diese bewusste Reflexion fördert die Fähigkeit zur Selbstanalyse, die eine wesentliche Voraussetzung für eigenständiges Lernen ist.

Die Lehrkraft kann über die Dokumentation, deren Gestaltung sie initiiert und anleitet, Einblick in den jeweiligen Lernprozess und Lernstand ihrer Schülerinnen und Schüler nehmen, sie kann diese beraten oder unterstützen und ihnen Tipps geben, wie sie z. B. untereinander eigene Helfersysteme etablieren und nutzen können.

Je vielfältiger und individueller die Produkte sind, die die Schülerinnen und Schüler erarbeiten und in den Unterricht einbringen, umso mehr wird eine differenzierte Leistungsrückmeldung notwendig – nicht zuletzt um selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen und ggf. zu forcieren. Im Mittelpunkt des zweiten Bausteins steht deshalb die Leistungsbeurteilung.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung nähern sich diesem Schwerpunktthema des Bausteins an, indem sie sich bewusst machen, dass sich ihre Leistungsbeurteilungen in der Regel im summativen Bereich bewegen, wo am Ende einer Unterrichtseinheit Benotungen von Tests und Klassenarbeiten stehen. Dem steht gegenüber, dass im Verlauf der Unterrichtseinheit eher einzelne Phasen des Lernprozesses in den Blick genommen werden müssen, die gezielte Fördermaßnahmen und passgenaues Feedback erfordern, um den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden zu können (formative Leistungsbeurteilung). Dabei gilt es, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler sehr weit zu fassen: Fachlich-inhaltliche und methodisch- strategische Fähigkeiten sind hier ebenso zu berücksichtigen wie sozial-kommunikative und andere persönliche Kompetenzen.

Im Rahmen der Fortbildung werden anhand von Beispielen Prozess-, Produkt- und Präsentationsbeurteilung in den Blick genommen. Dafür werden unterschiedliche Beobachtungs- und Beurteilungsbögen zur Verfügung gestellt, die auf verschiedene beobachtende und beurteilende Akteure zugeschnitten sind: Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler als Selbstbeobachter sowie Schülerinnen und Schüler als Fremdbeobachter. Die Bögen können entweder direkt eingesetzt oder im Klassen- bzw. Fachteam den eigenen Erfordernissen entsprechend angepasst werden.

Im Sinne einer Standardisierung wird angeregt, dass sich die Kolleginnen und Kollegen in ihren Teams darüber verständigen, welche Anforderungen sie an alternative Schülerleistungen, wie z. B. Projektarbeit, Referate oder Präsentationen, stellen, und dazu Vereinbarungen treffen.

Dem Qualitätszirkel folgend steht auch hier am Anfang eine Ist-Stand-Analyse. Ziel der weiteren Schritte ist, zu neuen Formen der Leistungsbewertung im individualisierten Unterricht zu kommen. Dabei wird u. a. die kollegiale Unterrichtshospitation wieder aufgenommen, bei der diesmal die Leistungsrückmeldung im Unterricht im Fokus steht.

Um den Blick zu erweitern und zu zeigen, dass es nicht sinnvoll ist, das Rad immer wieder neu zu erfinden, wird den Teams zudem ein Pool von Best-Practice-Beispielen für Leistungsbewertung zur Verfügung gestellt, mit denen sie über den Halbtag hinaus weiterarbeiten können.

Baustein 3 greift abschließend Elemente auf, die den Teams im Verlauf der gesamten Fortbildung erfolgreiches und produktives Arbeiten ermöglicht haben. Der Erfolg der Maßnahme beruht maßgeblich auf ihrer Kooperation.

Dies lässt sich auf die Schüler und auf die Ebene des Unterrichts übertragen: Das Lernen der Einzelnen erfordert ebenfalls eine Kooperation aller Lernenden. Im Austausch mit anderen können Schülerinnen und Schüler ihr Wissen weitergeben, überprüfen, nachjustieren, erweitern – sie lernen durch Lehren. So können Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlicher Begabung voneinander profitieren; der individuellen Konstruktion des Wissens wird damit die Co-Konstruktion an die Seite gestellt. Die Erkenntnisse der empirischen Unterrichtsforschung und ihre theoretische Fundierung werden in diesem Baustein ebenso beleuchtet wie der Gesamtprozess einer kooperativen Lerneinheit, der sich von der Teambildung über den Dreischritt (Denken – Austauschen – Vorstellen) bis zur Lernerfolgskontrolle auch über mehrere Unterrichtsstunden erstrecken kann.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen in diesem Baustein den kooperativen Dreischritt Denken – Austauschen – Vorstellen sowie die Basiselemente des kooperativen Lernens kennen. Kooperative Methoden, wie z. B. Placemat, Lerntempoduett, Teamturnier, begleiten den Prozess. Die Schwerpunkte werden danach gesetzt, welche Vorbildung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Bezug auf kooperatives Lernen haben; entsprechend kurz oder ausführlich werden die methodischen Zugangsweisen behandelt.

Die Teams sollen auch in diesem Baustein zu konkreten Verabredungen darüber gelangen, wie sie kooperatives Lernen im Unterricht implementieren wollen. Grundlegend ist hier wiederum der Qualitätszirkel.

Die Fortbildung schließt mit dem Thema kooperatives Lernen, weil darin vieles wieder aufgegriffen wird, was in den vorherigen Modulen und Bausteinen behandelt wurde, unter anderem Elemente der Selbststeuerung der Schülerinnen und Schüler, Formen der Zusammenarbeit und Lerndokumentation. Somit dient dieser Baustein nicht zuletzt zur Reflexion und Vertiefung des zuvor Gelernten und erlaubt durch den neuen Fokus zugleich ein weitergehendes Lernen.