Illustration: ein Schüler und eine Schülerin basteln und schreiben gemeinsam an einem Tisch
Bertelsmann Stiftung / Simone Ott

Heinz-Jürgen Grothaus: Modul 3. Didaktik: Lernen und Lehren – Potenziale fördern und kompetenzorientiert unterrichten (Teil 1)

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Im Zentrum der Didaktik-Module steht die Frage, wie Unterricht so gestaltet werden kann, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Potenziale entfalten können. Auch hier wird wieder in Teams gearbeitet, und zwar sowohl in fachübergreifenden Klassenteams als auch in Fachteams. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem Diagnostik-Modul werden Ansätze entwickelt, wie Unterricht in heterogenen Gruppen so gestaltet werden kann, dass er alle Schüler aktiviert.

Das Modul untergliedert sich in folgende Bausteine:

  • Baustein 1: Grundlagen des Umgangs mit Heterogenität, Grundformen des Unterrichts, veränderte Lehrerinnen- und Lehrerrolle (1 Halbtag)
  • Baustein 2: Selbstgesteuertes Lernen: Schülerinnen und Schüler werden Experten für das eigene Lernen (1 Ganztag oder 2 Halbtage)
  • Baustein 3: Lerncoaching (1 Halbtag)
  • Baustein 4: Differenzierende Aufgaben (1 Halbtag)

Im ersten Baustein werden die Grundvoraussetzungen für einen Unterricht geklärt, in dem eine Lehrperson es schaffen kann, der Vielfalt der Schülerinnen und Schüler einer Klasse gerecht zu werden. Dazu gehört das konstruktivistische Lernparadigma: Lernen wird grundsätzlich verstanden als ein aktiver, konstruktiver Prozess. Damit Lernende diesen Prozess aktiv gestalten können, müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein. Ein solcher Unterricht ist kognitiv aktivierend, was bedeutet, dass er anspruchsvoll und für die Lernenden anregend gestaltet wird. Er ist klar strukturiert und schafft ein lernförderliches Unterrichtsklima. Und er hat, wie Hatties Metastudie zeigt, dann die größten Effekte, "wenn Lehrpersonen in Bezug auf das Lehren selbst zu Lernenden werden und wenn Lernende zu ihren eigenen Lehrpersonen werden. Wenn Lernende ihre eigenen Lehrpersonen werden, dann zeigen sich bei ihnen diejenigen selbstregulierenden Merkmale, die bei Lernenden besonders erwünscht sind (Selbstbeobachtung, Selbstbewertung, Selbsteinschätzung, Selbstunterrichtung)" (Hattie, J. (2013): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“ besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.).

Für einen Unterricht, der all diese Kriterien erfüllt, gibt es nicht eine, sondern viele mögliche Organisationsformen – sowohl aus dem Bereich der geschlossenen als auch aus dem der offenen Differenzierung. In den Modulen 3 und 4 liegt der Schwerpunkt auf Formen der offenen, schülergesteuerten Differenzierung. Grundlegend für diese Art der Differenzierung ist die Selbststeuerungskompetenz der Lernenden; darum steht sie im Mittelpunkt des zweiten Bausteins.

Im zweiten Baustein wird die Selbststeuerung von Schülerinnen und Schülern in vier Teilaspekten beleuchtet: Lernen planen, Lernen realisieren, Lernen reflektieren und Ziele setzen. Es wird erörtert, welche Lernkompetenzen die Schülerinnen und Schüler benötigen, um zu selbstgesteuerten Lernern zu werden, und was die Lehrerinnen und Lehrer ihrerseits tun können, um den Erwerb dieser Kompetenzen zu ermöglichen und zu befördern. Im Team entwickeln die Kolleginnen und Kollegen anschließend gemeinsam Umsetzungsstrategien.

Für jeden der vier Teilaspekte von Selbststeuerung werden den Teams bestimmte Instrumente angeboten. Das sind beispielsweise für den Aspekt "Lernen planen" Wochenplan und Lernlandkarten, für "Lernen realisieren" Trainingsspiralen zu Lern- und Arbeitstechniken, für "Lernen reflektieren" Selbsteinschätzungsbögen, Kompetenzraster zur Fremd- und Selbsteinschätzung sowie für "Ziele setzen" das Formulieren klarer und erreichbarer Ziele über "SMARTies". Dabei entscheiden die teilnehmenden Teams immer selbst, an welchen Stellen sie in die Tiefe gehen möchten und wo sie das nicht für erforderlich halten. Ihr jeweiliger Bedarf kann problemlos berücksichtigt werden.

Im dritten Baustein wird das Lerncoaching eingeführt. Als eine effektive Möglichkeit zur systematischen Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens ist es ein zentrales Element der neuen Lernkultur, das individuelle Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler begleiten soll. In diesem Baustein werden viele der Prinzipien und Maßnahmen genutzt, die in den vorherigen Modulen und Bausteinen eingeführt und umgesetzt wurden, z. B. die Gestaltung von Kontrakten in Modul 1, die Diagnosekompetenz aus Modul 2 und die Prinzipien des selbstgesteuerten Lernens, die in den ersten beiden Bausteinen dieses Moduls fokussiert wurden.

Das Lerncoaching beruht auf der Kooperation zwischen Schüler/Schülerin und Lehrkraft. Es beinhaltet drei Elemente: 1. Die Lernenden entwickeln eigene Ziele; 2. die Lernenden sind an der Lernplanung beteiligt; 3. die Lernergebnisse werden gemeinsam reflektiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fortbildung lernen, wie sie die einzelnen Schritte des Lerncoachings als Bestandteil ihres Schulalltags umsetzen können. Klassenlehrerteams fungieren als Mentoren für die Schülerinnen und Schüler der Klasse. Sie sind aber nicht nur Ansprechpartner für die betreffenden Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Fachkolleginnen und Fachkollegen des Klassenteams. In regelmäßigen Beratungsgesprächen mit Schülerinnen und Schülern werden Lernvereinbarungen getroffen, wobei die Schüler die Ziele ausgehend von ihren Stärken, Interessen und Lernbedürfnissen selbst bestimmen.

Als Instrument für das Lerncoaching wird ein Lernlogbuch als Begleiter eingeführt, das mannigfaltige Funktionen hat: Darin werden Lernergebnisse und Kompetenzen festgehalten, der Kompetenzerwerb fachlich und fachübergreifend koordiniert und anhand der Einträge Lernverlauf und Lernstand überprüft. Somit dient es als Grundlage für die individuelle Lernberatung, aber beispielsweise auch für Gespräche mit den Eltern. In der Fortbildung lernen die Kolleginnen und Kollegen verschiedene Formen von Lernlogbüchern kennen und entwickeln selbst ein ihren Bedarfen angepasstes Logbuch.

Im Zentrum des vierten Bausteins stehen differenzierende Aufgabenformate. Deren Bedeutung ist evident: Sie bieten die Möglichkeit, den unterschiedlichen Lernständen und Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern auf anspruchsvolle Weise gerecht zu werden. Sie ermöglichen eine kognitive Aktivierung aller Schülerinnen und Schüler im Fachunterricht und erweitern die jeweiligen Kompetenzen der Lernenden in individuellen, motivierenden Lernsettings. 

Dazu werden nicht nur verschiedene Typen solcher Aufgaben eingeführt, die Lehrerinnen und Lehrer lernen auch, entsprechende Aufgaben selbst zu konstruieren. Hier hat sich ein starker Fachbezug als hilfreich erwiesen, da die Prinzipien für die Konstruktion geeigneter Aufgaben von Fach zu Fach unterschiedlich sind. Deshalb arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier in Fachteams. Ausgehend von einer Grundaufgabe entwickeln sie Zusatzaufgaben, gestufte Aufgaben und Blütenaufgaben, erarbeiten aber auch parallele und selbstdifferenzierende Aufgaben. Leitend ist dabei immer die Frage, nach welchen fachübergreifenden (z. B. Lerntempo, Leistungsvermögen) und  fachspezifischen (z. B. Abstraktionsvermögen, aktueller Lernstand, Interesse) Lernvoraussetzungen differenziert werden soll und wie Aufgabensets konstruiert werden können, sodass jede Schülerin und jeder Schüler eine zu seinen bzw. ihren Voraussetzungen und Lernbedürfnissen passende Aufgabe erhält. Darauf aufbauend werden im zweiten Didaktik-Modul Möglichkeiten der Lerndokumentation und Leistungsbeurteilung eingeführt.