Durch die digitale Konferenz "Rethinking Democracy" (Demokratie neu denken) vom 27.-29. Oktober 2021wurde deutlich: die Demokratie muss gestärkt werden. Die Hybrid-Tagung brachte eine große Anzahl ehemaliger Präsidenten und Premierminister aus demokratischen Ländern mit Entscheidungsträgern, Vertretern internationaler Organisationen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zusammen. Die internationalen Teilnehmer:innen sahen ähnliche Herausforderungen, an denen Demokratien arbeiten müssen. Die Probleme reichen vom Rückgang von demokratischen Freiheiten, der Gefahr durch autoritäre Regime und Populismus über Polarisierung bis hin zu der Rolle der Bürger:innen und der Jugend.
So betonte Danilo Türk, ehemaliger Staatspräsident von Slowenien, in seiner Eingangsrede, dass „die Notwendigkeit einer Politik besteht, die den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird.“ Dabei sollten auch Risiken der digitalen Transformation hinsichtlich der Grundrechte berücksichtigt werden. Vor allem die Einkommensverteilung sei noch stärker in den Fokus gerückt: „Wichtiger denn je, ist ein Wandel in der Wohlstandsverteilung. Die Probleme des Einkommensgefälle haben sich in den letzten Jahren verschärft und wurden während der Pandemie deutlicher.“ Trotzdem solle das das gesammelte Wissen und Potential nicht unterschätzt werden. Die Welt habe sich entwickelt.
Liz Mohn,stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, wies darauf hin, dass angesichts der Bedrohung liberaler Demokratien durch diverse Herausforderungen und den wachsenden Druck von außen, eine Erneuerung der demokratischen Systeme erforderlich sei, „um unsere Demokratie für die Zukunft fortschreiben zu können.“ Dafür würden demokratische Politiker mit Führungsfähigkeiten, Identifikationsfiguren und Vorbilder benötigt. „Wir brauchen neue Formen der internationalen Verständigung, […] demokratische Institutionen, die widerstandsfähig gegen Angriffe von außen und innen sind und wir sind alle aufgefordert, unseren Beitrag für konstruktive Lösungen für die Zukunft zu leisten. […] Dazu sind Visionen und eine gemeinsame Verantwortung von einer Zukunft unserer Welt notwendig, in der Menschen friedlich zusammenleben.“
Der ehemalige Premierminister von Großbritannien, Gordon Brown, hob die Relevanz der Zusammenarbeit hervor: „Es handelt sich dabei um globale Probleme, die globale Lösungen benötigen. […] Praktische Zusammenarbeit ist wichtig.“ Dabei sollte auch das Vertrauen der Bürger:innen gestärkt werden: „Den Menschen muss Hoffnung und eine Vision für die Zukunft gegeben werden. Sie müssen erkennen, dass es sich lohnt, zu kämpfen.“ Das hätte nicht zuletzt Corona gezeigt: „Um die Pandemie zu bekämpfen, müssen wir eine Brücke zwischen Arm und Reich schaffen.“ Das setzt auch die gerechte Verteilung voraus. Einen Aspekt, den die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, Helen Clark, betonte: „Die Pandemie hat uns gezeigt, dass auch die fortschrittlichsten Gesellschaften beim Schutz der am stärksten Ausgegrenzten scheitern können. Die allgemeine Gesundheitsversorgung muss alle Menschen abdecken und auch Menschen am Rande der Gesellschaft erreichen.“
Ernesto Zedillo, ehemaliger Staatspräsident von Mexiko, machte deutlich, welche Gefahr von autoritären Regimen ausgeht: „Es hat Jahre gedauert, autokratische Regierungen in Lateinamerika abzuschaffen und jetzt sehen wir rückläufige Entwicklungen. […] Führende Personen ehemaliger autokratischer Regierungen nutzen demokratische Bewegungen, um ihre politischen Ziele voranzutreiben. Sobald die Menschen ihnen glauben, sind sie in der Lage, die Demokratie zu schwächen und sogar zu zerstören.“
Auch Laura Chinchilla, ehemalige Staatspräsidentin von Costa Rica, verwies auf den fragilen Zustand der Demokratie und nannte dabei drei entscheidende Faktoren: „Erstens müssen die Bedürfnisse und Erwartungen der Bürger:innen mehr angesprochen werden. Zweitens werden öffentliche Debatten durch neue Technologien und soziale Medien geteilt, wodurch die Gefahr der Manipulation und Fake-News entsteht. Als letztes ist in diesem Kontext der wachsende Populismus und die Entwicklung von autokratischen Führern und deren Handlungen zu nennen, die die Demokratie untergraben.“
Außerdem wird die Demokratie nicht überall ausreichend repräsentiert, wie Mehdi Jomaa, ehemaliger Premierminister von Tunesien, unterstrich: „In Tunesien bewegen wir uns in eine neue Phase hin zum Populismus, da die Politik die Demokratie nicht angemessen verkörpern konnte. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. […] Heute haben wir ein Problem mit der Führung. Wir müssen die Verfassung überarbeiten und darüber nachdenken, wie wir den Menschen wirklich eine Demokratie vermitteln und unsere Institutionen stärken können, um den Menschen einige Beweise für diese Demokratie in ihrem täglichen Leben zu geben.“
Aleksander Kwaśniewski, ehemaliger Staatspräsident von Polen, betonte: „Wir müssen an unsere Werte glauben, wir müssen für unsere demokratischen Werte kämpfen, und wir müssen besser mit unseren Bürger:innen kommunizieren, denn das ist unsere einzige Chance, zivile Gesellschaften in allen anderen Ländern zu schaffen und zu stärken und nach all den Erfahrungen mit Populisten weiser zu sein als zuvor.“
Auch Aminata Touré, ehemalige Premierministerin vom Senegal, bezog sich auf die vorherrschende Polarisierung zwischen den Demokratien: „Wenn wir über Demokratie sprechen, müssen wir sie mit der Verwirklichung von Rechten verknüpfen: gleicher Zugang zu den Grundrechten auf Bildung, Arbeit, Gesundheit, Wohnung, faire Wahlen und freie Presse. Andernfalls wird die Demokratie keinen Bestand haben. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir das Leben der Menschen verbessern müssen, ohne die Freiheit der anderen zu stärken.“
In Bezug auf den Status der Demokratie sagte Alexander Stubb, ehemaliger Premierminister von Finnland: „Demokratie wurde in einer anderen Welt geschaffen als in der, in der wir gerade leben. Daher können wir die ‚ehemalige’ Demokratie nicht auf die ‚aktuelle’ Demokratie anwenden.“ Ein wesentlicher Unterschied liege an den sozialen Medien und der digitalen Transformation unserer Zeit: „Wir müssen ein Gleichgewicht hinsichtlich des richtigen Umgangs mit Technologie finden und dürfen die Zukunft nicht unterschätzen.“