Panel Discussion: First 100 Days of the new Indian Government - Review and Outlook.
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, Asia Briefing 18. September 2014: 100 Tage Modi – eine Zwischenbilanz

Indiens neuer Premierminister Narendra Modi ist mit dem Versprechen der nationalen Erneuerung angetreten. Seine ersten 100 Tage im Amt waren von frischem Elan gekennzeichnet, doch ob er die hohen Erwartungen seiner Anhänger erfüllen und Indien grundlegend reformieren kann, bleibt offen. Zu diesem Fazit kam eine Diskussion von internationalen Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Berlin.

Der deutliche Sieg der Bharatiya Janata Party (BJP) bei den Parlamentswahlen in Indien war für viele eine Überraschung. Die meisten Meinungsumfragen hatten zwar einen Triumpf der BJP und der von ihr angeführten National Democratic Alliance (NDA) vorausgesagt, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Vereidigung Narendra Modis als 15. Premierminister Indiens am 16. Mai gilt vielen Beobachtern deshalb als eine Zäsur: Zum ersten Mal seit 30 Jahren hält eine Partei allein die absolute Mehrheit der Parlamentssitze und kann somit allein die Regierung bilden.

Nach den ersten 100 Tagen der neuen Regierung fällt die Zwischenbilanz indischer und ausländischer Beobachter verhalten positiv aus. Dies war zumindest der Tenor der Podiumsdiskussion im Rahmen der Dialogreihe „Asia Briefings“, welche die Bertelsmann Stiftung in der vergangenen Woche in der „Kalkscheune“ in Berlin durchführte. Narendra Modi hat einen besseren Start hingelegt, als viele seiner Kritiker vorausgesagt hatten. Thomas Matussek, ehemaliger deutscher Botschafter in Indien und gegenwärtig Geschäftsführer der Alfred Herrhausen Gesellschaft, erklärte, die neue Regierung habe bislang so gut wie alles richtig gemacht. Modis größtes Problem seien jedoch die außerordentlich hohen Erwartungen seiner Anhänger, die nur schwerlich alle erfüllt werden könnten.

Umfassendere Maßnahmen als bisher sind nötig.
Milan Vaishnav

Vor allem auf dem Feld der Außenpolitik hat Modi mit einer aktiven Reisediplomatie bislang neue Akzente setzen können, wie Ummu Salma Bava, Professorin für European Studies am Centre for European Studies an der Jawaharlal Nehru University in Neu Delhi darlegte. Dabei habe er deutlich gemacht, dass Indien gewillt sei, seinen Einfluss in der Region und in Asien insgesamt auszuweiten.

Im Bereich der Wirtschaftspolitik hat Modi nach Meinung von Milan Vaishnav, Associate im South Asia Program des Carnegie Endowment for International Peace, bislang einige wichtige, aber eher symbolische Schritte in die richtige Richtung unternommen. Die großen strukturellen Herausforderungen der indischen Wirtschaft, etwa die Reform der Subventionspolitik und der staatlichen Unternehmen, habe er bislang jedoch noch nicht angegangen. Dies sei aber unerlässlich, wenn er sein zentrales Wahlversprechen, die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums, erreichen wolle. Hierzu seien weitere und vor allem umfassendere Maßnahmen erforderlich, als bislang angekündigt wurden.

Kamini Issar Ernst, Senior Director (Germany) der Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI) stimmte dem im Prinzip zu, betonte jedoch, dass diese Reformen Zeit benötigten. In der indischen Wirtschaft sei ein Stimmungswandel zu verzeichnen. Viele Unternehmen blickten nach Jahren der Stagnation wieder mit Optimismus in die Zukunft.

In der von der TV-Journalistin und Indienexpertin Amrita Cheema moderierten Diskussion bestand zudem Einigkeit darüber, dass 100 Tage nicht ausreichen, um den Politikwechsel in Indien abschließend zu beurteilen - insbesondere angesichts der gewaltigen Herausforderungen, mit denen das Land konfrontiert ist. Zu diesen gehören auch die ethnisch-religiösen Konflikte, vor allem zwischen Hindus und Muslimen. Weil Modi einst als Regierungschef des Bundesstaats Gujarat Pogrome geduldet hat, bei denen über 2.000 Muslime ermordet wurden, gilt er seinen Kritikern als ein Politiker, der ethnisch-religiöse Ressentiments politisch instrumentalisiert. Bislang war er als Premierminister bemüht, sich als Wirtschaftsreformer zu präsentieren. Sein wahres Gesicht werde er aber womöglich erst dann zeigen, wenn es erneut zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen komme, meinte Thomas Matussek. Wie er sich dann verhalten werde, sei eine offene Frage.

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