Zahlreiche Krisen und der schnelle technologische Wandel setzen Unternehmen unter Transformationsdruck. Aber wer den Change-Prozess entschlossen angeht, innovativ Veränderungen anstößt und die Mitarbeitenden einbezieht, ist am erfolgreichsten darin, sich zukunftsfähig aufzustellen. Das ist das Ergebnis einer qualitativen Befragung von 13 Unternehmen aus unterschiedlichen Regionen und Branchen in Deutschland.

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So wappnen sich Unternehmen für die Zukunft
Fachkräftemangel, Digitalisierung, steigende Kosten, Nachhaltigkeit und eine Veränderung der Arbeitskultur sind die wesentlichen Treiber der Transformation. So unterschiedlich Unternehmen sind, so verschieden sind auch die Lösungsansätze der Betriebe. Über alle Branchengrenzen hinweg gibt es aber auch gemeinsame Wege. Das zeigt die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung.
Inhalt
Fünf Transformationstreiber – fünf Lösungen
Es sind vor allem fünf Herausforderungen, denen die Unternehmen sich stellen müssen. Die Herangehensweise ist unterschiedlich, aber mehrere Unternehmen haben ähnliche Gelingensbedingungen identifiziert.
Der Fachkräfte- und Bewerbermangel trifft insbesondere Betriebe aus dem Niedriglohnsektor. Immer schwieriger wird es aber auch in anderen Branchen, Personal in ausreichender Zahl zu finden. Schlimmer noch: Wenn sich Bewerber:innen vorstellen, fehlt es häufig an der passenden Qualifikation. Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Beschäftigten Teilhabe ermöglicht. Das Hotel "Paulinenhof" in Bad Belzig ist das Risiko eingegangen, die Preise im Zuge einer Qualitätssteigerung durch Renovierung und mehr Serviceangebote deutlich anzuheben. Tatsächlich stiegen Nachfrage und Umsatz, sodass die Gehälter um bis zu 30 Prozent erhöht werden konnten. Das Sanitär- und Heizungsunternehmen "Henrich Schröder" punktet mit Coachings zur Persönlichkeitsentwicklung, einem Modell zur Unternehmensbeteiligung mit regelmäßigen Ausschüttungen und einer privaten Krankenzusatzversicherung. Von 65 Mitarbeitenden sind zudem 22 Azubis. "Den Personalbereich und die -akquise kann man nicht mehr so nebenbei machen. Da muss Struktur rein", sagt Lisa Schröder, zuständig für Personalentwicklung und Recruiting im Familienunternehmen. "Wir bekommen kaum noch Bewerbungen von fertigen Gesellen, geschweige denn Meistern. Und deswegen haben wir schon vor vielen Jahren gesagt, wir setzen auf Ausbildung."
Zudem verändert die Digitalisierung in den Unternehmen zahlreiche Geschäftsprozesse von Grund auf. Mit dem zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz kommen weitere Herausforderungen auf die Unternehmen zu. Hier gilt es, die Hard- und Software auf aktuellem Stand zu halten und Mitarbeitende mit regelmäßigen Weiterbildungen fit für die digitale Arbeitswelt zu machen. Als erfolgreich erweist sich zudem, Kompetenzteams aus digital-affinen Kolleg:innen zu bilden, die nebenbei auch eine kommunikative Brücke zwischen dem Management und der Belegschaft schlagen. "Mitarbeitende müssen Raum haben, Neues auszuprobieren und auch mal Fehler machen zu dürfen", sagt Larissa Klemme, Future-Skills-Expertin der Bertelsmann Stiftung.
Deutschland steckt seit zwei Jahren in der Rezession. Die Energiekosten sind hoch, die Beschaffungs- und Herstellungskosten wachsen, Gewinnmargen geraten in Gefahr. Ein möglicher Stellhebel ist ein stärkeres Engagement für die Kreislaufwirtschaft, gepaart mit dem Versuch, sich von Lieferketten unabhängiger zu machen. Eine Kostenreduzierung kann durch mehr Effizienz und Nachhaltigkeit gelingen. Der Paulinenhof hatte bereits vor der Energiekosten-Explosion durch den russischen Angriffskrieg einen KI-gesteuerten Energie-Mix aus Photovoltaik, Blockkraftwerk und Erdwärme. "Uns hat das Thema Energiekosten aufgrund unseres guten Energiesystems nicht so stark getroffen wie viele andere", berichtet Christian Rex, Geschäftsführer seit der Gründung des Hotels im Jahr 2015.
Das Thema Nachhaltigkeit wird nicht nur durch den Gesetzgeber getrieben. Unternehmen haben auch den Eindruck, dass Bewerber:innen vermehrt darauf achten, ob Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert im Unternehmen hat. Die Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit reichen von der Nutzung von Abwärme zum Heizen der Büros bis hin zum Einsatz hochwertiger Maschinen mit längerer Lebensdauer. Manchmal sind es aber auch die kleinen Signale: Ein Textilreinigungsunternehmen nutzt beispielsweise E-Lastenfahrräder, um seine Ware auszuliefern. Unternehmen sprechen von einer Win-win-Situation, denn mehr Nachhaltigkeit bedeutet häufig auch geringere Energie- und Beschaffungskosten.
Mit der Digitalisierung, dem aktuellen Arbeitnehmermarkt und Generationenwechsel in Unternehmen geht häufig auch ein arbeitskultureller Wandel einher. Vielen - gerade jungen - Beschäftigten sind flexible Arbeitsmodelle, eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre und Möglichkeiten der Mitgestaltung im Unternehmen immer wichtiger. Das Seminarhotel Paulinenhof geht mit gutem Beispiel voran: Durch Team-Events und Workshops, bei denen Mitarbeitende ihre Ideen für die Zukunft des Unternehmens einbringen, wird die Innovationskraft gestärkt und Change-Prozesse durch die Mitarbeitenden aktiv unterstützt. Das Handwerksunternehmen Henrich Schröder sorgt zum Beispiel mit dem "blauen Blatt", das monatlich über die neuesten Entwicklungen, auch beim Umsatz, informiert, für Transparenz und ein Wir-Gefühl. Zusätzlich werden in der monatlichen "blauen Runde" Erfahrungen zur Lösung technischer Probleme auf der Baustelle ausgetauscht, aber auch Erfolge wie die positive Reaktion bestimmter Kund:innen verkündet.
Erfolgreiche Change-Prozesse setzen Future Skills voraus
"Die Mitarbeitenden sind die wertvollste Ressource für Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit. Sie sollten für das Gelingen von Transformation daher an Change-Prozessen beteiligt werden", sagt Larissa Klemme. "Das ist eine Aufgabe, die Future Skills, wie Lern- und Anpassungsbereitschaft auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite fordert."
Als relevante Skills für Arbeitgeber:innen, um erfolgreich Veränderungen umzusetzen, wurden außerdem innovatives und kreatives Denken, Selbstreflexion, Problemlösungsfähigkeit, Aufgeschlossenheit sowie Motivations- und Kommunikationsfähigkeit bezeichnet.
Auf Seiten der Mitarbeiter:innen wirken sich zudem Verantwortungsbewusstsein, Resilienz und Eigeninitiative positiv auf die Mitgestaltung von Transformation im Unternehmen aus. Die befragten Unternehmen bezeichnen Kompetenz- und Qualifizierungsmanagement als zentral für die Bewältigung von Transformationsprozessen, eine systematische Erfassung von Kompetenzen und die gezielte Förderung überfachlicher Fähigkeiten gibt es jedoch nicht flächendeckend – das bleibt ein Ziel für den nächsten Change-Prozess.
Für die Studie hat das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung in dreizehn Betrieben qualitative semi-strukturierte Interviews mit Geschäftsführungen oder Personen aus dem Changemanagement, Ausbildungspersonal und Personalleitungen geführt. Einige der Unternehmen haben ihre Ansätze, Mitarbeiter:innen für Weiterbildung zu motivieren, beim Future Skills Summit der Bertelsmann Stiftung am 11. und 12. März in Berlin vorgestellt und werden zudem beim Table.media Live Briefing "Transformationstreiber Fachkräftemangel – wie wir Mitarbeiter:innen für den Wandel gewinnen" von der Bertelsmann Stiftung und Table Media am 25. März als Referent:innen diskutieren. Hier geht es zur Anmeldung.