Teilnehmer der Podiumsdiskussion am 24.05.2016 in Berlin
Sebastian Pfütze

, Deutsch-Französische Dialoge : Wie zukunftsfähig sind unsere Sozialstaaten?

Die wachsende soziale Ungleichheit fordert Europa heraus - nicht zuletzt Deutschland und Frankreich. Wie sie gemeinsam bekämpft werden kann, war Thema unseres zweiten Deutsch-Französischen Dialogs in der Französischen Botschaft in Berlin.

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Am Dienstag diskutierten namhafte Experten vor rund 200 Gästen auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Bertelsmann Stiftung und der französischen Botschaft die Themen Armut und soziale Ungleichheit.

Joachim Fritz-Vannahme, Leiter des Europaprogramms des Bertelsmann Stiftung, moderierte die Diskussionsrunde, eröffnet wurde sie vom französischen Botschafter, Philippe Etienne. Er betonte:

"Mit dieser Reihe wollen wir zeigen, dass die beiden Länder vor vergleichbaren Herausforderungen stehen."
Philippe Etienne, französischer Botschafter in Deutschland

Gerade das Thema des Armutsrisikos verdiene Beachtung, da es sich hier um "das verborgene, fast schon beschämende Gesicht unserer Gesellschaft handelt", so Etienne.

Die beiden Staatssekretärinnen Yasmin Fahimi und Ségolène Neuville skizzierten in ihren einleitenden Impulsreden die Breite des Themas und die politischen Antworten auf die größten Herausforderungen. Fahimi betonte die Bedeutung des gleichberechtigten Zugangs zu Chancen und Teilhabe für die europäischen Gesellschaften. Sie sagte: "Wir sprechen von einer europäischen Idee, die davon beseelt ist, dass erst die Abschaffung der Unfreiheit und Ungleichheit die Voraussetzung für das friedliche Miteinander der Nachbarn ist." Ihre Kollegin Neuville ging auf die aktuelle Situation in Frankreich ein, die (wie in vielen anderen Staaten Europas) durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen System gekennzeichnet ist. "Angesichts dieser Vertrauenskrise" – so die Staatssekretärin – "müssen wir uns fragen, wie unsere sozialen Sicherungssysteme weiterentwickelt werden können und müssen".

In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten die Wirtschaftswissenschaftler, Marcel Fratzscher und Hélène Perivier die politischen Optionen in einen größeren Zusammenhang. Mit welchen Grundannahmen müssen wir die Erwartungen an den Sozialstaat betrachten? Ist der Staat zuerst als Korrektureinrichtung zur Umverteilung von finanziellen Ressourcen zu verstehen oder ist seine wichtigste Aufgabe, die Rahmenbedingungen für Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung, Partizipation und sozialer Sicherheit zu garantieren? Die Diskussion drehte sich um das schwierig zu definierende Gleichgewicht zwischen Eigenverantwortung jedes Einzelnen und der Fürsorgepflicht des Staates, zwischen vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung von sozialer Ungleichheit und der nachträglichen Linderung von Ungleichheit.

Kein Kind zurücklassen

Wie ein roter Faden zog sich die Erkenntnis durch die Debatte, dass ohne massive Investitionen in frühkindliche Bildung die Ziele der Chancengleichheit nicht erreicht werden können.

Innovative Ideen fördern

Bei allen Herausforderungen waren sich die Teilnehmer einig: neue und innovative Ideen werden gebraucht, auch aus der Gesellschaft. Der Dialog zwischen EU und Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und deren Gesellschaften muss gestärkt werden; nicht zuletzt, um voneinander zu lernen und das "Capacity Building" zu unterstützen. Vor allem Deutschland und Frankreich sind als Zugpferde der Union gefragt. Der Lernprozess und Erfahrungsaustausch im Bereich Sozialpolitik werden immer wichtiger für den sozialen Zusammenhalt. In dem Kontext griff der Moderator, Joachim Fritz-Vannahme, die Worte des Schriftstellers Fritz Reuter auf "Die Armut, die kommt von der Powerteh!" (franz. Pauvreté).

"Die Armut, die kommt von der Powerteh!"
Fritz Reuter, norddeutscher Schriftsteller 19. Jahrhundert

Informationen zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie hier. Das Hintergrundpapier zu der Veranstaltung "Armut und soziale Ungleichheit: deutsch-französische Herausforderungen" steht Ihnen in der rechten Spalte zur Verfügung (in Deutsch und Französisch).

Ein kurzes Video über die Veranstaltung finden Sie hier:

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