Dem schloss sich Staatsministerin Aydan Özoğuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, an. In ihrer Impulsrede erklärte sie, dass zur langfristigen Aufgabe der Integration von Flüchtlingen auch gehöre, vorherrschende lokale Probleme in Kommunen nicht einfach auf die Herkunft der Neuankömmlinge zu schieben, sondern die Ursachen in den Verhältnissen vor zu Ort suchen. Entscheidend sei eine Kommunalpolitik, die mit klugen infrastrukturellen und sozialen Maßnahmen punkte.
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen auf französischer Seite Constance Rivière, stellvertretende Kabinettsdirektorin des Präsidenten der Französischen Republik, und Didier Leschi, Geschäftsführer des französischen Amtes für Migration und Integration, teil sowie auf deutscher Seite neben Aydan Özoğuz Annelie Buntenbach, Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Schnell wurden Unterschiede deutlich: Während die französischen Teilnehmer Integration vor allem ideell verstanden und das Teilen gemeinsamer Werte in den Vordergrund rückten, konzentrierten sich die deutschen Panelisten stärker auf die Frage, wie sich Integration strukturell und institutionell gestalten lässt.
Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass die schnelle Arbeitsaufnahme ein wichtiger, wenn auch nicht alles entscheidender Baustein von Integration ist. Annelie Buntenbach kritisierte, dass Migranten häufig in prekären Arbeitsverhältnissen endeten. Constance Rivière verwies auf die nach wie vor existierende Diskriminierung, die vor allem junge, muslimische Männer unabhängig ihres Bildungsstandes erfahren würden. Staatsministerin Özoğuz pflichtete bei: Gerade mit Blick auf die Bildung von Flüchtlingen müsse man schleunigst Wissenslücken schließen. Menschen mit Migrationshintergrund wiesen entweder sehr erfolgreiche oder misslungene Bildungskarrieren auf. Für diese Extreme gäbe es aber keine guten Erklärungsansätze.
Intensiv diskutiert wurde auch die Bedeutung der Religion im Kontext von Integrationsproblemen. Didier Leschi mahnte, der für Frankreichs republikanische Tradition so wichtige Grundsatz der "laïcité" sei in Gefahr. Zum einen, weil sich säkulare Integrationsmotoren wie die Arbeiterbewegung im Niedergang befänden. Zum anderen, weil radikale Gruppierungen den Islam instrumentalisieren würden, um so über die Lebensweise französischer Muslime zu bestimmen. Solche Probleme gäbe es durchaus, bejahte Aydan Özoğuz. Die große Mehrheit der Muslime wolle mit diesen Gruppen aber nichts zu tun haben. Sie forderte, Begegnungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen stärker zu fördern, um Ängste abzubauen und Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Bei allen Herausforderungen waren sich die Teilnehmer über das Ziel von Integration und Migration einig: "Herkunft darf kein Schicksal sein", griff Joachim Fritz-Vannahme, Leiter des Europaprogramms der Bertelsmann Stiftung, die Worte der Staatsministerin wieder auf und fasste die Diskussion zusammen.