Pfeil in den Farben der Ukraineflagge zeigt auf das Wort Talents

Ukraine: Online Austausch - Kompetenzen (an)erkennen

Viele Schutzsuchende aus der Ukraine kommen nach Deutschland mit guten Bildungs- und Berufsabschlüssen. Doch ist es schwierig und langwierig, diese in Deutschland anerkennen zu lassen. Auch für viele andere Erwerbspersonen in Deutschland besteht diese Schwierigkeit.

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4,7 Millionen Erwerbspersonen in Deutschland eint das Problem, dass sie keine Kompetenznachweise haben – sie gelten als formal geringqualifiziert. Unter ihnen gibt es viele mit Migrationshintergrund. Um die Kompetenzen sichtbar zu machen, gibt es nun mehrere Ansätze. So hat die Bertelsmann Stiftung verschiedene Instrumente entwickelt. #SHOWYOURSKILLS heißt das Paket, das Dr. Martin Noack, Senior Expert der Bertelsmann Stiftung in unserem kommunalen Fachaustausch vorgestellt hat. Dipl.- Ing. Cemalettin Özer von der gemeinnützigen Gesellschaft MOZAIK in Bielefeld hat aus der langjährigen Beratungspraxis zum Thema berufliche Kompetenzen und Anerkennung berichtet.

„Auch wenn Papiere aus dem Herkunftsland fehlen, bietet das Anerkennungsgesetz rechtliche Möglichkeiten“ schilderte Ricarda Knöller vom Bundesinstitut für Berufsbildung (bibb), Arbeitsbereich Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen, einleitend die Situation der Anerkennung beruflicher Kompetenzen. Doch sie weist anhand der statistischen Zahlen auch auf die insgesamt positive Entwicklung hin, dass die Anerkennungsverfahren immer schneller erfolgen. Es gilt jedoch den gesamten Anerkennungsprozess im Blick zu haben. Neben den Unterlagen sind Sprachkenntnisse und modulare Qualifizierungen wichtig für die berufliche Anerkennung. Sehr hilfreich sei auch eine gute Beratung, am besten in ukrainischer Sprache, so Ricarda Knöller. 

Wie können Kompetenzen festgestellt werden, die nicht formell nachzuweisen sind? Hierzu stellte Martin Noack von der Bertelsmann Stiftung vier Instrumente vor, die in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen: Kompetenzkarten, Berufekarten, der Selbst-Check „meine.berufserfahrung.de“ und der standardisierte MYSKILLS-Test. Entwickelt wurden die Kompetenzkarten zusammen mit den Wohlfahrtsverbänden. Sie sind vor allem in Beratungsgesprächen einsetzbar. Neu ist, dass die Kompetenzkarten inzwischen auch in ukrainischer Sprache vorliegen. Während Nutzer:innen auf meine-berufserfahrung.de in 3-5 Minuten direkt ein erstes Ergebnis zu Ihrer Arbeitserfahrung bekommen, ist MYSKILLS ein aufwendigerer Computer-Test des Handlungswissens, der bisher von Arbeitsagenturen und Jobcentern verwendet wird. Doch bald könnte MYSKILLS auch in Weiterbildungszentren genutzt werden können.

Seit über 10 Jahren (2012) bietet die MOZAIK gGmbH die Beratung zur Anerkennung von beruflichen Kompetenzen an. Mozaik ist Teil des IQ-Netzwerkes und bundesweit tätig. Bereits 7.500 Personen wurden in der ganzen Region Ostwestfalen-Lippe beraten. Cemalettin Özer schilderte die Erfahrungen aus der langjährigen Beratungspraxis. „Viele, die zu uns kommen, sind Akademikerinnen und Akademiker. Wir beraten sie bei der Beschaffung von Unterlagen, der Übersetzung der Zeugnisse und begleiten sie durch den langwierigen Anerkennungsprozess“, so Cemalettin Özer. Gerade die 25-40 jährigen seien eine wichtige Altersgruppe, die angesichts des Fachkräftemangels auf unserem Arbeitsmarkt dringend gebraucht werde.

Der anschließende Austausch zwischen den rund 60 Teilnehmenden bestätigte, wie wichtig mehrsprachige Informationen und eine umfassende Beratung sind. Auch Sprache ist bei der Anerkennung von Kompetenzen ein relevantes Thema, ob es um den Nachweis von Sprachkenntnissen, das Verstehen der Informationen oder die Übersetzung von Unterlagen aus dem Herkunftsland geht.

Die formalen und informellen Verfahren und Instrumente zur Anerkennung und Erkennung beruflicher Kompetenzen können sich im Prinzip ergänzen, so die überwiegende Meinung der Referent:innen. Doch bisher ist das noch nicht systematisch der Fall. „Ich würde mir allerdings wünschen,“ so Martin Noack, „dass dies künftig mehr zusammen gedacht wird“. Bei MOZAIK sei das bereits der Fall, so Cemalettin Özer. 

Der nächste Online-Austausch von Bertelsmann Stiftung und Alliance4Ukraine findet am 25. Oktober 2022 zum Thema Patenschaften statt. Das Format wird alle 14 Tage dienstags in der frühen Mittagszeit, in der Regel von 11:30 bis 12:30 Uhr angeboten.​​

Weitere Infos: www.willkommen-in-kommunen.de