Gebäudefassade im Bau

So kann die öffentliche Beschaffung nachhaltiger werden

Durch eine Reform des deutschen Vergaberechts sollen im öffentlichen Beschaffungswesen Bürokratie abgebaut und Verfahren beschleunigt werden. Eine neue Analyse der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) zeigt, dass die Vergabepraxis der öffentlichen Hand nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger gestaltet werden sollte – und kann. CO2-Schattenpreise könnten eine größere Rolle spielen.

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Marc Wolinda
Senior Project Manager
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Dr. Marcus Wortmann
Senior Expert

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Jedes Jahr beschafft die öffentliche Hand Schätzungen zufolge Güter und Dienstleistung im Volumen von mehr 400 Milliarden Euro. Damit hat der Staat einen enormen Hebel in der Hand, um – wie im Koalitionsvertrag formuliert – als „Ankerkunde” mehr Anreize für eine klimaneutrale und ressourcenschonende und zugleich innovative Wirtschaft zu setzen. Allerdings wird dieses Potenzial bisher kaum genutzt: Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass auf kommunaler Ebene nur 13,7 Prozent der Aufträge unter Einschluss von Nachhaltigkeitskriterien vergeben werden und dieser Anteil rückläufig war.

Die Bundesregierung plant Änderungen beim Vergaberecht

Schon die vergangene Bundesregierung unter Kanzler Scholz plante die Reform des Vergaberechts, wollte dabei neben der Entbürokratisierung aber auch mehr Verbindlichkeit in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte festlegen. Nachhaltigkeit scheint beim aktuell im Reformprozess befindlichen Vergabebeschleunigungsgesetz allerdings kaum noch eine Rolle zu spielen.

Wir bedauern sehr, dass die Nachhaltigkeit im Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Damit wird der Staat aus unserer Sicht seiner Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft nicht gerecht.

Marc Wolinda, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung

Dabei gibt es etwa im Baubereich, in dem die öffentliche Hand über erhebliche Marktmacht verfügt und die Emissionen besonders hoch sind, bereits praktikable Lösungen für mehr Nachhaltigkeit. 

Nachhaltigkeit in der Vergabepraxis stärken, CO2-Schattenpreise nutzen

Unser neues Focus Paper nimmt besonders den CO₂-Schattenpreis als ein Instrument klimafreundlicher öffentlicher Beschaffung in den Blick. Dieser darf nach geltendem Recht bereits angewendet werden, wird allerdings aufgrund mangelnder Verbindlichkeit, fehlender Kapazitäten in der öffentlichen Verwaltung sowie in Unternehmen und mangelnden Emissionsdaten kaum genutzt.

Auch wenn der aktuelle Gesetzesentwurf weniger ambitioniert als der der Ampel-Regierung ist, soll die Regierung dennoch ermächtigt werden, verpflichtende Anforderungen hinsichtlich klimafreundlicher Vergabe festzulegen. Unser Focus Paper zeigt, dass dies auch praktisch möglich ist und die Voraussetzungen für die Einführung von CO2-Schattenpreisen gegeben sind.

Jana Leutner, wissenschaftliche Referentin des FÖS

Am Bespiel des Bausektors werden einige Empfehlungen entwickelt, wie das Beschaffungswesen durch die Nutzung solcher Schattenpreise in Zukunft nachhaltiger gestaltet werden kann.

Insgesamt kommt das Autorenteam zu folgenden Empfehlungen:

  • CO2-Schattenpreise sollten sukzessive verpflichtend eingeführt werden, angefangen mit dem Bausektor. Dies schafft Marktanreize, Planungssicherheit und fördert die erforderlichen Kapazitäten in Verwaltung und Wirtschaft.
  • Die Höhe des CO2-Schattenpreises ist entscheidend und sollte sich mindestens nach den vom Umweltbundesamt empfohlenen CO2-Preisen (Klimafolgekosten) in Höhe von aktuell 300 – 880 €/t CO2 richten.
  • CO2-Schattenpreise sollten möglichst in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und als Zuschlagskriterium angewandt werden.

Die Integration von Ökobilanzen im Gebäudebereich in das Ordnungsrecht kann die Datengrundlage für CO2-Schattenpreise weiter stärken.

Focus Paper