Das Bild zeigt eine innerstädtische Straße mit parkenden Autos rechts und links, die deutliche Fahrbahnschäden aufweist. Im Vordergrund ist ein großer, tiefer Schlagloch zu sehen, umgeben von rissigem und brüchigem Asphalt.

Kommunale Finanzen – Größtes Defizit in der Geschichte der Bundesrepublik

Die Kommunen in Deutschland haben 2024 mit etwa 25 Milliarden Euro das größte Defizit der bundesdeutschen Geschichte verbucht. Die Ursachen dieses Trendwechsels liegen in der hohen Inflation und der schwachen Konjunktur. Auch der Ausblick ist negativ. Vor diesem Hintergrund zeigen wir Möglichkeiten zur Verbesserung der kommunalen Finanzlage auf.

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Dr. Kirsten Witte
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Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist im vergangenen Jahr flächendeckend eingebrochen. Die Steuereinnahmen stagnieren infolge schwacher Konjunktur. Die wichtigsten Ausgabearten wie Personal, Sachaufwand oder Soziales wachsen ungebremst. Das sind einige zentrale Ergebnisse unseres neuen "Kommunalen Finanzreports 2025".


Auch der Ausblick für die kommenden Jahre ist pessimistisch. Die strukturellen Probleme zum Beispiel der Sozialausgaben sind ungelöst, die Inflation hat das Ausgabenniveau dauerhaft erhöht, die Konjunktur bleibt schwach. Unser Vorständin Brigitte Mohn sagt: "Das Defizit des Jahres 2024 markiert eine Zeitenwende, welche die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stellt. Kommunen schultern über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen und sind wichtig für den sozialen Zusammenhalt. Wir brauchen eine Staatsreform, weil die Kommunen diese wichtigen Aufgaben sonst nicht mehr wahrnehmen können. Auch Bund und Länder müssen sich für eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Situation engagieren. Die Aufgaben für die Kommunen sind aufgrund der bundesgesetzlichen Regelungen zu aufwändig. Es braucht die eindeutige Finanzierungsverantwortung beim Bund."

Nahezu flächendeckend Defizite

Die Kommunen insgesamt erzielten in den Jahren 2015 bis 2022 noch Überschüsse. Doch bereits ab 2020 basierten diese auf Sondereffekten wie Hilfsprogrammen von Bund und Ländern. Im Jahr 2023 stand erstmals nach neun Jahren wieder ein Minus in den Kassenbüchern, das sich 2024 mehr als verdreifachte. Dieses Minus traf fast alle Bundesländer und fiel in den wirtschaftsstarken Regionen Bayern und Hessen besonders groß aus.

Ausgaben laufen davon

Anders als in früheren Jahren liegt die Ursache für die schlechte Kassenlage in erster Linie in der Entwicklung der Ausgaben, die allein 2024 um zehn Prozent zulegten. Die Personalausgaben haben sich binnen zehn Jahren verdoppelt, was eine Folge des Stellenwachstums und hoher Tarifabschlüsse ist. Der laufende Sachaufwand erhöht sich auch durch die Inflation und stieg um ein Viertel in zwei Jahren. Davon betroffen sind zum Beispiel die Ausgaben für Dienstleistende, Büroausstattung oder die Bewirtschaftung der Gebäude. Auch die Sozialausgaben verzeichneten binnen zwei Jahren einen Sprung um ein Viertel auf nunmehr 85 Mrd. Euro. Die Kommunen tragen ein großes Spektrum sozialer Aufgaben, die überwiegend bundesgesetzlich geregelt, aber oft nicht ausreichend vom Bund gegenfinanziert sind.

Investitionen weiterhin zu gering

Die Städte, Landkreise und Gemeinden sind verantwortlich für wichtige Infrastrukturen, die sowohl die Lebensqualität für Bürger:innen als auch die Standortqualität für Unternehmen definieren. Der Aus- und Umbau kommunaler Infrastrukturen ist auch für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels essenziell. Zwar verzeichneten die kommunalen Investitionen 2024 einen Rekord von 52 Milliarden Euro, allerdings wächst der Investitionsrückstand dennoch weiter und die Ausgaben werden durch besonders hohe Inflationsraten der Baubranche überlagert. Im regionalen Vergleich tritt die seit Langem bekannte Verteilung auf: Die höchsten Investitionen tätigen mit Abstand die Kommunen in Bayern. Am anderen Ende kristallisieren sich mit dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen über die Zeit Regionen heraus, die infrastrukturell immer weiter zurückfallen.

Steuern stagnieren infolge schwacher Konjunktur

Die lange Zeit hohe Wachstumsdynamik der kommunalen Steuern (von 2014 zu 2024 sind die kommunalen Steuereinnahmen bundesweit um 60 Prozent gestiegen) kam 2024 vor dem Hintergrund der schwachen wirtschaftlichen Lage zum Erliegen. Preisbereinigt bedeutet die nominale Stagnation bereits einen Verlust an kommunaler Kaufkraft. Im regionalen Vergleich der Steuereinnahmen zeigen sich die langfristig bekannten Muster: An der Spitze stehen Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, am Ende die fünf ostdeutschen Bundesländer. Von den zwanzig schwächsten Kommunen liegen 17 in Ostdeutschland. Hessen erreicht je Einwohner:in mehr als das Doppelte des thüringischen Wertes. Hintergrund dieser Differenzen ist die noch immer unterschiedliche Wirtschaftskraft der Regionen.

Kassenkredite steigen wieder an

Die Kassenkredite, der "kommunale Dispo-Kredit", sind primär die Folge von Haushaltsdefiziten und gelten seit jeher als zentraler Krisenindikator. "Nach sieben Jahren des Abbaus steigen diese seit 2023 bundesweit wieder an. Die Problematik konzentriert sich immer stärker auf Nordrhein-Westfalen. Ein Viertel des bundesdeutschen Volumens entfällt auf lediglich neun Städte dieses Landes", erklärt René Geißler, Professor für öffentliche Verwaltung an der TH Wildau und Mitautor der Studie. "Andere frühere Krisenregionen wie das Saarland und Rheinland-Pfalz haben bereits Hilfsprogramme implementiert. Hier drohen allerdings die hart errungenen Erfolge der vergangenen Jahre angesichts neuer Defizite verloren zu gehen."

Angesichts der aktuellen Finanzlage werden die Kommunen die dafür notwendigen Mittel nicht allein aufbringen können. Auch das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität wird diese Bedarfe nur teilweise decken.

Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung

Handlungsansätze zur Finanzierung der Transformation erforderlich

"Nicht nur hohe Defizite und ein bundesweiter Investitionsstau von 215 Milliarden Euro belasten die kommunalen Haushalte. Zusätzlich sind umfangreiche Investitionen in die Klimaanpassung der kommunalen Infrastruktur notwendig, um einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Treibhausgase zu leisten", betont unsere Kommunalexpertin, Kirsten Witte. "Angesichts der aktuellen Finanzlage werden die Kommunen die dafür notwendigen Mittel nicht allein aufbringen können. Auch das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität wird diese Bedarfe nur teilweise decken. Deswegen sind weitere langfristige Ansätze zur Finanzierung notwendig", fordert Witte. Der neue Kommunale Finanzreport 2025 zeigt dazu die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze auf, wie beispielsweise ein gemeinsames Bund-Länder-Sondervermögen oder ein privat-öffentlicher Zukunfts- und Transformationsfonds. Darüber hinaus bleibt es unerlässlich, dass die dauerhafte Unterfinanzierung der Kommunen durch langfristige Strukturreformen behoben wird.

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Studie

Cover Kommunaler Finanzreport 2025

Prof. Dr. Ronny Freier, Technische Hochschule Wildau; Prof. Dr. René Geißler, Technische Hochschule Wildau; Henrik Scheller, Deutsches Institut für Urbanistik; Christian Raffer, Deutsches Institut für Urbanistik

Materialien