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Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Arbeitswelt: Was bleibt und was nicht?

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie unsere Arbeitswelt? Unsere neue Sonderstudie fragt nach den langfristigen gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen und konzentriert sich dabei auf die wichtigsten Entwicklungen in Organisationen. Wie nachhaltig sind die innerbetrieblichen Effekte, wie reagieren politische und wirtschaftliche Entscheider? 

Seit Beginn des Jahres verbreitet sich das Corona-Virus weltweit und es lehrt die Menschen, dass sie verletzlich sind und Wege finden müssen, der Pandemie zu begegnen. Das gesellschaftliche Leben, die Wirtschaft, politische Prozesse und natürlich auch das soziale Miteinander sind tiefgehend betroffen.

Die vorliegende Sonderstudie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt in Deutschland ist eine Begleitstudie zu der im Juni 2020 zusammen mit dem MÜNCHNER KREIS e.V. veröffentlichten Zukunftsstudie Leben, Arbeit, Bildung 2035.  

211 der bereits im Rahmen der Hauptstudie befragten ExpertInnen für Digitalisierung, Technologie und Künstliche Intelligenz nahmen an der durchgeführten Sondererhebung teil. Inmitten des landesweiten Shutdowns wurden sie gebeten, gesondert auf die durch die Pandemie zu erwartenden mittel- bis langfristigen Auswirkungen auf die Arbeitswelt einzugehen.  

Zwei grundsätzliche Tendenzen lassen sich erkennen:

Corona beschleunigt die digitale Transformation der betrieblichen Arbeitswelt. 

Die Digitalisierung der Arbeitswelt erfährt durch Corona einen deutlichen Schub: 85 Prozent der Befragten glauben, dass Homeoffice und/oder mobile Arbeit sich als alternative Arbeitsform etablieren wird und das digitale (Kommunikations-)Tools zum allgegenwärtigen Arbeitsmittel werden.  

92 Prozent der ExpertInnen geht davon aus, dass die Krise die digitale Transformation in Unternehmen beschleunigen wird. Sie erwarten, dass vor allem digitale Dienstleistungen und Kundenkommunikationskanäle auch nach der Krise noch verstärkt zum Einsatz kommen werden. Sowohl die räumliche wie auch die zeitliche Verteilung der Arbeit wird sich langfristig an den in der Krise neu etablierten Standards orientieren. Dem Vorurteil, dass die weitgehend isolierte Art des Arbeitens zu verminderter Arbeitsleistung führe, begegnen 87 Prozent der Befragten indem Sie sagen, dass im Home/Mobile Office mindestens gleich viel, wenn nicht sogar mehr gearbeitet würde.

Das Virus zwingt die Unternehmen, Neues auszuprobieren und Lösungen für die Weiterführung der täglichen Arbeit herbeizuführen, die - zumindest in Bezug auf die Arbeitswelt - so eigentlich neu nicht sind.

Ihnen fehlte es zumeist an Legitimation durch die Arbeitgeber und sie wähnten sich in sicherem Fahrwasser, wenn sie zwar zaghaft den Zeichen der Digitalisierung Rechnung trugen, aber gewohnheitsmäßig Kontrolle vor Vertrauen setzten und zum Beispiel - vor der Krise - auf die Präsenzkultur beharrten. Die Pandemie wirft nun aber gewohnte Muster vollkommen durcheinander und Unternehmen müssen sich für neue Arten des Arbeitens öffnen. Zwei Drittel der ExpertInnen gehen auch künftig von der Auflösung des Büroalltags aus, ein Drittel vermutet, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss. Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, dass zukünftig nicht die eine Lösung für Alle das Arbeiten bestimmen wird, sondern eine Balance aus virtueller und physisch präsenter Bürokultur gefunden werden muss. Die Diversität der Arbeitsweisen wird als eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Corona-Krise in die „alte“ Arbeitswelt hineinreichen. Die Zeit ist anscheinend reif für den Beschäftigten, der dort, wo es möglich ist, und in Abstimmung mit den Teamkolleginnen selbst als mündiger Arbeitnehmer festlegt, wo er seine Arbeit gerade am besten ausführen kann. 

Der Trend zum Arbeiten außerhalb des Büros wird auch die zukünftige Organisation von Arbeitsprozessen erheblich verändern. 44 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich die Führungskultur von Kontrolle hin zu Vertrauen wandeln wird. Das bedeutet besonders für traditionelle und hierarchisch aufgestellte Unternehmen eine gravierende Umstellung, speziell was die Mitarbeiterführung betrifft. 

Die zweite deutlich erkennbare Tendenz aus den Antworten der ExpertInnen ist, dass die durch die Pandemie hervorgerufenen positiven Effekte für die Nachhaltigkeit einer digitalen Arbeitskultur wie z.B. weniger Dienstreisen, weniger Flüge, ein geringeres Verkehrs- bzw. Pendleraufkommen, das Andauern der Stadtflucht, die allgemeine Entschleunigung und die verstärkte Wahrnehmung der Bedürfnisse anderer keine langfristige – also nachhaltige Wirkung haben werden. Nur 17 Prozent der Befragten erwarten, dass die Menschen auch nach Überwindung der Krise einem nachhaltigeren Lebens- und Arbeitsstil folgen werden.  

Politische Initiative für mehr Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt gefordert

Wie auch schon in der Hauptstudie sieht das Studienteam hier einen wesentlichen Hebel, um auch langfristig ressourcenschonender und ganzheitlicher zu agieren: Vieles wird davon abhängen, ob wirtschaftliche und politische Entscheider das Nachhaltigkeitspotenzial des digitalen Arbeitens erkennen und entsprechende Initiativen künftig stärker fördern. Mehr Nachhaltigkeit kann auch durch Anpassungen der Arbeitsbedingungen erreicht werden. Als bestes und aktuellstes Beispiel wäre da die mobile Arbeit zu nennen. Diese muss in den Betrieben verankert werden – sei es durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich. Aufgrund der Unterschiede der Anforderungen von Homeoffice (Telearbeit) und mobiler Arbeit könnte eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Vereinheitlichung im Sinne einer Vereinfachung -  und ergänzend ggf. auch durch ein Recht auf mobiles Arbeiten – die Nachhaltigkeit in Betrieben unterstützen.

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind aufgefordert, die durch die Pandemie hervorgerufenen positiven Effekte in der Arbeitswelt aufzugreifen, weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Die ExpertInnen bestätigen gerade mit Blick auf die hohe Akzeptanz virtueller Kommunikationstools sowie Home/Mobile Office eine Veränderungsbereitschaft, die die Gestalter von Rahmenbedingungen und Gesetzmäßigkeiten wahrnehmen und entsprechend unterfüttern sollten.  

Das Nachhaltigkeitspotential des digitalen Arbeitens ist aktuell groß, ebenso die Bereitschaft, die Vorzüge der Neuen Art des Arbeitens zu nutzen. Finden diese Initiativen nun Eingang in die Gesetzgebung und in die betrieblichen Routinen und verknüpfen sie die individuellen Bedürfnisse optimal mit den wirtschaftlichen Zielen der Unternehmen, dann ergeben sich enorme Chancen für die sich - auch ohne Corona wandelnde Arbeitswelt. Ein lebensbedrohlicher Virus war nötig um diese Entwicklung deutlich zu beschleunigen, um die Vorteile spürbar und greifbar werden zu lassen und so Begehrlichkeiten zu wecken, die sowohl die Nachhaltigkeit als auch die verbesserte Vereinbarkeit von (Privat-)Leben und Beruf adressieren.  

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