Auf einem Bildschirm sind Zahlenreihen aus Nullen und Einsen zu sehen, die mit einem roten Herz unterlegt sind.

Wie leben wir ab 2035? Unser künftiger Alltag mit KI-Technologie

Leben, Arbeit, Bildung: In vielen Bereichen begegnet uns schon jetzt Künstliche Intelligenz (KI). Deren Anteil an unserem Alltag wird bis 2035 und darüber hinaus noch deutlich zunehmen, wie mehr als 500 ExpertInnen in der neuen Zukunftsstudie vorhersagen. Erstmals legt der Münchner Kreis die Studie in Zusammenarbeit mit uns vor.

Die aktuelle achte Ausgabe der Zukunftsstudie widmet sich dem Thema Künstliche Intelligenz und durch KI verursachte Veränderungen in den zentralen Lebensbereichen Leben, Arbeit und Bildung. Sie thematisiert, dass Künstliche Intelligenz unser Leben nachhaltig verändern wird und dass die Art und Weise, wie wir künftig arbeiten werden, sich grundlegend ändern wird. Ebenso spricht sie an, dass sich auch die Inhalte und die Ausrichtung unsers Bildungssystems neu definieren werden. KI wird darüber hinaus durch die Corona-Pandemie wesentlich an Bedeutung gewinnen.

Die fortschreitende Digitalisierung sorgt dafür, dass sich für die wissenschaftliche Begleitforschung immer mehr Themen und Facetten ergeben. Bezogen auf das Themenfeld Arbeit beteiligt sich unser Projekt "Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung" an dieser Studie und fragt, wie sich KI-Technologien kurz-, mittel- und langfristig auf den beruflichen und sozialen Alltag auswirken werden und welche Handlungsfelder sich daraus für die Politik und die Gesellschaft ergeben.

Die Diskussion über die Nutzung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ist bislang eher von den möglichen Gefahren überlagert. Wir wollen diesen Diskurs mit der Zukunftsstudie auf die positiven Aspekte, vor allem auf die Chancen, ausrichten und für Aufklärung sorgen. Skepsis und vorschnellen Urteilen wollen wir eine solide Datenbasis gegenüberstellen, die auf mehreren Ebenen argumentiert und den Nutzen für das Gemeinwohl, die Wirtschaft und die Gesellschaft in den Vordergrund rückt.

In insgesamt 53 vom Studienteam erarbeiteten Thesen (19 davon im Themenfeld Arbeit) zu von KI beeinflussten Veränderungen in den zentralen Lebensbereichen Leben (Mobilität, Konsum, Gesundheit, Wohnen, Medien), Arbeit und Bildung konnten die ExpertInnen ihre Einschätzung dazu abgeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die jeweilige Aussage innerhalb der nächsten zehn Jahre eintreten wird. Hatten sie sich hier festgelegt, so wurden sie im Anschluss gebeten zu sagen, ob und wie sich diese jeweilige Veränderung auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken wird.

Die 5 Dimensionen

Darüber hinaus haben die MacherInnen der Studie fünf Dimensionen benannt, die übergeordnete Ableitungen über die drei Lebensbereiche hinweg ermöglichen und die in der zweiten Befragungswelle ebenfalls durch die ExpertInnen einzuschätzen waren. Der Begriff Dimension umfasst dabei Potentiale, Chancen, aber auch Herausforderungen:

  1. Sinnstiftung für den Einzelnen 
    (Mensch in der Beziehung mit sich selbst)
  2. Veränderung zwischenmenschlicher Beziehungen
    (Mensch in der Interaktion mit anderen Menschen)
  3. Konsens in der Gesellschaft
    (Mensch im gesamtgesellschaftlichen Konstrukt)
  4. Beurteilungsprozesse
    (Beurteilung von menschlichem Handeln / Leistung)
  5. Regulatorische Gestaltungsparameter
    (zum Beispiel Gesetze) 

Mit diesen fünf Dimensionen gelingt es zu beschreiben, wie weitreichend KI in die (Lebens-)Bereiche und Fachrichtungen vordringen wird und weshalb die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den anstehenden Veränderungen umso wichtiger werden wird.

Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Studie eine deutlich positive, optimistische Sprache: In der Wahrnehmung der befragten Personen wandelt sich die Diskussion über KI mehr und mehr weg von der rein technischen Betrachtungsweise, hin zu einer Nutzer- und Gemeinwohlorientierung und ganzheitlichen Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten.

Die bis 2035 und darüber hinaus am stärksten von KI-Technologien beeinflussten Lebensbereiche werden nach Auffassung der BefragungsteilnehmerInnen die Mobilität, der Gesundheits- und Pflegesektor, der Medienkonsum und der Bereich Arbeit sein.

Die Zukunft der Arbeit und KI

Im Lebensbereich Arbeit wird es laut den ExpertInnen durch den vermehrten Einsatz von KI zu besonders starken Veränderungen für jeden Einzelnen vor allem in den Dimensionen Beurteilungsprozesse, Veränderung zwischenmenschlicher Beziehungen und Sinnstiftung kommen

In der Interaktion zwischen Mensch und Maschine richten die Unternehmen weiterhin den Fokus auf die menschlichen Kompetenzen und entwickeln diese zielgerichtet weiter. Das zeigt, dass das Vertrauen in die menschliche Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit unangefochten ist. Sowohl für die Wirtschaft (87 Prozent) als auch für die Gesellschaft (76 Prozent) sehen die BefragungsteilnehmerInnen hier positive Tendenzen.

83 Prozent der ExpertInnen schätzen, dass die menschliche Arbeitsleistung kurz- bis mittelfristig transparenter und damit kontrollierbarer wird. Ihrer Meinung nach profitiert davon aber eher einseitig die Wirtschaft als die ArbeitnehmerInnen.  

Was für die ExpertInnen schwer vorstellbar zu sein scheint, ist, dass der Mensch ohne KI beziehungsweise personalisierte Assistenten nicht mehr arbeitsfähig sein wird. Hier herrscht Skepsis und die ExpertInnen erwarten, dass dieses Szenario eher langfristig nach 2035 eintreten wird. 15 Prozent meinen sogar, dass dies nie der Fall sein wird. Und falls doch, dann habe dies eher positive Auswirkungen auf die Wirtschaft als auf die Gesellschaft.  

Weitgehend einig sind sich die ExpertInnen hingegen bei der Frage, ob der Einsatz von KI die Aufgabenbereiche des Managements verschieben wird: 76 Prozent meinen, dass KI administrative Aufgabenbereiche wie Aufgabenplanung, Zielerreichung und Kontrolle übernehmen wird. Da KI-Technologien künftig in Unternehmen einen Großteil der Entscheidungen vorbereiten werden, ist das Management hauptsächlich für Personalführung, Motivation und Kreativleistungen verantwortlich. 80 Prozent der ExpertInnen erwarten dadurch sogar positive Effekte für die Wirtschaft.

Anknüpfend an unsere Studie zu der Plattformarbeit in Deutschland wird die Frage nach dem Wandel der Beschäftigung hin zu überwiegend hybriden Tätigkeiten in der Zukunftsstudie ganz ähnlich beantwortet: 59 Prozent der Befragten meinen, dass langfristig der überwiegende Teil der Menschen in Deutschland als Freelancer tätig sein wird. Die hohe Flexibilität hinsichtlich der Auswahl von Arbeitsinhalten und Unternehmen führt dazu, dass Beschäftigung kaum noch im Rahmen einer langjährigen Betriebszugehörigkeit erfolgen wird. Skeptischer als in der Studie zur Plattformarbeit schätzen die ExpertInnen der Zukunftsstudie allein die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft ein: Hier erwarten nur 25 Prozent einen echten Nutzen für die Gesellschaft (bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Handicaps und so weiter) und 57 Prozent sagen sogar negative Auswirkungen voraus.

Resümee

Das Ziel der Zukunftsstudie Leben, Arbeit, Bildung 2035+ ist es, insbesondere den politischen Entscheidern aufzuzeigen, dass Künstliche Intelligenz sowohl in der Wirtschaft wie auch in der Gesellschaft nicht als furchterregend angesehen wird. Vielmehr schafft KI Möglichkeiten und Chancen, die uns ein nie zuvor da gewesenes Maß an Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum eröffnen.  Wir zeigen mit der Studie einen proaktiven und positiven Umgang mit der sich weiterentwickelnden KI auf und binden bei unseren Empfehlungen das vorhandene Potential in Wissenschaft, Technik und Recht ein, um so eine bessere, nachhaltige Gesellschaft gestalten zu können. Mutig, manchmal unerwartet, aber jederzeit mit dem Menschen im Fokus.

Hintergrund

Das Projektteam "Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung" hat die Zukunftsstudie VIII Leben, Arbeit, Bildung 2035+ gemeinsam mit dem MÜNCHNER KREIS e.V. veröffentlicht. Das internationale Delphi, an dem im Zeitraum von November 2019 bis März 2020 mehr als 500 ExpertInnen teilnahmen, wurde von 11 Partnern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft unterstützt.