Hochspannungsleitung vor dunkelblauem Himmel mit Sonne

Industriestrompreise in Deutschland: Reformoptionen für wettbewerbsfähige Strompreise

Deutschlands Strompreise sind im Vergleich zu Ländern wie Kanada, den USA und China überdurchschnittlich hoch. Vor allem energieintensive exportorientierte Unternehmen würden durch niedrigere Industriestrompreise eine bessere internationale Wettbewerbsposition erhalten. Wie sich in Deutschland langfristig geringere Industriestrompreise erreichen lassen könnten, wird in einem aktuellen Focus Paper der Bertelsmann Stiftung untersucht.

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Dr. Thieß Petersen
Senior Advisor

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Die Preise, die Unternehmen in Deutschland für Strom zahlen müssen, sind vor allem durch die steigenden Erdgaspreise im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine spürbar gestiegen. Immerhin erreichten sie im Durchschnitt des Jahres 2024 zumindest für Gewerbebetriebe (das sind Unternehmen mit einer jährlichen Verbrauchsmenge von 160.000 bis 20 Millionen Kilowattstunden Strom) wieder das durchschnittliche Niveau der Jahre 2014 bis 2020 (siehe Abbildung 1).

In den letzten Jahren sind zahlreiche strompreisrelevante Steuern und Umlage reduziert worden. Soll eine schnell wirkende Verringerung der Strompreise für Unternehmen erreicht werden, bieten sich nur noch die Netzentgelte an. Falls diese für Unternehmen gesenkt werden, können staatliche Mindereinnahmen in Milliardenhöhe entstehen. Wenn überhaupt, sollten daher differenzierte Netzentgeltreduzierungen erfolgen, zum Beispiel nur für Unternehmen beziehungsweise Sektoren mit einem überdurchschnittlich hohen Stromkostenanteil. Zudem sollten diese Vergünstigungen nur temporär gewährt werden.

Langfristig wird Strom, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, am günstigsten sein, weil er die niedrigsten beziehungsweise keine Kosten für Brennstoffe und CO2-Emissionszertifikate hat. In Kombination mit Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 wird der Strommarkt der Zukunft sich durch drei zentrale Merkmale auszeichnen: Strom wird nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Stromnachfrage wird deutlich flexibler sein, um sich an das relativ unflexible Stromangebot anzupassen. Schließlich wird sich die jährliche Stromnachfrage bis 2045 verdoppeln oder sogar verdreifachen.

Zur Realisierung dieses Strommarktes bieten sich vor allem folgende fünf Maßnahmen an:

  1. Die Förderung des Ausbaus der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, zum Beispiel durch Marktprämien, Carbon Contracts for Difference, Superabschreibungen und Investitionskostenzuschüsse sowie einen Bürokratieabbau für den Bau von privaten Solaranlagen und die Einspeisung des Stroms.
  2. Der Ausbau der Stromnetze und der Speicherkapazitäten, zum Beispiel durch öffentliche Investitionen in Stromnetze, die Mobilisierung von privatem Kapital und staatliche Förderungen für Heimspeicher und Großspeicher.
  3. Die Steigerung der Flexibilität der Stromnachfrage, zum Beispiel durch den Einbau von Smart Meter an allen Endverbrauchsstellen, bi-direktionelle Ladetechnologie für E-Autos und die Nutzung der Preislenkungsmechanismen (unter anderem durch dynamische Strompreise und die Aufteilung der Preiszone Deutschland-Luxemburg in drei Preiszonen).
  4. Der Ausbau der Elektrifizierung von Wirtschaft und Gesellschaft, zum Beispiel durch Steuererleichterungen beziehungsweise Finanzhilfen für den Kauf von E-Autos und Wärmepumpen sowie für Unternehmen, die Produktionsprozesse elektrifizieren.
  5. Die stärkere Integration in den europäischen Strommarkt, um preiswerteren Strom aus sonnen-, wind- und wassereichen Ländern zu importieren, was einen Ausbau der Verbindungskapazitäten im europäischen Stromnetz erfordert.

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