Die ungewöhnliche Koalition pro-russischer und pro-europäischer politischer Kräfte, die ein neues Zeitalter einzuläuten schien, über geopolitische Konfliktlinien hinweg, ist gescheitert. Mit Lichtgeschwindigkeit wählte eine informelle Koalition aus pro-russischen Kräften und aus der sogenannten Demokratischen Partei eine vorgeblich technokratische, faktisch jedoch politische Regierung. So bleibt Moldau ein von Interessengruppen kontrollierter Staat. Nur die Strippenzieher sind andere. Die jüngsten Ereignisse lassen an den Bekenntnissen Moldaus zu einer Zukunft mit Rechtsstaatlichkeit und Antikorruptionsreformen zweifeln.
Nach der Parlamentswahl am 24. Februar dieses Jahres bildete sich inmitten der Verfassungskrise vom Juni 2019 eine ungewöhnliche Koalition aus der pro-russischen PSRM (Sozialistische Partei) und der pro-europäischen ACUM (Rumänisch für „Jetzt“). Das verbindende Ziel war, den Oligarchen Vladimir Plahotniuc zu entmachten. Seit 2009 hatte der Vorsitzende der Demokratischen Partei die wichtigsten Staatsinstitutionen unter seine Kontrolle gebracht. In einem für die Region seltenen Konsens einigten sich die EU, Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika die neue Regierung zu unterstützen.
Unter der Führung von Premierministerin Maia Sandu verbesserte die neue Regierung innerhalb kürzester Zeit ihre Beziehungen zum Westen erheblich. Sandus Glaubwürdigkeit als reformorientierte Politikerin öffnete Türen in Brüssel, Washington und wichtigen europäischen Hauptstädten und brachte Zusagen finanzieller Unterstützung. Nachdem die EU 2018 ihre Makrofinanzhilfe aufgrund der schlechten Zustände in der Politik hatte einfrieren lassen, legte die Europäische Kommission das Budgethilfepaket neu auf „als Ausdruck der Unterstützung für die Umsetzung von wichtigen Reformen zur Erhöhung demokratischer Standards und zum Schutz der Rechtstaatlichkeit“. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) bewilligte eine Darlehenstranche, weil Moldau Reformfortschritte gemacht und makroökonomische Stabilität erreicht habe.
Angesichts der Priorität der von ACUM dominierten Regierung, in Moldau die Korruption zu bekämpfen und eine unabhängige Justiz zu schaffen, rückte das Verfahren zur Ernennung des Generalstaatsanwalts in den Mittelpunkt der angestrebten Reformen. Im Rechtssystem Moldaus ist die Generalstaatsanwaltschaft von herausragender Bedeutung. In der Vergangenheit Plahotniuc hörig, war sie seine Speerspitze gegen politische Opponenten und Deckmantel für diverse Korruptionsschemata. Gemäß der Verfassung trägt die Generalstaatsanwaltschaft „zur Rechtspflege und Verteidigung der Rechte, der Freiheit und der legitimen Interessen von Individuen, der Gesellschaft und des Staates“ bei. Plahotniuc hatte die größtenteils korrupte Institution jedoch als Spielball für politische und persönliche Interessen missbraucht.