Träges Deutschland, träge Welt - Investitionsstau und KI-Winter

Deutschland ist geprägt von einer rückwärtsgewandten Stimmung und trägen Prozessen. Das Land hat sich seit der Coronakrise nicht mehr wirtschaftlich erholt. Dringend erforderliche Infrastrukturinvestitionen wurden zunächst zugunsten von Renten- und Sozialausgaben jahrzehntelang zurückgehalten, wodurch die wirtschaftliche Dynamik immer weiter nachgelassen hat. Dann wurde angesichts der Coronakrise in 2020 die Schuldenbremse vorübergehend ausgesetzt, um kurzfristig milliardenschwere Hilfen für die Wirtschaft und das Gesundheitssystem bereitzustellen. Die Wirkungen waren jedoch nicht nachhaltig und auch die Schuldenbremse wurde für den Abbau der neuen Staatsschulden wieder angezogen. Bahnbrechende Effizienzsteigerungen oder disruptive Effekte durch KI sind ausgeblieben. Stattdessen hat der technologische Fortschritt in erster Linie zu einer Ausweitung der Produktpalette geführt. Innovative Ideen kommen verstärkt aus aufstrebenden Schwellenländern und immer weniger aus Europa. Die Unzufriedenheit auf dem gealterten Kontinent Europa steigt und damit auch der Einfluss populistischer Parteien. Dies hat zur Auflösung der EU und einer Abschottung europäischer Staaten geführt. Die Zuwanderung von jungen Fachkräften aus anderen Regionen der Welt wird abgelehnt, was die Innovationskraft weiter schwächt und die strukturellen Probleme verstärkt.

Träges Deutschland, träge Welt - Investitionsstau und KI-Winter

Der Staat hat - trotz der Unterbrechung der Schuldenbremse in der Corona-Krise Anfang der 20er Jahre - zu lange seine finanziellen Spielräume nicht genutzt, um Innovationen zu fördern, der Industrie gesicherte Leitplanken zu setzten und insbesondere unterschiedlichste Infrastrukturen zu sanieren bzw. aufzubauen.Stattdessen wurde mit umfangreichen Soforthilfen nur kurzfristig und unzureichend auf die Coronakrise reagiert. Durch den demographischen Wandel machen Rentenausgaben, Sozialausgaben und eine verbesserte finanzielle Ausstattung des Gesundheitssystems nach Corona einen größeren Anteil an den Ausgaben aus. Diese Verschiebung findet statt, um den sozialen Frieden zu wahren und größere Konflikte zwischen Generationen und im sozialen Zusammenhalt zu mildern. Allerdings sind die Sozialausgaben auf die Absicherung von Grundrisiken beschränkt und den Bürger/innen wird eine hohe Eigenverantwortung abverlangt.

Die Sozialausgaben und die Sanierung des Gesundheitssystems gehen zu Lasten der Infrastrukturinvestitionen. Die Verkehrs-, Energie- und Netzinfrastrukturen sind stark vernachlässigt worden. Es fehlen schon seit Jahrzehnten die Mittel für notwendige umfangreiche Sanierungen, insbesondere in den Kommunen.

 

 

Der immer stärker gewordene Widerstand in der Bevölkerung gegenüber notwendigen Infrastruktur- und Baumaßnahmen, wie z.B. bei der Standortwahl für Windräder, hat die Energiewende stark gebremst. Langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse machen die Mittelverwendung ineffizient und haben die Energie- und Bauwirtschaft geschwächt. Etliche Pläne zum Ausbau des Stromnetzes und der stärkeren Integration von erneuerbaren Energien sind versandet. Die anfängliche Euphorie in der Gesellschaft hat sich auch aufgrund steigender Energiepreise und Versorgungslücken hin zu einer steigenden Ablehnung nachhaltiger Energiekonzepte entwickelt. Der Ausstieg aus Kern- und Kohleenergie wurde daher aufgeschoben. Fossile Energieträger spielen in den wichtigen Wirtschaftssektoren und auch bei den privaten Haushalten weiterhin eine zentrale Rolle. Global wird der Klimawandel lediglich dadurch aufgefangen, dass in Asien Umweltschutz als Geschäftsmodell - und auch als Maßnahme gegen Gesundheitsrisiken, allen voran Atemwegserkrankungen - stark vorangetrieben wurde. Deutschland importiert klimaneutrale Innovationen aus Asien um damit lediglich den in Klimagipfeln vereinbarten Strafzahlungen zu entgehen, statt auch an der Wertschöpfung beteiligt zu sein. Der unverändert hohe und umweltschädliche Konsum in Deutschland hält die Umweltbelastungen auf kritischem Niveau.

Die Probleme werden in Gesellschaft und Wirtschaft zwar zunehmend erkannt, die Entwicklung von Lösungsstrategien kommt jedoch mangels langfristiger Zielsetzungen, sektorübergreifender Strategien und Finanzierungsmöglichkeiten nicht richtig in Gang.

 

Bildung ist ein Luxusgut und Wissen damit knapp. Die staatlich gesicherte Grundbildung ist aus Kostengründen auf ein Minimum reduziert und von geringer Qualität, so dass Privatschulen boomen - für die, die es sich leisten können. Das Ziel der weitestgehend privatisierten Aus- und weiterführenden Bildung ist vor allem die Sicherung beruflicher Kompetenzen - entweder für einfache Tätigkeiten, die (noch) nicht von Maschinen erledigt werden oder für internationale Fachkarrieren. Die Erwerbsbevölkerung wird weiblicher und älter. Es gibt nur noch wenige international sehr erfolgreiche Unternehmen in Deutschland, die ihre Mitarbeitenden sehr gut vergüten. Ansonsten ist das Lohnniveau jedoch niedrig und Kapitalbesitz ist ein entscheidender Faktor für Wohlstand.

Die Geschwindigkeit, in der Deutschland von innovationsstärkeren Nationen überholt wird, ist nur deshalb verhältnismäßig gering, weil sich weltweit mehr und mehr abzeichnet, dass Potenziale der disruptiven künstlichen Intelligenz (KI) zunächst nicht realisiert werden. Gründe für einen solchen „KI-Winter“ sind nicht gelöste Herausforderungen bei entscheidenden Enabling-Technologien und die Skepsis der Anwender. Auch machen zu hohe Kosten bei der Implementierung von rechnerintensiven Ansätzen und zu hohe Anforderungen an die digitale Infrastruktur potenzielle Kosteneinsparung gegenüber menschlicher Arbeitskraft wirtschaftlich unattraktiv.

 

 

Auch im Mobilitätsbereich sind die Innovationsversprechungen nicht eingelöst worden. Zwar sind die Innenstädte in Ballungszentren zunehmend frei von PKWs, aber mangelnde Energie-, Straßen- und Kommunikationsinfrastruktur haben zur Folge, dass insbesondere im ländlichen Raum der Individualverkehr mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren noch weit verbreitet ist. Die zunehmenden Stadt-Land-Disparitäten und damit verbundene Kosten werden als ungerecht empfunden, was die Bereitschaft zum Umstieg auf nachhaltigere Konzepte zusätzlich erschwert. Der Konsum ist trotz fortschreitenden Klimawandels nicht maßgeblich nachhaltiger geworden, was sich auch in weiterhin steigendem Lieferverkehr und ausgeprägt international vernetzten Wertschöpfungsketten und damit hohen Abhängigkeiten in Krisenzeiten zeigt. Die Nachfrage nach günstigen Waren ist trotz politischer Spannungen in den Produktionsländern konstant hoch. Der Anteil deutscher Firmen an den erzielten Erträgen ist jedoch rückläufig.

Der geringe gesellschaftliche Zusammenhalt führt immer wieder lokal und regional zu sozialen Konflikten, vor allem an Standorten, die durch den Strukturwandel an Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen verlieren. Das verschafft populistischen Parteien Zulauf und verstärkt auch auf Bundesebene eine populistische Politik und eine Abschottung nach außen. Im politischen Diskurs stellt sich die Frage, wie wehrhaft die Demokratie ist, und wie die Wählerschaft entscheidet, wenn auch die rechtsextreme Politik ihre Versprechen nicht einlösen kann. Die Europäische Union hat sich im Zuge mangelnder Einigkeit in der Wirtschafts- und Migrationspolitik aufgelöst und die europäischen Länder haben sich immer mehr abgeschottet, um die Migration einzuschränken. Das wirkt sich negativ auf die Sicherung des Fachkräftebedarfs aus, da eine aus der Wirtschaft gewünschte stärkere Einwanderung von Fachkräften auf geringe Akzeptanz in der Bevölkerung stößt und damit auch das Land unattraktiv für Fachkräfte macht.

Somit ist Deutschland im Jahr 2040 ein Land mit weiter schrumpfender und alternder Bevölkerung. Politische Lösungen sind nicht in Sicht, Verteilungsprobleme und soziale Konflikte nehmen zu.