Deutschland ist auf ein höheres Produktivitätswachstum angewiesen. Um den Lebensstandard langfristig zu sichern, müssen Innovationen endlich in der Breite ankommen. Produktivität ist langfristig fast alles - so hat es der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman einmal formuliert. Und er hat recht. Seit dem Jahr 1850 hat sich das reale Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland in etwa verzwanzigfacht. Wäre die Produktivität in diesem Zeitraum konstant geblieben, hätte es gerade mal eine Verdopplung gegeben. Deutschland wäre heute auf dem Niveau des Jahres 1900. Dass es den Menschen tatsächlich viel besser geht, haben sie dem technischen Fortschritt zu verdanken. Wie gut es ihnen (über-)morgen gehen wird, hängt maßgeblich von dessen weiterer Entwicklung ab.
Wie geht es weiter mit der Produktivität? Derzeit stehen zwei diametral entgegengesetzte Zukunftsszenarien im Raum. Das pessimistische Lager sieht alternde Gesellschaften in einem Zustand der säkularen Stagnation gefangen. Und tatsächlich läuft dieser Motor des Wohlstands immer langsamer, besonders in Deutschland. So wuchs die Produktivität in den 1960er-Jahren noch um knapp vier Prozent jährlich, aber seit 2000 ist die Rate auf unter ein Prozent gerutscht. Als Erklärung werden bisweilen Messprobleme angeführt, denn Wertschöpfung ist im Online-Zeitalter schwer greifbar. Andere versuchen, der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank die Schuld in die Schuhe zu schieben. Überzeugend ist das nicht, denn das Produktivitätswachstum flacht schon seit Jahrzehnten und auch außerhalb Europas ab. Eine fundamentale Theorie der säkularen Stagnation vertritt der US-Ökonom Robert Gordon. Er attestiert heutigen Innovationen eine geringere Durchschlagskraft als früheren. Die Glühbirne oder die Dampfmaschine hätten die Wirtschaft eben viel umfassender verändert als das Internet. Überhaupt würden bahnbrechende Erfindungen immer seltener, weil alle niedrig hängenden Früchte schon gepflückt seien.