Zwei Hände halten ein Notebook, in dem eine Baustelle zu stehen ist. Im Hintergrund ist ebenfalls eine - scheinbar afrikanische -Baustelle zu sehen.

Innovation durch Kooperation: Transnationale Ausbildungspartnerschaften im Bausektor

Eine explorative Studie zu den Fachkräftebedarfen und Kooperationsinteressen von Unternehmen im Baubereich in Nordrhein-Westfalen beleuchtet die Potenziale einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur länderübergreifenden, beruflichen Ausbildung mit Ghana.

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Dr. Susanne U. Schultz
Senior Expert

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Es gibt immer mehr Belege und Prognosen, dass den akuten und ansteigenden Fachkräftebedarfen auf dem deutschen Arbeitsmarkt angesichts des demografischen Wandels nur durch zusätzliche Zuwanderung auf allen Qualifikationsstufen zu begegnen ist. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Kooperationen mit Nicht-EU-Ländern und eine gemeinsame Entwicklung und Gewinnung von Fachkräften. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) bietet seit März 2020 neue Möglichkeiten. Es erweitert die Grundlagen der Bildungs- und Erwerbsmigration und strukturiert diese neu. Aufgrund der Coronapandemie ließen sich die Maßnahmen bisher aber kaum in die Praxis umsetzen. Große Potenziale und zugleich eine neue Dynamik liegen in dem Ansatz der transnationalen Ausbildungspartnerschaften. Insbesondere Kooperationen mit afrikanischen Staaten stellen einen vielversprechenden, wenn auch herausfordernden Weg dar.

Ausbildungspartnerschaften als innovativer und nachhaltiger Weg der gemeinsamen Fachkräfteentwicklung

Transnationale Ausbildungspartnerschaften sind ein innovativer Weg, um Migration und Entwicklung zu verbinden und Zuwanderung fair zu gestalten, so dass Migrant:innen, Herkunftsländer und Zielländer profitieren („triple win“). Die Möglichkeit, zielgerichtet für Fachkräftebedarfe im Ziel- und im Herkunftsland auszubilden, wirkt einem „Braindrain“ entgegen und dient zugleich als Hebel, um in Asyl- und Sicherheitsfragen partnerschaftliche Kooperationen auf Augenhöhe einzugehen. Pilothafte Ausbildungspartnerschaften sind zudem ein ideales Mittel, um bestehende strukturelle Hürden ausfindig zu machen und Wege für deren Überwindung zu testen. Sie legen die Grundsteine für neue Standards und Systeme der Ausbildungs- und Fachkräftemigration, wie sie auch durch die Talentpartnerschaften im Rahmen des EU-Asyl- und Migrationspakts unterstützt werden sollen. Weitere Informationen zu unseren Aktivitäten finden Sie hier.

Die explorative Studie untersucht die Möglichkeiten und konkreten Anknüpfungspunkte am Beispiel der bestehenden Länderkooperation des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Ghana. Anhand qualitativer wie quantitativer Befragungsergebnisse nimmt sie insbesondere die Perspektive von Arbeitgeber:innen in NRW in den Blick. Einerseits geht es um deren konkrete Bedarfe an Auszubildenden und andererseits um deren Offenheit, sich in einer ausbildungspartnerschaftlichen Kooperation mit einem Land wie Ghana in Subsahara-Afrika zu engagieren. Nur mit dem Engagement und letztlich auch der mittelfristigen finanziellen Beteiligung von Unternehmen lassen sich solche Ausbildungspartnerschaften nachhaltig etablieren.

Deutliche Fachkräftebedarfe in der Baubranche und Offenheit zur Kooperation

Im Fokus der Studie steht mit dem Bausektor einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands. In den vergangenen Jahren verzeichnete die Branche immer größere Bedarfe an Fachkräften und Auszubildenden, was sich perspektivisch weiter verschärfen wird. In Ghana wiederum herrscht im Baubereich große Dynamik hinsichtlich der Berufsbildung und Standardisierung von Ausbildung. So unterstreicht Heinz G. Rittmann (BAUVERBÄNDE NRW e.V.), dass solche Partnerschaften dringend notwendig sind, "... um unsere Bedarfe zu decken. Sie sind ein Weg in die Zukunft für das deutsche Baugewerbe als auch für den Sektor in den Herkunftsländern, allerdings nur mit Beteiligung der Unternehmen."

In der qualitativen Untersuchung weisen alle 13 befragten Unternehmen in NRW aufgrund einer allgemeinen Überalterung der Branche sowie eines Mangels an qualifizierten und interessierten Bewerber:innen deutliche Bedarfe an Fachkräften oder Auszubildenden auf. Fast durchweg äußern sie eine große Offenheit, mit einem Land wie Ghana im Rahmen eines strukturierten Programms gemeinsam Fachkräfte zu entwickeln. "Wir sind da ganz offen und könnten uns durchaus vorstellen, mit afrikanischen Staaten auf dieser Ausbildungsebene zu kooperieren", sagt dazu Rolf Müller (Graf Bauunternehmung GmbH & Co. KG) "Wir würden eher den Weg verfolgen, dass wir die Leute selbst ausbilden und nicht bereits Fachkräfte einstellen".

Schwierigkeiten erwarten die Unternehmen aufgrund eigener Erfahrungen, aber zum Teil auch nur auf Basis von Vermutungen. Das betrifft zum Beispiel die administrativen Schritte zur Einreise sowie die allgemeine Verwaltung der Integration und Arbeit. Weiterhin äußern sie Bedenken bezüglich der sprachlichen und auch kulturellen Verständigung. Hier brauche es besondere Unterstützung. Überdies besteht ein Wunsch nach einer soliden Partnerstruktur und Personalauswahl vor Ort. Fast alle befragten Unternehmen zeigen sich außerdem bereit, sich finanziell an einem solchen Vorhaben zu beteiligen, etwa durch Bezuschussung von Sprachkursen und Visavergabe sowie eine teilweise Übernahme der Reisekosten.

Letztendlich sollte "eine Ausbildungspartnerschaft mit Ghana ... nicht nur den deutschen Unternehmen dienen, sondern so angelegt sein, dass sie strukturell auch zur Berufsbildung und zur Vermittlung an Unternehmen in Ghana beiträgt" (Moritz Koch, MC-Bauchemie Müller GmbH & Co. KG).

Aussichtsreiche Kooperationen mit Subsahara-Afrika

Aus dem ausgeprägten Bedarf und Interesse der Bauunternehmen in NRW lässt sich schlussfolgern, dass für eine Ausbildungspartnerschaft zwischen Ghana und NRW Realisierungspotenzial besteht.

Zukünftige Auszubildende könnten nach einer Vorbereitungsphase zur Ausbildung nach Deutschland einreisen, andererseits könnte eine stärkere Vor-Ort-Komponente auf Teilqualifizierungen bauen und in Ghana ein strukturell nachhaltigeres Modell für den lokalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt entwickeln.

Dr. Susanne U. Schultz, Migrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung

Innovative Wege der Fachkräfteentwicklung und -zuwanderung sind nur im Rahmen einer ausgewogenen und längerfristigen Kooperation denkbar. Die Studie zeigt, dass transnationale Ausbildungspartnerschaften mit afrikanischen Ländern dafür ein aussichtsreicher Weg sind.