auf einem foto der Weltkugel spannen sich Fäden zwischen Deutschland und dem afrikanischen Kontinent

Die deutsche Migrationszusammenarbeit mit Afrika braucht neue Impulse

Die migrationspolitische Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten wird für Deutschland immer wichtiger. Allerdings ist sie in den letzten Jahren von einem restriktiven Migrationsansatz in Europa dominiert und hat sich dadurch eher verschlechtert. Insbesondere angesichts der demographischen Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und dem konjunkturell unabhängigen Fachkräftemangel in Deutschland steht die Kooperation vor vielfältigen Herausforderungen und hat zugleich eine neue, chancenreiche Dynamik. Diese gilt es im Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen.

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Dr. Susanne U. Schultz
Senior Expert

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Afrika wird in diesem Jahrhundert eine immer größere Rolle spielen. Eine „vertiefte Partnerschaft“ ist erklärtes Ziel der Bundesregierung und soll zudem einer der Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab Juli dieses Jahres sein. Das Thema Migration ist dabei ein zentraler Treiber. Die sogenannte Fluchtkrise hat hier eine neue Ära der Politik eingeläutet. Allerdings ist die Kooperation mit afrikanischen Staaten bisher von starken Asymmetrien und unterschiedlichen Interessen geprägt, die sich nicht einfach auflösen lassen. Zugleich wird eine produktive Zusammenarbeit für beide Seiten immer wichtiger. Deutschland und Europa brauchen Afrika für die multilaterale Zusammenarbeit: als wachsenden Markt und angesichts mangelnder Perspektiven der jungen Bevölkerung, die sich auch teilweise in Migration und Flucht übersetzen werden. Ein aktueller Policy Brief gibt Impulse, wie eine partnerschaftliche Migrationszusammenarbeit zwischen Deutschland (im Rahmen der EU) und afrikanischen Staaten – „die diesen Namen auch verdient“ – besser gelingen kann.

Trotz Wachstumsrekorden und eines stärkeren Selbstbewusstseins der Afrikanischen Union, zum Beispiel im Projekt der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA), unterliegt die öffentliche Debatte wie auch die deutsche und europäische Politik nämlich bestimmten Fehlwahrnehmungen. Diese versucht einerseits Fluchtursachen zu vermindern, indem die Bedingungen in afrikanischen Ländern die Anreize für Flucht und Migration reduzieren sollen, andererseits indem stark auf einen Ausbau und Verlagerung von Grenzen und Migrationskontrolle bis weit hinein in den afrikanischen Kontinent gesetzt wird. Dabei sind die Zahlen von Migration und Flucht aus afrikanischen Staaten nach Deutschland und Europa seit Jahren im Sinken begriffen und insgesamt sehr viel niedriger, als häufig angenommen. Afrikanische Migration und Flucht finden zum überwiegenden Teil auf dem afrikanischen Kontinent selbst statt, insbesondere in Subsahara Afrika. Der Policy Brief nennt dazu konkrete Zahlen und Fakten und gibt einen kurzen Überblick über die migrations- und afrikapolitischen Entwicklungen seit der Fluchtkrise. Zwei Punkte werden als zentral hervorgehoben:

Gegenseitigkeit statt Einseitigkeit

Für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit müssen Asymmetrien, Ungleichheiten und gegenläufige Interessen als solche anerkannt und, soweit möglich, in fairen Kompromissen aufgelöst werden. Vor diesem Hintergrund sollten bereits bestehende Instrumente genutzt werden, besonders im Bereich legaler Migration. Solange Deutschland und die EU ihren Zusagen einer gleichwertigen Kooperation nicht nachkommen, bleiben sie unglaubwürdig. Gewachsene, auch bilaterale Beziehungen sind entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Dabei ist mit Akteur*innen vor Ort und auf allen Ebenen in einen produktiven Austausch zu treten; insbesondere sind die transnationalen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Diaspora (auch „sechste Region“ Afrikas genannt) zu nutzen.

Zentrale Rolle von Migration und Mobilität

Es ist zentral über das Narrativ der Fluchtursachenminderung hinaus, reguläre Einwanderungsmöglichkeiten zu fördern, da der Fokus auf Migrationsrestriktion die Zusammenarbeit einerseits beeinträchtigt und Deutschland andererseits zunehmend auf Einwanderung, auch trotz der aktuellen Corona Krise, angewiesen sein wird. Der Policy Brief nennt eine Reihe von konkreten Ansatzpunkten wie den Ausbau von Ausbildungspartnerschaften oder von Programmen wie Erasmus, des Expert*innenaustausch und eine liberalere Visavergabe. Außerdem sind strukturelle Aspekte wie die Einbettung von Politiken in eine selbstbestimmte Transformation der Gesellschaften vor Ort als auch der Einsatz für weniger asymmetrische Handelsbeziehungen wegweisend.

Unsere Migrations- und Afrikaexpertin Susanne Schultz betont die Bedeutung, die Vielfalt und das immense Transformations- und Innovationspotenzial des afrikanischen Kontinents anzuerkennen. Dabei sei es dringend notwendig, Migration als einen positiven Teil der wirtschaftlichen Entwicklung und des gesellschaftlichen Wandels zu sehen. Die deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist eine Chance für Deutschland, weniger restriktionsfokussierte Themen voranzubringen und damit eine neue Ära der partnerschaftlichen Migrationszusammenarbeit einzuläuten.