Menschen von oben, als ob sie über einen Platz laufen

Erwerbsmigration aus Nicht-EU-Staaten steigt stark, Arbeitskräfteengpässe gleichbleibend hoch

Die Erwerbsmigration aus Ländern außerhalb der Europäischen Union nach Deutschland ist im letzten Jahr auf rund 70.000 Personen gestiegen. Ein Treiber dafür sind die Fachkräfteengpässe in den Unternehmen, die nach einer aktuellen Befragung mehr als zwei Drittel von ihnen betreffen.

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Paula Maria Abbate
Project Manager
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Ulrich Kober
Director

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In einer Umfrage des Meinungs- und Marktforschungsunternehmens CIVEY im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in der zweiten Jahreshälfte 2023 beklagten sieben von zehn Entscheider:innen (70,4 Prozent) Engpässe bei Fachkräften in ihren Unternehmen. Die Fachkräfteengpässe sind damit im Vergleich zu den vergangenen Jahren erstmals nicht weiter angestiegen und verbleiben im Vergleich zum Vorjahr mit 72,7 Prozent auf einem ähnlichen, insgesamt hohen Niveau. Der größte Bedarf besteht mit 56,1 Prozent bei Personen mit Berufsausbildung (2022: 58,2 Prozent), gefolgt mit 29,8 Prozent von Personen mit Hochschulabschluss (2022: 29,1 Prozent) und nur im geringen Maße mit 10,7 Prozent bei Personen ohne Berufsausbildung (2022: 13,4 Prozent). Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist am höchsten im Tourismus mit 91,4 Prozent der Unternehmen (2022: 71,5 Prozent), bei der Alten- und Krankenpflege mit 87,4 Prozent (2022: 83,7 Prozent) und im Bauwesen beziehungsweise Handwerk mit 75,7 Prozent (2022: 77,2 Prozent).

Erwerbsmigration aus Drittstaaten erreicht einen neuen Höchststand

Das Migrationsgeschehen im letzten Jahr wurde von den rund 1,1 Millionen Flüchtlingen, vor allem aus der Ukraine, dominiert. Zum Zwecke der Erwerbsarbeit in Deutschland reisten 2022 71.046 Personen aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland ein. Damit wird der bisherige Höchstwert von 64.219 Personen aus dem Jahr 2019 vor der Coronapandemie deutlich betroffen. Die Zahl der Zugewanderten aus anderen EU-Staaten ist in den letzten Jahren  erheblich zurückgegangen: von rund 685.000 in 2015 auf 469.000 in 2021, ein Trend, der sich mit 482.000 im letzten Jahr vorläufig nicht fortsetzt. Je stärker die für den Arbeitsmarkt in Deutschland wichtige EU-Erwerbsmigration zurückgeht, umso bedeutsamer ist der Anstieg bei den Erwerbsmigrant:innen aus Nicht-EU-Staaten. Diese verfügten mehrheitlich über einen Hochschulabschluss. 40 Prozent kamen aus europäischen Nicht-EU-Staaten, vor allem  vom Westbalkan, sowie 40 Prozent aus Asien, insbesondere aus der Türkei und Indien. Aus afrikanischen Staaten wanderten nur 6 Prozent der Erwerbsmigrant:innen ein.

Unternehmen halten sich weiterhin zurück bei der Anwerbung aus dem Ausland

Trotz der fortbestehenden ausgeprägten Fachkräfteengpässe in der Wirtschaft rekrutieren nur 16,8 Prozent der Unternehmen im Ausland. Das sind ähnlich viele wie in den vergangenen Jahren mit 17,1 Prozent in 2022 und 16,4 Prozent in 2021. Als Hauptgründe für diese  Zurückhaltung gelten unverändert sprachliche Verständigungsprobleme und die Schwierigkeit, ausländische Qualifikationen einzuschätzen. Rechtliche und bürokratische Hürden werden weniger als Hindernisse erfahren als in den Vorjahren.

Vermittlungsabkommen werden befürwortet

71,4 Prozent der Unternehmen in Deutschland wünschen sich mehr Unterstützung bei der Anwerbung von ausländischen Fachkräften in Gestalt von Vermittlungsabkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten. Am höchsten ist mit 61,4 Prozent die Befürwortung zur Vermittlung ausgebildeter Fachkräfte, die über die vergangenen Jahre leicht zunahm. „Das beachtliche Wachstum beim Zuzug internationaler Fachkräfte aus Ländern außerhalb der EU zeigt, dass staatliche Initiativen wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz langsam wirksam werden“, sagt Ulrich Kober, Experte für Integration und Migration bei der Bertelsmann Stiftung.

Paula Abbate, Autorin des Fachkräftemigrationsmonitors 2023 bei der Bertelsmann Stiftung, sieht das Potenzial internationaler Fachkräfte für Deutschland noch nicht ausgeschöpft: „Wenn internationale Kooperationen zur Fachkräftemigration beispielsweise mit transnationalen Skills Partnerships gemeinsam von Staat und Wirtschaft ausgebaut würden, könnten im besonders nachgefragten Qualifikationsbereich der beruflichen Ausbildung mehr Fachkräfte für Deutschland gewonnen werden. Dies ist auch im Interesse vieler Staaten im globalen Süden.“ Zusätzliche Erwerbspotenziale jenseits der gezielten Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, so Abbate, ergäben sich allerdings auch aus den anderen, im letzten Jahr stark genutzten Zuwanderungswegen wie der Bildungs-, Familien- und Fluchtmigration. So ergeben sich für Flüchtlinge mit absehbar langfristiger Aufenthaltsperspektive insbesondere Chancen für die Integration in Ausbildungsberufe in Deutschland.

Zusatzinformationen:
Der Fachkräftemigrationsmonitor 2023 analysiert die Zahlen zur Zu- und Abwanderung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausländerzentralregister für das Jahr 2022, die auf der Personenstatistik der Ausländerbehörden basieren. Zugleich erhebt er zum vierten Mal die Einschätzungen der Unternehmen zu Fachkräfteengpässen und Rekrutierungspraxis mittels einer Online-Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens CIVEY. Dafür befragte CIVEY zwischen August und Oktober 2023 rund 7.500 beziehungsweise 500 Entscheider:innen aus deutschen Unternehmen mit einer Größe von mindestens zehn Mitarbeitenden.