Corona-Virus im Inneren des Körpers

Corona-Virus im Inneren des Körpers

Expertenteam zieht Lehren aus der ersten Corona-Welle

Deutschland ist vergleichsweise gut durch die erste Welle der Corona-Pandemie gekommen – so ist zumindest die landläufige Meinung. Aber stimmt das wirklich? Wie gut haben die zentralen Versorgungsbereiche auf die Herausforderungen reagiert? Und welche Lehren sollten aus den Ereignissen der ersten Pandemiewelle für die zukünftige Gestaltung des Gesundheitswesens gezogen werden?

Diese Fragen haben vier renommierte Wissenschaftler:innen im Auftrag der Barmer Ersatzkasse, der Robert Bosch Stiftung und der Bertelsmann Stiftung bearbeitet. Prof. Ferdinand Gerlach und Prof. Gabriele Meyer gehören dem Sachverständigenrat Gesundheit an, Prof. Boris Augurzky und Prof. Reinhard Busse der Expertenkommission des Bundesgesundheitsministeriums zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Krankenhäuser. Zusammen haben sie das „Richtungspapier Corona“ (Download s.u.) geschrieben.

Öffentlicher Gesundheitsdienst und hausärztliche Versorgung müssen gestärkt werden

Zu den zentralen Erkenntnissen des Papiers gehört, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst materiell und personell gestärkt werden sollte, wie an vielen Beispielen ersichtlich. Er muss darüber hinaus auch besser mit der hausärztlichen Versorgung verzahnt werden. Zusammen haben beide Bereiche mengenmäßig den Großteil der Corona-Patientinnen und -Patienten betreut. 

Paradigmenwechsel in der Krankenhausplanung erforderlich

Die erfolgreiche Behandlung und Beatmung von schwerkranken COVID-19- Patientinnen und -Patienten erfolgt im Krankenhaus in der Regel in hochspezialisierten Einheiten. Die Pandemie bestätigt damit die Notwendigkeit einer Reform hin zu einer stärkeren Zentrenbildung sowie zu mehr Kooperation und Spezialisierung der Kliniklandschaft. Hierzu ist aus Sicht des Expertenteams die Entwicklung einer sektorenübergreifenden, bedarfs-, leistungs- und qualitätsorientierten Versorgungsstrukturplanung erforderlich. Die Krankenhäuser der Grundversorgung spielten während der ersten Welle in der Versorgung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Es gibt für sie jedoch mittel- bis langfristige Perspektiven als wohnortnahe integrierte Versorgungszentren.

Bundesweite Kriterien für Qualität und Vorhaltekapazitäten im Krankenhaus notwendig

Zu Beginn der Pandemie gab es keine tagesaktuelle Transparenz über die verfügbaren Intensivkapazitäten. Der schnelle Aufbau zusätzlicher Intensivbetten und Beatmungsplätze war deshalb wenig am regionalen Bedarf orientiert und nur mit sehr hohem Ressourceneinsatz realisierbar. Nach Meinung der Experten müssen regionale Vorhaltekapazitäten der Krankenhäuser mittelfristig nach bundesweit einheitlichen Vorgaben finanziert und die Planung stärker an die (Struktur-)Qualität der Kliniken gebunden werden.

Pflege muss weiterentwickelt und nachhaltig gestärkt werden

Der kritische Engpass in der ersten Welle der Pandemie waren nicht die Intensivbetten und auch nicht die Testkapazitäten. Es war der Faktor Personal, in der Ärzteschaft und insbesondere bei fachlich hoch qualifizierten Pflegekräften. Das Expertenteam plädiert auch deswegen dafür, erweiterte Kompetenzen für die Pflegeberufe zu schaffen. Hierzu bedarf es eines einheitlichen Heilberufegesetzes sowie eigenständiger vertrags- und vergütungsrechtlicher Grundlagen.

Die Corona-Krise zeigt: Daten helfen heilen

Durch die Pandemie hat die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen einen Schub erhalten. Das DIVI-Register für Intensivbetten hat die Steuerung des Kapazitätsausbaus entscheidend vorangebracht, Videosprechstunden waren alternative Konsultationsmöglichkeiten ohne Infektionsrisiko. Dieser Schub der Digitalisierung muss verstetigt werden. Aus Sicht der Wissenschaftler ist eine Verknüpfung von gesundheitsbezogenen Daten mit neuen digitalen Werkzeugen erforderlich, um die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu verbessern.

Expertentalk

Begleitet wurde die Veröffentlichung des Richtungspapiers durch einen Expertentalk, der im Livestream auf YouTube übertragen wurde und dort abrufbar ist.

Es diskutierten:
•    Prof. Dr. Boris Augurzky, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen
•    Prof. Dr. Reinhard Busse, Technische Universität Berlin
•    Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Goethe-Universität Frankfurt am Main
•    Prof. Dr. Gabriele Meyer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 
•    Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER
Moderation: Eva Quadbeck, Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)