Schematische Darstellung von 2 Köpfen: in einem ist ein Regenbogen zu sehen, in dem anderen ein Blitz

Der Bedarf an psychosozialer Versorgung von Schutzsuchenden ist groß und existenziell

Menschen, die ihr Land verlassen (müssen), sind oft psychischen Belastungen und psychosozialen Stressoren ausgesetzt. Einige haben traumatische Erfahrungen in ihrem Heimatland oder auf der Flucht gemacht. Auch das Ankommen in einem neuen Land verlangt emotional viel ab. Wie wichtig eine psychosoziale Begleitung und Versorgung ist, wird jedoch unterschätzt.  So können beispielsweise nicht behandelte Traumata bei Geflüchteten gravierende Auswirkungen auf Gesundheit, Lebensalltag und Arbeitsfähigkeit haben. Doch die Wartezeiten sind lang, der Bedarf an Beratungsstellen, Praxen, Fachkräften ist groß, die Kapazitäten sind knapp. In unserem Willkommen: Online Austausch - Psychosoziale Versorgung für Zugewanderte haben wir die gemeinnützige Organisation IPSO (International Psychosocial Organisation) vorgestellt sowie die Dachstelle für den Austausch und die Qualitätsentwicklung der Psychosozialen Zentren in Rheinland Pfalz.

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Maryam Gardisi, Managing Director von Ipso (International Psychosocial Organisation), berichtete von dem Beispiel einer Frau, mit der sie vor kurzem einen Gesprächstermin hatte. Diese traute sich nicht, die Gewalttätigkeit ihres Mannes zu erwähnen, sondern erfand immer neue Ausreden, weil sie Angst vor Konsequenzen hatte – allein zu sein mit den Kindern. Dies zeige, wie wichtig es ist, zuerst Vertrauen und Schutz aufzubauen und Mut zu machen, so Maryam Gardisi. IPSO wurde 2015/2016 aus Anlass der gestiegenen Fluchtzuwanderung gegründet. Beim IPSO-Value Based Counseling handelt es sich um eine Erstintervention, die vom Ansatz her eine niedrigschwellige und kultursensible „Brücke“ zwischen den Menschen mit Bedarfen und dem Hilfesystem ist. Eine Intervention erfolgt in der Regel in 3-5 Sessions. Es handelt sich um eine Vorbereitung auf Therapien (Stepped-Care) und folgt dem Prinzip der Prävention. Dies diene der Stabilisierung in Lebenskrisen, Förderung der Selbstwirksamkeit und der Resilienz, so Gardisi. IPSO arbeitet u. a. mit den Malteser Werken, dem Thüringer Sozialministerium zusammen und LAF Berlin. Bei letzterer Kooperation geht es um „IPSO-Care“ und die Arbeit in Unterkünften. Inzwischen werde auch auf die Hilfe von Apps zu Online Buchungen und Hilfe zur Selbsthilfe (saba app) genutzt. zur Präsentation

„Der Bedarf ist überall sehr hoch“, so auch Ulrike Bargon, Referentin der Dachstelle für den Austausch und die Qualitätsentwicklung der Psychosozialen Zentren (PSZ) in Rheinland-Pfalz. 48 Mitgliedszentren sind in der bundesweiten AG der Psychosozialen Zentren zusammengefasst und bilden seit bereits 35 Jahren ein Netzwerk. Die Ausstattung und Gestaltung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Psychosozialen Zentren verfolgen einen umfänglichen Ansatz: mit Krisenintervention, Psychotherapie und Supervision. Von Bedeutung ist auch der Aufenthaltsstatus. Denn, wer nur über eine Aufenthaltsgestattung verfügt, hat nur Anspruch auf eine eingeschränkte Versorgung. Strukturelle Barrieren für die gesundheitliche Versorgung Geflüchteter gibt es bei unzureichender Sprachmittlung, der Finanzierung und durch eingeschränkte Kapazitäten, so Ulrike Bargon. Zur Dachstelle Rheinland-Pfalz gehören sechs Psychosoziale Zentren, zu deren Aufgaben die regionale Vernetzung und Weiterentwicklung gehören. zur Präsentation 

Im anschließenden Austausch wurde einhellig betont, dass das psychosoziale Angebot niedriger als der Bedarf sei und die Versorgung somit nicht ausreichend. Daher könnten die beiden Ansätze der Psychotherapie einerseits und der niedrigschwelligen psychosozialen Hilfe als Erstintervention und eine Art Stepped-Care andererseits sich möglicherweise ergänzen. Vertrauensarbeit und damit der Abbau von Stigmata sei hier eine wichtige Grundlage, damit die Menschen rechtzeitig die Hilfe annehmen, die sie brauchen. Beunruhigt zeigten sich die Teilnehmenden über die geplanten finanziellen Kürzungen von Bund und Ländern.

Der nächste Online-Austausch von Bertelsmann Stiftung und Welcome Alliance (welcome-alliance.org) findet am Dienstag, 10. Dezember 2024, statt. Das Format wird auch künftig einmal pro Monat in der Mittagszeit, in der Regel von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr, angeboten.