Wie soll die Kinder- und Jugendhilfe der Zukunft aussehen, wenn sie die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen ernst nimmt, digitale Perspektiven für sich und ihre Klientel emanzipatorisch aufgreift, ihre Angebotsstrukturen weiterentwickelt und dennoch ihre bisherigen Werte und erfolgreichen (analogen) Formen wahrt?
Zu dieser Frage führen wir mit Fachkräften der Jugendhilfe und weiteren Expert:innen im Arbeitsfeld in den nächsten Wochen einen Beteiligungsprozess auf der Plattform Jugendhilfe.weiterdenken.online durch. Wir möchten nicht nur gemeinschaftlich Ideen, Perspektiven und Erfahrungswissen sammeln, sondern diese Erkenntnisse später in Form von thematischen Blaupausen oder Leitfäden für Akteure der Kinder- und Jugendhilfe verdichten.
Welche digitalen Kommunikations- und Zugangswege soll die Kinder- und Jugendhilfe der Zukunft erproben und ausbauen? Bevor wir uns dieser Leitfrage widmen, stellen wir zu Beginn drei – nicht weniger kleine - offene Eingangsfragen:
1. Welche Lehren aus der Corona-Krise können für die Digitalisierung der Kinder- und Jugendhilfe gezogen werden?
Die Corona-Krise hat die Kinder- und Jugendhilfe vor zahlreiche Herausforderungen gestellt und tut es auch heute noch. Besonders eindrücklich hat sich dies vor allem in Zeiten des Lockdowns gezeigt – diese Krise bietet daher auch einen ersten Anlass, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Wir möchten daher wissen: Wo hat die Digitalisierung neue Zugangs- und Kommunikationswege eröffnet, wo gibt es aber noch deutliche Bremsklötze und Handlungsbedarf?
2. Wie müssen die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe der Zukunft aufgestellt sein, um die Chancen der Digitalisierung besser wahrzunehmen?
Chancen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe werden häufig mit der Idee der Niedrigschwelligkeit versehen. Diese allerdings herzustellen ist gar nicht so einfach: Wie können Fachkräfte auf Distanz in Kontakt kommen und auch in Kontakt bleiben? Wie können wir einerseits Gefährdungen erkennen aber andererseits Bedarfe von Kindern, Jugendlichen und Familien ins Zentrum rücken? Wie müssen sich dabei auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe neu aufstellen und digital ausrichten? Oder ganz praktisch gefragt: Wie müsste etwa eine adäquate digitale Begleitung der Hilfen zur Erziehung aussehen? Wie können sichere Formen der Online- und Videoberatung flächendeckend etabliert werden? Oder Braucht es mehr digitale Lotsendienste in Zeiten der Krise?
3. Wenn wir die digitalen Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien ernst nehmen, wie müssen wir dann unsere Angebote neu ausrichten?
Die Digitalisierung unser aller Lebenswelten hat natürlich schon weit vor der Corona Krise begonnen. Junge Menschen unterscheiden kaum noch zwischen analogen und digitalen Welten. Wie kann und muss diese Selbstverständlichkeit in Angeboten der Jugendhilfe aufgegriffen werden? Wie könnte aufsuchende Arbeit in digitalen Welten aussehen? Braucht es mehr digitales Streetwork und virtuelle Hausbesuche? Wie müssen digitale Angebotsformate beschaffen sein, so dass wir sozial benachteiligte und schwer erreichbare Familien besser adressieren können? Und schließlich: Wie müssen wir digitale Teilhabe in der Jugendhilfe denken?
Wie geht es weiter?
Die erste Konsultationsphase zu diesen drei Eingangsfragen startet jetzt und läuft bis Ende des Jahres. Wir würden uns freuen, wenn so viele Fachkräfte und Akteure wie möglich ihr Wissen und ihre Ideen beisteuern.
In einer zweiten Phase wollen wir diese gemeinschaftlichen Erkenntnisse zu konkreten Blaupausen oder Leitfäden weiter entwickeln. Für verschiedene Handlungsanforderungen sollen die Blaupausen Antworten auf grundlegende Fragen geben: Wie müssen die Angebote vor Ort beschaffen und strukturell ausgestattet sein? Wie gelingt eine digitale Kollaboration von verschiedenen Fachkräften der Jugendhilfe? Wie bringen wir die Perspektive der Kinder, Jugendlichen und Familien in eine Neugestaltung von Angeboten mit ein? Und wie muss die (digitale) Jugendhilfelandschaft der Zukunft aussehen?
Zum Projekthintergrund
Diese Konsultation ist Teil einer Explorationsphase zu Fragen der Digitalisierung in den Sozialen Diensten, die wir im Rahmen der Weiterentwicklung unseres Projektes „Kein Kind zurücklassen“ in den nächsten Monaten durchführen.
Falls Sie über diesen Beteiligungsprozess weiter informiert bleiben möchten, melden Sie sich gerne bei uns oder registrieren sich als Teilnehmer:in auf der Beteiligungsplattform jugendhilfe.weiterdenken.online. Nach Abschluss der zweistufigen Konsultation werden wir die resultierenden Blaupausen allen Teilnehmenden und der Fachöffentlichkeit vorstellen. Die Plattform dient dabei allen Teilnehmenden auch dazu, sich den kollektiven Erkenntnisprozess zu vergegenwärtigen und immer weiter ergänzen zu können.
Über die Plattform
Im Rahmen dieses Projektes arbeiten wir mit dem Unternehmen Insights zusammen. Der Insights-Prozess ist als Beteiligungsverfahren und Konsultationsmethode radikal zugeschnitten auf eine bestimmte Form von Resultaten: Erkenntnisse. Mit dem Fokus auf Erkenntnisse unterscheidet sich ein Insights-Prozess deutlich von Meinungsumfragen und von Ansätzen direkter Demokratie, wo Menge und Anteil abgegebener Stimmen entscheidungsrelevant sind. Bei einem Insights-Prozess steuern Teilnehmende Teile eines Puzzles zur Lösung einer Aufgabenstellung oder eines Problems bei. Beteiligung geschieht hier im Modus der Mitwirkung bzw. der Kontribution.