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Immer mehr Familien nehmen Unterstützung bei der Erziehung ihrer Kinder in Anspruch

Auf allen Ebenen erleben wir heute andauernde und schnelle Veränderung - weltpolitisch, gesellschaftlich, beruflich und auch in den engsten menschlichen Beziehungen, der Familie.

Nicht nur, dass Familienmodelle heute unterschiedlich sind, von traditionell über Familien mit einem Elternteil bis hin zu Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern.  Auch die Anforderungen an den Einzelnen und die Familien steigen kontinuierlich. Wie möchte ich leben? In welchem Beruf wie lange arbeiten? Möchte ich Kinder und wenn ja, wie viele? Wie sind Kinder und Beruf zu vereinbaren? Was ist gut für meine Kinder? Kann ich überhaupt frei entscheiden, ob ich erwerbstätig bin, oder ist meine Berufstätigkeit existenziell für meine Familie? Wie viel Zeit und Kraft bleibt dann noch für meine Familie?

Diesen und vielen weiteren Fragen mehr müssen sich Eltern heute stellen, und die Antworten - insbesondere über die Medien vermittelt - sind zahlreich.

Wenn die eigene Kraft oder das eigene Netzwerk nicht ( mehr) ausreichen, um schwierige Erziehungsfragen zu meistern, haben Eltern ein gesetzlich verbrieftes Recht, vom Staat Unterstützung in Erziehungsfragen aber auch ganz konkrete praktische Hilfsangebote zu erhalten. Das Gesetz nennt viele Möglichkeiten, wie diese Hilfe gestaltet sein kann, doch diese Unterstützung kostet natürlich Geld. Geld, das von den Kommunen aufgebracht werden muss.

Insbesondere arme Kommunen sind im letzten Jahrzehnt zunehmend unter Druck geraten. Deutschlandweit werden die Ausgaben für die sogenannten "Hilfen zur Erziehung" in 2016 auf über 10 Mrd. Euro geschätzt. Die offiziellen Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor, aber eine Steigerung von knapp 2 Mrd. Euro seit 2014 ist leider nicht unwahrscheinlich.

Diese Zahlen werfen Fragen nach dem Grund auf: Was verursacht diese enormen Steigerungen? Worauf müssen kommunale Hilfsangebote reagieren, wenn Kinder und Jugendliche mit ihren Familien nachhaltig unterstützt werden sollen?

Es zeigt sich, dass Menschen in Armut häufiger Unterstützung brauchen als andere. Wer arm ist, traut sich selbst oft weniger zu. Ständige Ressourcenknappheit verursacht Stress. Auch sind arme Menschen belegbar häufiger krank. Zusätzliche Probleme führen dann schnell dazu, dass die eigenen Kräfte verbraucht sind und von anderer Seite Unterstützung kommen muss.

Um Kommunen und die Menschen, die dort leben, mit der Gestaltung hilfreicher Angebote nicht allein zu lassen, testet die Bertelsmann Stiftung in den acht Pilotkommunen Augsburg, Gelsenkirchen, Hamm, Ingolstadt, Ludwigshafen, Magdeburg, Moers und Osnabrück ein Instrument, das Aufschluss über die Gestaltung der Hilfeleistungen vor Ort gibt. Die sogenannte Strategiekarte Hilfen zur Erziehung erfasst die örtlichen Daten auf Basis der Anforderungen der Statistik, die auch das Jugendsozialgesetzbuch bei den Kommunen abfragt. Diese Informationen werden mit dem Anteil an armen Menschen, die Mittel aus dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) beziehen, verglichen.

Statistisch gesehen korreliert der SGB II-Bezug mit der Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung. Wenn die örtliche Entwicklung diesen Zusammenhang nicht aufweist, also die in Anspruch genommenen Hilfen in einem Stadtteil mit einer hohen Armutsquote niedriger sind als auf Grund des Zusammenhangs erwartet, ergeben sich daraus Fragen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendamt. Mit Hilfe der Strategiekarte Hilfen zur Erziehung können sie diesen nachgehen. Sind beispielsweise gute Kitas mit aktiver Elternarbeit der Grund für die geringe Zahl der Hilfen? Oder hat das zuständige Team im Jugendamt besonders erfolgreiche Arbeitsroutinen? Macht ein Wohlfahrtsverband eine speziell auf die in dem Stadtteil wohnenden Menschen zugeschnittene Arbeit? Oder lebt eine Gruppe von Menschen in dem Bezirk, die auf andere unterstützende Strukturen zurückgreifen?

Um diese und viele andere Aspekte im Jugendamt zielführend reflektieren zu können, liefert die Strategiekarte Hilfen zur Erziehung auf Basis der kommunalen Daten Ansatzpunkte und Interpretationshilfen. Die Jugendämter können nach eingehender Reflektion der eigenen Arbeit und der gesellschaftlichen Entwicklungen in der Kommune mit wichtigen Themen auf den Jugendhilfeausschuss und die Entscheider in Politik und Kommunalverwaltung zugehen. Diese Informationen, unterfüttert mit den erhobenen Daten und den inhaltlichen Schlussfolgerungen, können strategisch hilfreiche Entscheidungen im kommunalen Verwaltungsvorstand und im Rat befördern, so dass auf der Arbeitsebene die Hilfsangebote besser auf die Familien zugeschnitten werden können.