Autorinnen: Inge Michels und Angela Müncher
Unterschiedlicher hätten die beiden Schulen in der Region Krefeld, die bei Vielfalt fördern mitgemacht haben, kaum sein können: hier eine alteingesessene, familiär wirkende Realschule (Albert-Schweitzer-Realschule) mit einer langjährigen, erfahrenen Schulleiterin und einem sportlich- naturwissenschaftlichem Profil; dort eine neu gegründete, sich im Aufbau befindende Gesamtschule (Gesamtschule Uerdingen), deren Schulleiterin die Themen Nachhaltigkeit und Inklusion nach vorne bringen möchte.
Entsprechend individuell gestalteten beide Schulen ihre Prozesse. Dabei waren sie insbesondere davon begeistert, eine ganz eigene, schulspezifische Entwicklung einschlagen zu können. Wodurch das gelang? Insbesondere durch die gute Abstimmung zwischen Moderatorenteam und Steuergruppe und zwischen Steuergruppe und Schulleitung. So konnten Prozesse tatsächlich implementiert werden.
Viel Bewegung in der Schullandschaft
Dass sich in Krefeld lediglich zwei Kollegien mit 2/3-Mehrheit für die Teilnahme an der Fortbildung entschieden, verwunderte allerdings. Im Vorfeld entstand vielmehr der Eindruck, dass das Interesse auffallend hoch sei. Dazu trug auch die sehr erfolgreiche und stark nachgefragte Auftaktveranstaltung mit allen Schulleitungen im Raum Krefeld bei. Zehn Orientierungsworkshops wurden anschließend in Krefeld organisiert – ein Zeichen dafür, dass zunächst ein hohes Interesse insbesondere der Schulleitungen bestand.
Die Region Krefeld galt durch das Projekt Selbstständige Schule mit vielen engagierten Akteuren als prädestiniert für Vielfalt fördern. In der Vergangenheit hatte das regionale Bildungsbüro eine umfangreiche Expertise zur Steuergruppenqualifikation aufgebaut, die im Projekt Selbstständige Schule zum Aufbau von Steuergruppen genutzt wurde. Ideale Voraussetzungen für Vielfalt fördern, dachte man. Ein Grund für den Rückzug mancher Schulen lag schnell auf dem Tisch: Viele Gymnasien hätten gern bei Vielfalt fördern mitgemacht. Dem schob der Hauptpersonalrat noch während des Bewerbungsprozesses jedoch einen Riegel vor.
Im Gespräch entspann sich ein reger Diskurs über Fortbildungen, Schulentwicklung sowie tatsächliche und gefühlte Belastungen. Hier kristallisierte sich ein Phänomen heraus, das zu einer gewissen Fortbildungsmüdigkeit geführt haben könnte. Daran beteiligt waren:
- Ann-Kathrin Kamber (Schulaufsicht Krefeld und Leitung des Kompetenzteams)
- Rolf Aalbers (ehemaliger Co-Leiter des Kompetenzteams und Projektkoordinator für Vielfalt fördern)
- Mandy Weidner (Co-Leitung des Kompetenzteams, ehemalige Sprecherin der Moderatorengruppe)
- Katrin Weisker (Leiterin des Bildungsbüros und Schulentwicklungsberaterin)
- Kira Preen (ehemalige pädagogische Mitarbeiterin im Bildungsbüro)
Das Gespräch zeigte, dass sich in Krefeld etwas konzentriert, was die Schullandschaften landesweit, wenn nicht sogar bundesweit prägt: Auflösung bzw. Rückgang von Haupt- und Realschulen, Zunahme an Gemeinschaftsschul-Modellen, Umsetzung der Inklusion, unbesetzte Stellen, hohe Belastung der Lehrkräfte. Konkret laufen in Krefeld alle Hauptschulen und zwei Realschulen aus, eine Gesamtschule wurde 2013 neu gegründet, eine weitere kommt hinzu. Insgesamt also eine unruhige Zeit, in der sich die Schulleitungen und Kollegien in Krefeld besonders gut überlegten, ob sie in eine anspruchsvolle zweijährige Fortbildung einsteigen sollen.
Schulentwicklung – eine Herausforderung
Man sieht also: Schulen beim Schulentwicklungsprozess unterstützen – ein tolles Angebot, das Schulen dankbar entgegennehmen? Nicht unbedingt. Schulentwicklungsprozesse sind zwar lohnend, aber eben auch fordernd. Vor dem Hintergrund anspruchsvoller Zeiten mit Umbrüchen in der Schullandschaft, auslaufenden Haupt- und Realschulen und unbesetzten Stellen überlegen sich die Kollegien genau, was sie angehen wollen und was nicht. Häufig erhoffen sie sich schnelle Hilfe oder wünschen sich, wie Katrin Weisker vom regionalen Bildungsbüro es ausdrückt, eher ein Medikament als eine Therapie.
Gerade langfristige Programme sind zwar als Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen konzipiert, können jedoch – vor dem Hintergrund von Unruhe und Instabilität einerseits sowie gefühlter und tatsächlicher Überforderung andererseits – abschreckend wirken, wenn Ansätze erst vom Kollegium selbst ausgestaltet werden müssen und Handwerkszeug nicht schnell genug greifbar wird. Dieser symptomatische Wunsch nach sofort einsetzbarem Handwerkszeug passt dann nicht zu komplexen, den vertrauten Kosmos Schule womöglich verändernden Programmen.
So entsteht eine paradoxe Situation: Unterstützende Angebote werden vor dem skizzierten Hintergrund als zusätzliche Belastung wahrgenommen. Ann- Kathrin Kamber erläutert: "Es ist definitiv eine Bereitschaft da, aber die Aufgaben, die Schule im Moment erfüllen muss, sind so vielfältig und die Kollegien sind vor so viele Herausforderungen gestellt, dass sie im Moment so ein bisschen im Eigensaft braten, wenig Unterstützung von außen annehmen und diese einfach als zusätzliche Belastung empfinden." Der ehemalige Co-Leiter Rolf Aalbers plädiert gerade deshalb für umfangreichere Fortbildungen. Er argumentiert: "Wenn wir einzelne Kolleginnen und Kollegen Individualfortbildung anbieten, wissen wir nicht, ob die Inhalte in das Kollegium eingebracht werden oder nicht. Unser Bestreben ist deshalb, Kontingente, also größere Gruppen der Schule, im Team weiterzubilden und dort das Know- how zu platzieren. Das ist wesentlich fruchtbarer und reichhaltiger."
Entlastung bringen Teams, starke Schulleitungen und gute Steuergruppen
Das Arbeiten in Teams nehmen die Albert-Schweitzer-Realschule und die Gesamtschule Uerdingen als entlastend und inspirierend war. Dort haben die Lehrkräfte deutlich von den Arbeitsphasen innerhalb der Fortbildung profitiert, die es ihnen ermöglichten, gemeinsam schulspezifische Schwerpunkte festzulegen und daran zu arbeiten. Die beiden Schulleiterinnen Christa Lunkenheimer (Realschule) und Brigitte Munsch (Gesamtschule) äußerten sich gemeinsam vor der lokalen Presse:
"Die Relevanz der Module für die Schulentwicklung und die Möglichkeit, sie mit den Bedürfnissen der Schule abzustimmen und von außen zwei Jahre lang begleiten zu lassen, machen diese Fortbildung so wertvoll."
Doch bevor diese positiven Erfahrungen in Routinen münden können, braucht eine Schulgemeinschaft einen langen Atem – und eine Schulleitung, die in diesem Punkt ihre Führungsverantwortung erkennt und wahrnimmt; außerdem eine Steuergruppe, die gut durch den Prozess navigiert und zwischen dem Kollegium auf der einen und den Moderatoren auf der anderen Seite vermittelt.
Nur mit organisierten Kommunikationsflüssen und mit Teamstrukturen – für Rolf Aalbers der Zauberbegriff bei Unterrichtsentwicklung –, die von der Schulleitung gewollt und beharrlich eingeführt und mit den notwendigen Bedingungen gerahmt werden, kann Entlastung gelingen. Mandy Weidner: "Das ist eine starke Leitungs- und Führungsaufgabe." Und sie ergänzt: "Im Prozess liegt die Verantwortung dafür, dass alles implementiert wird, bei der Steuergruppe. Die Zusammenarbeit zwischen Steuergruppe und Schulleitung muss dann ganz eng sein, damit die Dinge auch bleiben und weiter fortgeführt werden." So eng, da sind sich alle Beteiligten einig, muss die Zusammenarbeit von Steuergruppe und Moderatoren sein, damit die Erwartungen des Kollegiums und das Fortbildungskonzept im Prozess immer wieder neu aufeinander abgestimmt werden können.
Schulleitungen brauchen eine Vision von guter Schule und gutem Unterricht. Der Weg dahin kann in einem Fortbildungskonzept liegen, das mehr ist als eine Aneinanderreihung von Einzelveranstaltungen. Um als Kompetenzteam Schulen zum richtigen Angebot aus den Landesmaßnahmen zu führen, brauchen die Fachkräfte dort Antworten auf die Frage: Wo wollt ihr hin? Wenn klar ist, welche Entwicklung eine Schule gehen oder welche Richtung sie neu einschlagen möchte, kann gemeinsam mit der Schule überlegt werden, welche Qualifikationen dazu passen und wie Kompetenzteam und Bildungsbüro unterstützen können.
Vielfalt fördern geht weiter
Viel Schwung für Vielfalt fördern in Krefeld erwartet der Gesprächskreis von der Ausweitung des Programms auf die Krefelder Grundschulen. Außerdem wird die Region die Erfahrungen der Albert- Schweitzer-Realschule und der Gesamtschule Uerdingen reflektieren. In einem Austauschtreffen mit Mitgliedern der Steuergruppen beider Schulen soll eruiert werden, aus welchen Erfahrungen auch andere Schulen lernen könnten – und was die Schulen empfehlen würden, wenn Kolleginnen und Kollegen neu mit dem Projekt starten. Mandy Weidner vom Kompetenzteam erläutert: "Wir laden zwei Vertreter beider Steuergruppen der Schulen plus einen Moderator ein und hören uns die Erfahrungen und Bedarfe an. Dann bündeln wir diese Informationen für interessierte Schulen unter der Fragestellung: Was kann man optimieren, um die Arbeit noch erfolgreicher zu gestalten?" Für die Grundschulen der Region ist damit der Boden für Vielfalt fördern bestens vorbereitet.
Bleibt die Frage: Wie begegnet man in Krefeld dem Belastungsgefühl von Lehrerinnen und Lehrern? Kompetenzteam und das regionale Bildungsbüro haben entschieden, weitere Gesprächsrunden für Schulleitungen anzubieten, die bisher schon gerne wahrgenommen werden. Themen, die dort zur Sprache kommen, werden ernst genommen und daraufhin betrachtet, welche Unterstützung hilfreich sein könnte. Auch den Mitgliedern schulischer Steuergruppen sollen Austauschtreffen angeboten werden. Perspektivisch haben sich Kompetenzteam und regionales Bildungsbüro außerdem vorgenommen, die Steuergruppen in ihrer Arbeit stärker zu begleiten und vom Finden bis zum Implementieren von Fortbildung intensiver zu unterstützen.