Die demografische Entwicklung Deutschlands ist nicht nur von Geburten und Sterbefällen geprägt. Wanderungen – also Zu- und Fortzüge über Ländergrenzen (Außenwanderungen) oder innerhalb Deutschlands (Binnenwanderungen) – sind ein entscheidender Faktor. Das zeigt die sogenannte „Nullvariante“ – ein theoretisches Konstrukt, bei dem die Bevölkerungsentwicklung ausschließlich auf Basis der Altersstruktur, Geburten und Sterbefälle betrachtet wird. Eine Prognose ohne Migration würde danach einen Bevölkerungsrückgang von über acht Prozent bis 2040 bundesweit ergeben. In einzelnen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt wären es sogar fast 18 Prozent.

© Jürgen Fälchle - stock.adobe.com
Wanderungsbewegungen als Motor demografischer Entwicklung
Wanderungen spielen eine zentrale Rolle für die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Analyse der Bertelsmann Stiftung zeigt: Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung deutlich schrumpfen. Besonders ländliche Räume gewinnen durch neue Wanderungstrends an Bedeutung – nicht zuletzt ausgelöst durch die Coronapandemie.
Inhalt
Wanderungen entscheiden über Wachstum oder Rückgang
Zuwanderung gleicht also nicht nur den Rückgang durch mehr Sterbefälle als Geburten aus, sondern kann auch Wachstum ermöglichen. Besonders deutlich wurde dies in den Jahren 2015/16 mit Geflüchteten vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan und 2022 aus der Ukraine.
Außenwanderungen: Mehr Menschen, neue Muster
Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland zuziehen, ist in den letzten 30 Jahren deutlich gestiegen – vor allem seit 2010. Dabei hat sich nicht nur das Volumen, sondern auch die Struktur verändert: Zuwandernde sind heute häufiger Familien mit Kindern oder auch ältere Menschen. Die klassische Vorstellung vom jungen, alleinstehenden Arbeitsmigranten ist nur noch ein Teil des Bildes.
Zudem ist die Verteilung auf die Bundesländer ausgeglichener geworden. Früher gab es große Unterschiede – heute profitieren fast alle Regionen von Zuwanderung, besonders aber Großstädte. Sie verzeichnen die höchsten sogenannten Nettowanderungsraten (das ist der Saldo aus Zuzügen und Fortzügen pro 1.000 Einwohner:innen).
Erwerbsmigration bildet nur einen Teil der Außenwanderungen ab – Bildungsmigration, Familienmigration, Flüchtlingsmigration weisen unterschiedliche Muster auf und wirken sich auf die Altersstruktur und die regionale Verteilung in den Kommunen aus.
Petra Klug, Senior Projekt Managerin Bertelsmann Stiftung
Binnenwanderungen: Stabil, aber mit Bewegungspotenzial
Im Vergleich zu den Außenwanderungen verlaufen die Wanderungen innerhalb Deutschlands ruhiger. Besonders junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren wechseln oft ihren Wohnort – meist wegen Ausbildung, Studium oder Arbeitsplatz. Diese Altersgruppe ist der Hauptmotor der Binnenwanderung.
Ein auffälliger Trend: Während Deutsche seltener über Bundeslandgrenzen hinweg umziehen, steigt die Mobilität bei Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Insgesamt bleibt die Zahl der Binnenwanderungen dadurch recht konstant – doch die Zusammensetzung ändert sich.
Nordrhein-Westfalen: Ländliche Räume holen auf
Ein Schwerpunkt der Analyse liegt auf Nordrhein-Westfalen. Dort zeigt sich besonders deutlich: In den letzten Jahren haben viele ländliche Regionen an Attraktivität gewonnen. Kreise wie Euskirchen oder Steinfurt verbuchen teils deutlich positive Wanderungsbilanzen.
Ein Treiber dieses Trends ist die Coronapandemie. Neben angespannten Wohnungsmärkten und höheren Lebenskosten vor allem in den Zentren hat diese besondere Situation während der Pandemie viele Menschen dazu gebracht, ihre Wohnbedürfnisse neu zu überdenken. Mehr Platz, Natur und Homeoffice-Möglichkeiten lassen das Leben außerhalb der Großstadt attraktiver erscheinen. Zwar sind Großstädte weiterhin beliebt, doch gleichzeitig steigen die Fortzüge ins Umland oder in ländliche Gebiete.
Bevölkerungspolitik braucht gute Daten
Die Ergebnisse zeigen: Migration – egal ob innerhalb oder von außen nach Deutschland – ist eine Schlüsselgröße für demografische Entwicklung. Ohne Zuwanderung würden viele Kommunen an Bevölkerung verlieren. Gerade ländliche Regionen können profitieren, wenn sie sich als attraktiver Wohnort positionieren.
Für Politik und Verwaltung sind solche Analysen deshalb unerlässlich. Sie ermöglichen es, Infrastruktur, Wohnungsbau und soziale Angebote vorausschauend zu planen – basierend auf realistischen Prognosen und differenzierten regionalen Entwicklungen. In unserem Portal Wegweiser Kommunen sind vielfältige Indikatoren zur Bevölkerungsentwicklung für alle Kommunen in Zeitreihen und als Prognose abrufbar und können solche Analysen unterstützen.