Die aktuelle Debatte um den „Grexit“ zeigt, dass der Euro-Raum nicht ausreichend für Krisen gerüstet ist. Der „Fünf-Präsidenten-Bericht“ macht neue Vorschläge, um die Währungsunion langfristig zu stärken. In zwei Policy-Papieren und einem hochrangig besetzten Workshop nehmen wir uns den Bericht vor.
Am 22. Juni 2015 haben die Präsidenten der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, dem Europäischen Rat und der Euro-Gruppe Vorschläge vorgelegt, wie die bislang unfertige Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Voll-Währungsunion ausgestaltet werden soll.
Die Veröffentlichung des Berichts wird überschattet vom griechischen Schuldendrama, das die Grundfesten der Währungsunion infrage stellt. Welche Vorschläge macht der Bericht? Wie sind diese zu bewerten? Und was sind die Aussichten für institutionelle Reformen in Zeiten eines möglichen „Grexit“?
Die Bertelsmann Stiftung und das Jacques Delors Institut – Berlin haben dazu im Rahmen des Kooperationsprojekts „Repair and Prepare: Strengthening the euro“ zwei Policy Paper veröffentlicht und einen hochrangig besetzten Workshop in Berlin veranstaltet.
"Ein smarter Bericht"
Die sich täglich verschärfende Krise um die griechischen Schulden und einen möglichen „Grexit“ – dem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion – verlangt derzeit den Euro-Ländern viel ab. Hinzu kommt, dass in den meisten Mitgliedstaaten wenig Bereitschaft für weitreichende Euro-Reformen oder gar eine Änderung der EU-Verträge herrscht.
Angesichts der derzeitigen politischen Situation ist der Bericht deshalb klug formuliert, so die Autoren des Policy Paper „A Smart Move: Why the Five Presidents‘ Report is cautious on substance and ambitious on process“.
Die Vorschlagsliste der fünf Präsidenten umfasst Reformen in vier Bereichen:
- Wirtschaftsunion: mehr wirtschaftliche Konvergenz durch Strukturreformen;
- Finanzunion: Vollendung der Bankenunion und Kapitalmarktunion;
- Fiskalunion: Einführung eines Ausgleichsmechanismus, um Schocks auf nationale öffentliche Haushalte zukünftig besser abzufangen
- Politische Union: Stärkung der parlamentarischen Aufsicht und Einführung eines Europäischen Schatzamtes.
Der Bericht wird dort besonders konkret, wo bereits Vorschläge vorliegen, und hält sich bedeckt bei Themen, zu denen es bisher keinen Konsens innerhalb der Eurozone gibt. Das wohl wichtigste Element des Berichts ist sein drei-stufiger Fahrplan, der den institutionellen Reformen eine klare Struktur gibt und kurzfristige Maßnahmen in eine langfristige Agenda einbettet.
Was passiert nun mit den Reformvorschlägen?
In den letzten Jahren gab es immer wieder Vorschläge zur Vollendung der Währungsunion. Dazu gehörte der vom ehemaligen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy koordinierte Vier-Präsidenten-Bericht ebenso wie ein Konzept der EU-Kommission für eine „tiefe und echte“ Währungsunion. Vorherige Reformpläne landeten jedoch schnell in den Schubladen der Politik.
Was nun mit dem Fünf-Präsidenten-Bericht passiert, hängt zunächst mit dem Ausgang der griechischen Schuldenkrise zusammen. Darüber hinaus muss vor allem die Zeit bis 2017 – die erste Stufe des vorgeschlagenen Reformfahrplans – sinnvoll genutzt werden, damit der Bericht in konkrete Reformvorhaben umgesetzt werden. Das flashlight europe „Waiting for the Five Presidents‘ Report on the Future of the Monetary Union: What do we need to know?” kommt zu dem Schluss, dass die Europäische Kommission jetzt umsichtig vorgehen muss, um die Mitgliedstaaten für ihre Reformvorhaben zu gewinnen.
Mit der Frage, welches die nächsten Schritte nach der Veröffentlichung des Fünf-Präsidenten-Berichts sind, beschäftigte sich auch ein hochkarätig besetzter Workshop, den die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem Jacques Delors Institut – Berlin und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland am 7. Juli in Berlin durchgeführt hat.
Die Arbeit zum Fünf-Präsidenten-Bericht ist Teil eines größeren Projekts, das die Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Jacques Delors Institut – Berlin durchführt: