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Europäer:innen verlangen entschlossenes Vorgehen gegen Desinformationen im Internet

Mehr als die Hälfte der EU-Bürger:innen zweifelt am Wahrheitsgehalt von Informationen aus dem Netz. Falsche Inhalte zu erkennen und aktiv dagegen vorzugehen, fällt den Menschen leichter, die jung und gebildet sind. Im Einsatz gegen Desinformationen sehen fast neun von zehn Europäer:innen sowohl Tech-Unternehmen als auch die Politik in der Pflicht. 

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Cathleen Berger
Senior Expert
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Dr. Kai Unzicker
Senior Project Manager

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Die Menschen in der EU erwarten größere Anstrengungen im Kampf gegen die vorsätzliche Verbreitung unwahrer und gefälschter Inhalte im Internet. 85 Prozent der EU-Bürger:innen sind der Meinung, dass die Politik mehr gegen die Verbreitung von Desinformationen unternehmen sollte. Von den Betreiberfirmen sozialer Plattformen fordern sogar 89 Prozent einen größeren Einsatz. Der Wunsch nach einem stärkeren Eingreifen geht einher mit einem deutlich erkennbaren Problembewusstsein der EU-Bürger:innen. Das zeigt eine neue Studie aus unserem Projekt "Upgrade Democracy". Demnach ist mehr als jede:r zweite Befragte häufig oder sehr häufig unsicher, ob Informationen aus dem Internet wahr sind (54 Prozent). Desinformationen bewusst wahrgenommen zu haben, geben 39 Prozent an. 

"Verlässliche Informationen sind die Grundlage für eine fundierte Meinungsbildung und damit für den demokratischen Diskurs. Die Menschen in Europa verspüren eine große Unsicherheit darüber, welchen digitalen Inhalten sie noch vertrauen können und welche absichtlich manipuliert worden sind. Wer die Demokratie schützen und stärken möchte, darf die Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit Desinformation nicht allein lassen", sagt Kai Unzicker, Autor der Studie und Experte unserer Stiftung für Demokratie und Zusammenhalt. 

Verlässliche Informationen sind die Grundlage für eine fundierte Meinungsbildung und damit für den demokratischen Diskurs.

Kai Unzicker, Autor der Studie und Experte der Bertelsmann Stiftung für Demokratie und Zusammenhalt

Jüngere und gebildete Menschen gehen aktiver mit Falschinformationen um

Die Notwendigkeit zum Handeln spiegelt sich in den Befragungsdaten: Weniger als die Hälfte der Europäer:innen haben nach eigener Angabe schon einmal eine Information aus dem Internet überprüft (44 Prozent). Noch weniger melden Falschinformationen oder weisen andere darauf hin (22 Prozent). Allerdings spielt das Alter eine Rolle: Je jünger und gebildeter die Befragten sind, desto aktiver setzen sie sich mit dem Wahrheitsgehalt von Informationen auseinander und gehen gegen Desinformationen vor. "Die Möglichkeiten, falsche Informationen zu erkennen und zu stoppen, dürfen nicht vom Alter und Bildungsgrad abhängen", so Unzicker. 

Was die Studie von "Upgrade Democracy" auch zeigt: Je mehr Social-Media-Kanäle die Befragten regelmäßig nutzen, desto häufiger nehmen sie Desinformationen wahr. Im Vergleich der Plattformen fällt auf, dass die Nutzer:innen auf Twitter und Telegram besonders oft falsche Informationen registrieren und diese häufiger melden. Hinsichtlich der Auswirkungen von sozialen Medien auf die Demokratie sind sich die Europäer:innen unschlüssig: Während 30 Prozent der Befragten eher Nachteile und 28 Prozent eher Vorteile erwarten, rechnen 42 Prozent sowohl mit negativen als auch mit positiven Folgen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Ländern. Kritische Haltungen überwiegen in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland; deutlich positiver schätzen die Menschen in Polen den Einfluss von Social Media auf die Demokratie ein.

Regulierung von oben, Kompetenzaufbau von unten

Angesichts der Befragungsergebnisse empfehlen wir, in Deutschland und Europa das systematische Monitoring durch unabhängige Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen auf- und auszubauen, um Desinformationen besser zu entdecken und zu kennzeichnen. 

Mit Spannung werden daher die Transparenzberichte erwartet, welche die großen Social-Media-Anbieter im Zuge der Umsetzung des Digital Services Act (DSA) der EU Ende August vorzulegen haben. "Für den Einsatz gegen Desinformationen müssen viele Räder ineinandergreifen. Neben einer Regulierung von oben braucht es einen Kompetenzaufbau von unten", betont Cathleen Berger, Expertin unserer Stiftung für Digitalpolitik. Es müsse gelingen, die Bevölkerung in der Breite stärker auf die Risiken von Desinformationen aufmerksam zu machen. Zugleich gelte es, Menschen aller Generationen so zu befähigen, dass sie Nachrichten und Medieninhalte besser überprüfen und einordnen können. Denn laut Befragung steigt die Bereitschaft der Menschen, aktiv gegen Desinformation vorzugehen, wenn sie diese erkennen.  

Um die Gesellschaft beim Umgang mit Desinformationen zu unterstützen, haben wir in diesem Jahr "Upgrade Democracy" gestartet. Das Projekt stellt zum einen Ideen und Initiativen vor, die Desinformation und Manipulation auf sozialen Medien erfolgreich begegnen und entschärfen. Zudem setzt es sich mit neuen Technologien und Methoden auseinander, die dazu beitragen können, faire und lebendige politische Diskurse zu fördern. ​