eine Gruppe von geflüchteten Menschen sitzt auf einem Steg am Ufer eines Sees

„Der Schlüssel ist eine funktionierende Mentor:innen-Gruppe“

Wir setzen unseren Online-Austausch mit der Vorstellung des Programms „Neustart im Team“ (NesT) fort, das im Kern auf Mentor:innen für Geflüchtete setzt. Mit „NesT“ werden die bisherigen Aufnahmemöglichkeiten über legale und sichere Zugangswege ergänzt, so dass sich nun auch zivilgesellschaftliche Akteure wie Gruppen engagierter Bürger oder Kirchengemeinden aktiv um die Aufnahme und Integration besonders schutzbedürftiger, anerkannter Flüchtlinge bewerben können. Im Rahmen des Aufnahmeprogramms, das sich am kanadischen „Private Sponsorship“ und dem britischen „Community Sponsorship“ orientiert, können in den nächsten drei Jahren bis 2025 bis zu 700 Personen zusätzlich in Deutschland aufgenommen werden, sofern sich ausreichend Mentor:innen-Gruppen finden. Mentor:innen unterstützen die Flüchtlinge dabei von Anfang an für ein Jahr lang finanziell und praktisch, sich beruflich und gesellschaftlich in Deutschland zu integrieren. Doris Dickel vom Arbeitsstab der Bundesintegrationsbeauftragten führte im Rahmen unseres kommunalen Fachaustausches zu diesem Thema ein. Die Entwicklung von NesT präsentierte Axel Rolfsmeier, evang. Kirche in Westfalen. Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung berichtete aus den eigenen Erfahrungen seiner Mentor:innen-Gruppe in Bielefeld.

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Das staatlich-zivilgesellschaftliche Programm zur Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen NesT wurde 2019 mit finanzieller Unterstützung einiger Stiftungen wie der Bertelsmann-Stiftung als Pilot gestartet und Anfang 2023 verstetigt. Bereits bei der Konzeptionierung haben Staat, UNHCR, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Stiftungen zusammengearbeitet und auch die Umsetzung erfolgt gemeinsam und auf Augenhöhe. Programmverantwortlich sind das Bundesinnenministerium (BMI), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie die Bundesintegrationsbeauftragte. Für die Programmdurchführung wurde die Zivilgesellschaftliche Kontaktstelle (ZKS) geschaffen. „Das Herzstück von NesT sind die Mentor:inen-Gruppen“, so Doris Dickel vom Arbeitsstab der Bundesintegrationsbeauftragten. „Die Mentor:innen begleiten die Flüchtlinge von Anfang an“. NesT ist Teil des EU-Resettlement-Programms, das für besonders Schutzbedürftige besteht, die nicht zurück in ihr Herkunftsland können und auch in ihrem Erstaufnahmestaat nicht sicher sind. Der UNHCR prüft in den Erstaufnahmeländern anhand festgelegter Kriterien den besonderen Schutzbedarf und schlägt den deutschen Behörden die Flüchtlinge zur Aufnahme vor. Das BAMF und die Sicherheitsbehörden entscheiden über die Aufnahme, so dass die Flüchtlinge nach ihrer Einreise nach Deutschland kein Asylverfahren durchlaufen müssen, sondern eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten, die zu einem dauerhaften Aufenthaltsrecht verlängert werden kann. Sie haben zudem Anspruch auf Sozialleistungen und Zugang zu einem Integrationskurs von Anfang an.

„Es braucht unterschiedliche Talente, um Flüchtlinge zu begleiten“, so Axel Rolfsmeier von der evangelischen Kirche im Rheinland und der ZKS. Hierzu gehören beispielsweise pädagogisches Geschick, Kontakte in die Verwaltung oder Kenntnisse zum Thema Arbeitsmarkt. Diese Talente können in einer Gruppe zusammengebracht werden, so Rolfsmeier. Eine Gruppe besteht aus mindestens vier Personen. Die Mentor:innen werden durch ein Schulungskonzept unterstützt, beispielsweise durch Schulungen zum Thema „Nähe und Distanz im Ehrenamt“ oder „Umgang mit Traumata“. Die Mentor:innen-Gruppe organisiert eine Wohnung, bevor die geflüchtete Familie oder Gruppe nach Deutschland kommt und finanziert die Nettokaltmiete für ein Jahr. Die Wohnungen werden über die Kommune, die Zivilgesellschaft, über private Familien oder über den privaten Wohnungsmarkt gefunden, auch wenn das nicht einfach ist. Doch mit kreativen Ideen und guten Netzwerk-Kontakten finden die Mentor:innen-Gruppen meistens gute Lösungswege. 

Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung berichtet von der Bielefelder Mentor:innengruppe, die aus 10 Personen besteht, an der er und ein weiterer Kollege beteiligt sind. Die Gruppe begleitet eine Familie aus dem Südsudan. Das Matching zwischen Flüchtlingen und Gruppe kann man sich nicht aussuchen, erfolgt aber nach zuvor angegebenen Präferenzen. „Der Schlüssel ist eine funktionierende Mentorengruppe“, so Ulrich Kober. „Die Ämtergänge sind das Aufwändigste,“ schildert er die Erfahrungen der Gruppe, „doch die Kommune hat uns Türen geöffnet.“ Anfangs hat die Mentor:innengruppe einen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld geschrieben, der mit Wohlwollen und konkreter Unterstützung beantwortet wurde. Wichtig sei auch die Vernetzung mit starken zivilgesellschaftlichen Akteuren. Sein Fazit: „Man braucht einen langen Atem“. Es gebe auch viele Schwierigkeiten, aber insgesamt seien die Erfahrungen von Mentor:innen und Geflüchteten sehr beglückend, beispielsweise: „Wenn die Kinder glücklich aus dem Kindergarten kommen, dann wissen wir, es hat sich gelohnt.“

Der anschließende Austausch machte deutlich, dass Kommunen durch das NesT Programm sogar entlastet werden, da ja Menschen mit Perspektiven kommen und da die Mentor:innengruppen viel Arbeit übernehmen. Doch die Kommunen sind wichtig, um Türen zu öffnen. Wichtig sei auch eine gute Vernetzung vor Ort: mit Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und Initiativen z.B. im Kultur- oder Sportbereich. Einigkeit bestand darin, dass Patenschaften eine hohe Wirksamkeit haben. Weitere Informationen zum Programm finden Sie unter www.neustartimteam.de.

Der nächste Online-Austausch von Bertelsmann Stiftung und Welcome Alliance (welcome-alliance.org) findet am 20. Juni statt. Das Format wird einmal pro Monat, dienstags in der Mittagszeit, in der Regel von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr angeboten.

Weitere Infoswww.willkommen-in-kommunen.de