Unterschiedliche Frauen, die zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen, Feminismus und Frauentagskonzept

Gleichstellung am Arbeitsmarkt?

Aktuelle Herausforderungen und Potenziale von Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland 

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Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland ist mit knapp 78 Prozent im europäischen Vergleich eine der höchsten. Da jedoch fast die Hälfte aller 20- bis 64-jährigen Frauen (48 Prozent) in Teilzeit arbeitet, ist ihre tatsächliche Erwerbsstundenzahl vergleichsweise gering. Dabei sind Frauen häufig hochqualifiziert und würden auch gerne mehr arbeiten – wenn die Rahmenbedingungen dafür besser wären. Angesichts dieses ungenutzten Potenzials ist es sowohl aus gleichstellungspolitischer als auch wirtschaftlicher Perspektive von höchster Relevanz, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen.

Gerade in Zeiten eines beschleunigten Strukturwandels sowie zunehmenden Fachkräftemangels braucht es differenzierte Maßnahmen, um die Frauenerwerbstätigkeit zu stärken. Eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen kann nicht nur helfen, Diskriminierung am Arbeitsmarkt zu mindern, sondern trägt auch zur Fachkräftesicherung und zu wirtschaftlichem Wohlstand bei. Gleichzeitig können sich Frauen beruflich freier und umfassender entwickeln, sind finanziell unabhängiger und beugen mit einem existenzsichernden Erwerbseinkommen der Armut im Alter vor.

Im Folgenden werden zentrale Fakten und Erkenntnisse zur Erwerbsbeteiligung von Frauen präsentiert. Nicht nur die erwerbsfähigen Frauen selbst sollten bestmöglich über Art und Ausmaß beruflicher Ungleichheiten informiert sein, sondern auch die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft; nur so lassen sich fundierte Entscheidungen treffen. Diese Übersicht identifiziert darüber hinaus auch Wissenslücken, die zum Gegenstand weiterer Forschung werden sollten.

Zunächst aber werden die Gender Gaps beschrieben, also Art und Ausmaß der Ungleichheiten sowie ihre Wechselbeziehungen untereinander. So kann z. B. ein geringerer Arbeitszeitumfang ein erhöhtes Altersarmutsrisiko bedingen. Anschließend werden mögliche Handlungsoptionen identifiziert, in Themenkomplexe unterteilt und in den aktuellen politischen Kontext eingeordnet. Im Ergebnis erweisen sich neben verbesserten Erwerbsanreizen zwei Ansätze als zentrale Hebel, um das in Deutschland vorhandene Frauenerwerbspotenzial zu heben: Der erste ist eine gesteigerte Zeitsouveränität von Frauen und der zweite eine Dynamisierung kultureller Rollenbilder.

I) Strukturelle Hemmnisse am Arbeitsmarkt

1. Gender (Work) Time Gap

Arbeiten Frauen und Männer gleich viel in Erwerbsarbeit?

Mit 77,8 Prozent ist die deutsche Frauenerwerbstätigenquote im europäischen Vergleich zwar eine der höchsten, doch arbeitet fast die Hälfte aller 20- bis 64-jährigen Frauen nur in Teilzeit (48,1 Prozent), sodass die durchschnittliche Stundenzahl relativ gering ist – vor allem in Partnerschaften mit Kindern (Daten aus Q2/2023; Eurostat 2023a, b).

Die Arbeitszeit von Frauen liegt damit statistisch deutlich unter der von Männern. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied wird als Gender1 (Work) Time Gap bezeichnet. Im Jahr 2020 betrug er – bezogen auf die Wochenarbeitszeit – 7,9 Stunden. Das ist der dritthöchste Gender Time Gap im europäischen Vergleich. Die Differenz zu den Männern verringert sich zwar seit 2005, aber nicht etwa deshalb, weil Frauen mehr arbeiten, sondern weil die Arbeitszeit der Männer zurückgegangen ist (Lott et al. 2022).

2. Gender Care Gap

Wie viel Zeit investieren Frauen täglich in unbezahlte Arbeit?

Obwohl Frauen weniger bezahlter Arbeit nachgehen als Männer, sind sie trotzdem häufig ausgelastet, da sie einen Großteil der Reproduktionsarbeit übernehmen. Mit ihrer Arbeitskraft und der Nutzung von Ressourcen reproduzieren Menschen ihre Lebensgrundlage. Das geschieht einerseits durch Güterproduktion und andererseits durch individuelle, gesellschaftliche und generative Reproduktion. Beispiele dieser Reproduktionsarbeit sind der Erhalt der Erwerbsbevölkerung durch das Gebären und Aufziehen von Kindern; die Betreuung und Pflege von (bedürftigen) Erwachsenen; das Einkaufen und Zubereiten von Mahlzeiten oder die Sorge für Hygiene am Menschen und im Haus. Auch ehrenamtliche Arbeit kann zur gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit gezählt werden (EIGE Glossary 2023).

Ein großer Teil der Reproduktionsarbeit ist Sorgearbeit, die auch unter dem Begriff Care gefasst wird. Care-Arbeit wurde und wird in Deutschland überdurchschnittlich stark von Frauen ausgeübt (Bauhardt 2010; Power 2004). Der Gender Care Gap beschreibt die Differenz der täglich durchschnittlich geleisteten Stunden für Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen. Dieser Unterschied ist mehr als deutlich. Nach dem zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung leisten Frauen im Schnitt 52,4 Prozent mehr Care-Arbeit am Tag als Männer. Sie kommen auf insgesamt 4 Stunden und 13 Minuten, was gegenüber den Männern 87 Minuten (also fast 1,5 Stunden) mehr sind. In der Gruppe der 34-Jährigen ist der Unterschied noch deutlicher. Hier leisten Frauen mehr als doppelt so viel Care-Arbeit (+ 110,6 Prozent) wie Männer. Während 34-jährige Männer pro Tag im Schnitt auf 2 Stunden und 31 Minuten unbezahlte Sorgearbeit kommen, sind es bei gleichaltrigen Frauen 5 Stunden und 18 Minuten (BMFSFJ 2019).

Zusätzlich wird häufig auf die emotionale Care-Arbeit (Emotional Labor) und den Mental (Work) Load verwiesen (z. B. Lott und Bünger 2023; Cammarata 2020). Die emotionale Care-Arbeit beinhaltet speziell das emotionale Sorgen für Mitmenschen und umfasst Aktivitäten wie Zuhören, Trösten und (mentale) Unterstützung. Auch das kann als notwendige Reproduktionsarbeit betrachtet werden. Emotionale Care-Arbeit wird aber oft nicht berücksichtigt, da sie in erwerbsfreien Zeiten bzw. während der Freizeit verrichtet wird und – vor allem qualitativ – nur schwer zu erfassen ist.

Der sogenannte Mental (Work) Load bezieht sich schließlich auf Management-Tätigkeiten rund um den Haushalt und beschreibt die Last der alltäglichen Verantwortung für Haushalt und Familie. Dazu gehört z. B., Bedürfnisse zu antizipieren, Optionen abzuwägen (was, wann, wer, wie, wo), Entscheidungen zu treffen (Termine und Strukturen zu planen bzw. zu organisieren) sowie den Stand der Hausarbeit zu kontrollieren. Letzteres beinhaltet das Wissen darüber, was für den Haushalt eingekauft/besorgt/erledigt werden muss und wann wichtigere oder unwichtigere Termine stattfinden (Arzt, Schule, Geburtstag, Essenszeit, Hausaufgaben, Spielzeit, Auslastung, Schlafenszeit etc.). Eine solche Denk- und Kümmerarbeit erfolgt unsichtbar im Hintergrund. Ihr Umfang und ihre Qualität sind kaum zu erfassen. Deshalb lässt sich auch der Mental (Work) Load nur schwer abbilden. Doch egal ob Vollzeit oder Teilzeit, ob Haushalte mit oder ohne Kinder, es sind in jedem Fall die Frauen, die mit über 50 Prozent Wahrscheinlichkeit den überwiegenden Teil der kognitiven Arbeit im Haushalt leisten (Lott und Bünger 2023). Kümmerarbeit reicht oft auch über die Grenzen der eigenen Familie oder Partnerschaft hinaus und umfasst andere gesellschaftliche Kontexte wie Kindergarten, Schule, Kirche, Vereine etc. Das erhöht die mentale Belastung von Frauen noch mehr.

3. Gender Pay Gap

Wie viel verdienen Frauen für eine Stunde Erwerbsarbeit im Vergleich zu Männern?

Der (unbereinigte) Gender Pay Gap – also der Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männer – betrug in Deutschland im Jahr 2023 durchschnittlich 18 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen 18 Prozent weniger verdienen als Männer. Mit durchschnittlich 20,84 Euro pro Stunde erhalten sie 4,46 Euro weniger als Männer (25,30 Euro).

Während der generelle Gender Pay Gap die rein geschlechterspezifischen Unterschiede aufzeigt, berücksichtigt der bereinigte Gender Pay Gap strukturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen – z. B. beim Qualifikationsniveau, bei der Berufswahl, bei der Branchenzugehörigkeit, bei der Arbeitszeit (Teilzeit vs. Vollzeit) und einer Reihe weiterer Faktoren. 2023 lag der bereinigte Gender Pay Gap bei sechs Prozent.

4. Gender Lifetime Earnings Gap

Wie viel weniger verdienen Frauen im gesamten Lebensverlauf gegenüber Männern?

Während sich der Gender Pay Gap als Querschnittsbetrachtung auf ein Jahr bezieht, betrachtet der Gender Lifetime Earnings Gap als Längsschnittbetrachtung die Einkommen über die Zeit. Ausgedrückt in Preisen von 2015 können westdeutsche Frauen der Kohorte 1985 ein durchschnittliches Lebenserwerbseinkommen von rund 830.000 Euro erwarten (1,32 Millionen Euro für Frauen ohne Kinder, rund 580.000 Euro für Frauen mit Kindern). Westdeutsche Männer hingegen dürfen mit einem Einkommen von durchschnittlich 1,5 Millionen Euro rechnen. Die Lücke im Lebenserwerbseinkommen (eben der Gender Lifetime Earnings Gap) beträgt damit für die jüngsten der betrachteten Jahrgänge in Westdeutschland rund 45 Prozent (40 Prozent in Ostdeutschland) (Bönke et al. 2020). Das sind im Schnitt 670.000 Euro (bzw. 450.000 Euro in Ostdeutschland).

Offensichtlich sind Kinder der entscheidende Faktor für den Gender Lifetime Earnings Gap. Ihre Betreuung und Erziehung hat in der Regel zur Folge, dass Mütter weniger arbeiten und deshalb ein deutlich geringeres Lebenserwerbseinkommen erzielen. Lediglich die Lebenserwerbseinkommen der kinderlosen Frauen nähern sich denen der Männer an. Vor allem in Ostdeutschland verdienen Männer und kinderlose Frauen aufs Leben gesehen nahezu gleich viel (1,1 Millionen Euro zu 1 Millionen Euro).

5. Motherhood Lifetime Penalty

Wie wirkt sich das Muttersein auf die Einkommenslücke aus?

Die Motherhood Lifetime Penalty beschreibt die Einkommenslücke zwischen kinderlosen Frauen und Müttern in einer Längsschnittbetrachtung. Die Einkommenseinbußen des Mutterdaseins summieren sich im Laufe der Zeit und offenbaren sich am Ende des Erwerbslebens. Aufgrund finanzieller Anreize, Zeitrestriktionen und tradierter Wahrnehmungen von Arbeitsaufteilung in Partnerschaften übernehmen Frauen häufiger als Männer die Care-Arbeit. Entsprechend weniger Zeit investieren sie in die Erwerbsarbeit. Mütter mit einem Kind erzielen im Vergleich zu kinderlosen Frauen durchschnittlich 40 Prozent weniger Lebenserwerbseinkommen. Bei Frauen mit drei oder mehr Kindern beträgt die Motherhood Lifetime Penalty nahezu 70 Prozent (Barišić und Consiglio 2020).

Ein wichtiger Faktor für die Motherhood Penalty ist die geringfügige Beschäftigung: Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in Minijobs. Von den 3,8 Millionen Arbeitnehmer:innen, die haupttätig geringfügig beschäftigt sind, sind 65 Prozent Frauen (Consiglio und Göbler 2021). Hierdurch sind Frauen oft schlechter sozialversichert und einem höheren Risiko für Altersarmut ausgesetzt.

6. Gender Pension Gap

Welche Auswirkungen haben die strukturellen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt auf die Alterssicherung von Frauen?

Der Gender Pension Gap2 beschreibt die Lücke zwischen den Alterseinkünften von Frauen und Männern. Frauen ab 65 bezogen 2021 Alterseinkünfte von durchschnittlich 17.800 Euro brutto im Jahr, Männer in Höhe von rund 25.400 Euro. Der geschlechtsspezifische Unterschied lag somit bei fast 30 Prozent. Neben Alters- und Hinterbliebenenrenten zählt auch die individuelle private Vorsorge zu den Alterseinkünften.

Die bereits oben genannten Erwerbs- und Einkommenslücken aufseiten der Frauen schlagen sich zwangsläufig in einem geringen Alterseinkommen nieder. Mit im Schnitt 670.000 Euro weniger Lebenseinkommen gegenüber Männern fließt auch weniger in die gesetzliche und private Rentenvorsorge. Der hohe Frauenanteil bei Teilzeitarbeit und in nicht sozialversicherungspflichtiger geringfügiger Beschäftigung erhöht das Risiko für Altersarmut. Dieses Risiko steigt, wenn es darüber hinaus keine abgeleiteten Ansprüche gibt.

Rund 29 Prozent der Frauen ab 65 Jahren erhielten 2021 Alterseinkünfte aus einer Hinterbliebenenrente. Bei den Männern waren es nur gut fünf Prozent. Werden diese abgeleiteten Ansprüche auf eine Altersversorgung bei der Betrachtung ausgeklammert, resultiert ein noch höherer Gender Pension Gap von 42,6 Prozent. Die geschlechtsspezifische „Rentenlücke“ ist also größer, wenn nur die eigenen Ansprüche auf Altersversorgung betrachtet werden. Doch auch bei Berücksichtigung von abgeleiteten Ansprüchen zeigt sich ein erhöhtes Risiko der Altersarmut bei Frauen statistisch ab: 20 Prozent der Frauen ab 65 Jahren waren 2022 armutsgefährdet – gegenüber 17,5 Prozent der Männer.

7. Financial Literacy Gap

Welche Auswirkung hat finanzielle Bildung auf die ungleiche Altersversorgung von Frauen und Männern?

Wie der Gender Pension Gap verdeutlicht, sind Frauen im Alter besonders armutsgefährdet. Grund genug, besonders achtsam und gut informiert zu sein, wenn es um die finanzielle Absicherung geht. In Studien, in denen die Financial Literacy von Männern und Frauen gemessen wird – ihnen also Fragen zu Finanzkonzepten wie Inflation, Risikodiversifizierung und Investitionsverhalten gestellt werden (Bucher-Koenen et al. 2016) – schneiden Frauen jedoch in der Regel schlechter ab als Männer. Dies reflektiert aber nicht ihre natürlichen Kompetenzen in Bezug auf Finanzwissen, sondern ist vielmehr Auswirkung von geringerem Zugang zu finanzieller Bildung. Auch kulturelle Wertvorstellungen spielen eine Rolle, wenn es um Finanzentscheidungen geht. Diese werden seltener als Aufgabe von Frauen wahrgenommen und sind weiterhin maskulin tradiert.

Der Financial Literacy Gap beschreibt diese Unterschiede im Wissen über und Zugang zu Vermögensbildung und Vermögensverwaltung. Dadurch, dass der Erwerbsarbeitszeitumfang von Frauen geringer ist (Gender Work Time Gap), zahlen Frauen im Laufe ihres Lebens weniger in die staatlichen Rentensysteme ein. Mehr Eigenverantwortung für die private Altersvorsorge wird aufgrund des demografischen Wandels immer relevanter. Doch das setzt Wissen über komplexe Finanzprodukte voraus, wie etwa Versicherungsprodukte oder Maßnahmen zum Vermögensaufbau.

Auch die Frage, ob jemand in einer Partnerschaft lebt, kann eine Rolle bei der Finanzkompetenz spielen. Aber auch unverheiratete Frauen beantworten finanzielle Fragen häufiger falsch als unverheiratete Männer. Der Gap besteht also auch dann, wenn finanzielle Entscheidungen allein getroffen werden. Er liegt je nach Partnersituation zwischen sechs und 20 Prozent.

II) Handlungsoptionen und Maßnahmen für mehr Gleichstellung am Arbeitsmarkt

1. Finanzielle Anreize

Welche finanziellen Anreize wirken gleichwertiger Erwerbsbeteiligung von Frauen entgegen?

„Arbeit muss sich lohnen“ – der Ausdruck ist allseits bekannt und durchaus ernst zu nehmen. Mit Blick auf die oben gezeigte statistische Realität der Gender Gaps lässt sich jedoch vermuten, dass sich Arbeit für Frauen oftmals deutlich weniger lohnt als für Männer. Verbesserte finanzielle Anreize und eine höhere Wertschätzung der Erwerbsarbeit von Frauen sind wichtige Hebel für eine Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Welche finanziellen Fehlanreize es derzeit gibt und was dagegen getan werden kann, ist Thema des folgenden Abschnitts.
 

Das Steuersystem begünstigt die traditionelle Rollenverteilung einer Alleinverdiener-Ehe.

Das deutsche Abgaben- und Transfersystem führt zu einer hohen marginalen Steuerbelastung von Zweitverdiener:innen. Damit begünstigt es das traditionelle Rollenbild eines Alleinverdieners in der Ehe. Im Zuge der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommenssteuer bei Verheirateten oder Verpartnerten sorgt das Ehegattensplitting dafür, dass durch den progressiven Steuertarif die Steuerlast des Paares geringer ausfällt als bei zwei unverheirateten Personen mit gleichen Einkommen. Der Splitting-Vorteil ist umso größer, je stärker sich das Einkommen auf nur eine Person konzentriert. Darüber hinaus bewirkt das Ehegattensplitting, dass beide Partner:innen demselben Grenzsteuersatz unterliegen. Somit fällt die Steuerlast auf jeden hinzuverdienten Euro für beide Partner:innen gleich hoch aus. In einem Alleinverdiener:innen-Haushalt steht der bzw. die Alleinverdiener:in in der Regel im Vollerwerb und unterliegt einem entsprechend hohen Grenzsteuersatz. Möchte der Partner oder die Partnerin auch eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, muss er oder sie bereits auf den allerersten verdienten Euro denselben Grenzsteuersatz entrichten wie der bzw. die Erstverdiener:in. Das setzt einen starken Fehlanreiz gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.

Das Konstrukt der geringfügigen Beschäftigung (Minijobs) kann diesen Sachverhalt allenfalls abmildern. Bruttoeinkommen, das Zweitverdiener:innen im Rahmen der Minijob-Regelung bis zur Höhe von derzeit 538 Euro erzielen, wird beim zu versteuernden Haushaltseinkommen nicht berücksichtigt und ist größtenteils sozialversicherungsfrei. Zwar wird damit die Hürde für den Erwerbseinstieg von potenziellen Zweitverdiener:innen beseitigt. Allerdings ist das Problem damit nur verschoben. Bruttoeinkommen, das oberhalb von 538 Euro liegt, muss ab dem ersten Euro vollständig versteuert werden und führt in diesem Bereich wiederum zu hohen Grenzbelastungen (Thode 2011). Ehegattensplitting und Minijobs setzen also starke Anreize in Richtung eines „1,25-Verdiener:innen-Modells“.

Genau das ist auch vielfach Realität in Deutschland: Frauen in Partnerschaften mit gemeinsamer Steuerveranlagung weiten ihr Arbeitsangebot häufig nicht aus oder senken es sogar. Sie konzentrieren sich neben einem Minijob auf unbezahlte Care-Arbeit, während 90 Prozent der erwerbstätigen Männer eine Vollzeitstelle ausüben (Becker 2022). Mit einem langfristigen Verbleib in scheinbar lohnenden Minijobs gehen häufig gravierende Nachteile einher, wie mangelnde Absicherung bei Jobverlust, kaum Weiterbildungs- und Aufstiegsperspektiven oder erhöhtes Altersarmutsrisiko. Ehegattensplitting und Minijobs erweisen sich dabei oft als Falle für Zweitverdiener:innen (Consiglio und Göbler 2021).

Dabei zeigt die Forschung, welche Potenziale für die Erwerbstätigkeit in einer Reform des Ehegattensplittung und der geringfügigen Beschäftigung liegen. Hier sind unterschiedliche Reformansätze denkbar, die verfassungsrechtliche Grenzen berücksichtigen und die eine zunächst entstehende Steuermehrbelastung vermeiden, indem etwa die Grundfreibeträge angehoben werden und somit zusätzliche Steuereinnahmen des Staates an die Haushalte zurückgegeben werden. Eine mögliche Variante besteht z. B. darin, Minijobs und den daran anschließenden Übergangsbereich in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und das Ehegattensplitting in ein Realsplitting zu überführen (das bereits aus dem Unterhaltsrecht bekannt ist). Das daraus resultierende Mehraufkommen an Einkommensteuer würde über eine Anhebung des Grundfreibetrags wieder an die Haushalte zurückverteilt. Durch eine solche Reform würden etwa 140.000 neue Beschäftigungsverhältnisse in Vollzeit entstehen, davon knapp 100.000 durch das vergrößerte Arbeitsangebot von Frauen (Blömer et al. 2021).

Insgesamt unterstützen die Ehegattenbesteuerung und das System der geringfügigen Beschäftigung also eine ungleiche Verteilung der Erwerbs- und Care-Arbeit in Ehen. Die Anreize führen zu einem geringeren Arbeitsangebot der Zweitverdiener:innen und dem Verbleib im Minijob, was eine Verschärfung des Lifetime Earnings Gap sowie geringere Rentenansprüche zur Folge hat. Immer wieder wird in der Öffentlichkeit und Politik eine Reform des Steuer-, Abgaben- und Transfersystems diskutiert. Doch trotz der deutlichen steuerlichen Fehlanreize durch das Ehegattensplitting und der Minijobs (insbesondere für Frauen) ist im aktuellen Koalitionsvertrag keine grundlegende Reform angedacht. Zudem wurden die Verdienstgrenzen für Minijobs zu Beginn der aktuellen Legislatur hochgesetzt, anstatt diese Erwerbsform einzudämmen.
 

Weiblich tradierte Berufe erfahren geringere finanzielle Wertschätzung.

Die Branchen mit dem höchsten Frauenanteil umfassen Tätigkeiten der personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialwesen (77 Prozent), Erziehung und Unterricht (71 Prozent) oder sonstige Dienstleistungen/private Haushalte (65 Prozent). Viele dieser Tätigkeiten sind für das Funktionieren der Gesellschaft unerlässlich, zeichnen sich aber durch schlechte Arbeitsbedingungen aus. Die Löhne sind vergleichsweise niedrig, die Arbeitsbedingungen unflexibel (z. B. durch Schichtarbeit, feste Öffnungszeiten oder der fehlenden Möglichkeit zum Homeoffice) und viele der entsprechenden Branchen leiden auch unter Personalmangel. Das führt zu einer Mehrfachbelastung von Beschäftigten, die oft in Teilzeit und ohne verlässliche Arbeitszeiten das fehlende Personal ausgleichen müssen.

Ebenfalls eine Rolle spielen der institutionelle Rahmen sowie die kulturelle (und damit auch finanzielle) Wertschätzung weiblich tradierter Berufe und Branchen mit einem hohen Frauenanteil. Neben Faktoren wie Beschäftigungsumfang, Bildungsstand und Anforderungsniveau (siehe bereinigter Gender Pay Gap) wirkt sich auch die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern in Branchen und Berufe – also die horizontale Segregation am Arbeitsmarkt – verdienstmindernd aus. Die Arbeit von Frauen und Männern wird somit geschlechterdifferent wahrgenommen und bewertet (vgl. z. B. Busch und Holst 2013).

Setzt man klassische Definitionen für Produktivität an, sind personenbezogene Dienstleistungen in der Regel auch weniger produktiv als unternehmensnahe Dienstleistungen oder Tätigkeiten in der Produktion. Wesentliche Gründe liegen etwa in einer geringeren Kapitalausstattung der Arbeitsplätze und weniger Einsatzmöglichen für Automatisierung (vgl. z. B. Hartwig und Krämer 2017). Zudem sind viele der Beschäftigungsverhältnisse nicht tarifgebunden, was ebenfalls zu vergleichsweise geringeren Lohnzahlungen führt. Dies wird aber oft den tatsächlichen Ansprüchen an die Arbeitnehmenden nicht gerecht:  Die Verdienstniveaus in weiblich tradierten Berufen und Branchen bleiben auch dann gering, wenn Tätigkeiten aus verschiedenen Branchen vergleichbare Anforderungen an die Arbeitnehmenden aufweisen. Der Comparable Worth Index3 zeigt, dass Berufe mit hohem Sorgeaufwand (z.B. nicht-akademische Pflegeberufe) geringer bezahlt werden als Berufe mit vergleichbarer Verantwortung (z.B. Führungspersonal in unternehmensbezogenen Dienstleistungen) (Klammer et al. 2018).

Gerade hier liegt ein Hebel, um Fachkräftepotenziale aktivieren zu können. Analysen legen nahe, dass z. B. Pflegekräfte unter besseren Arbeitsbedingungen und mit höheren Gehältern wieder in der Pflege arbeiten würden oder bereit wären, ihre Stunden in Teilzeitarbeit zu erhöhen. Bessere Arbeitsbedingungen im Pflegesektor ergäben ein rechnerisches Potenzial von 302.000 Pflegekräften (Vollzeitäquivalente), im optimistischen Szenario sogar 661.000 (Auffenberg et al. 2022).

In Deutschland üben deutlich mehr Frauen als Männer einen Minijob aus, das heißt, sie sind nur geringfügig beschäftigt. Bei den Erwerbstätigen, die ihren Minijob haupttätig ausüben, liegt der Frauenanteil sogar bei zwei Drittel. Ein Großteil der Minijobber:innen arbeitet in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit (30 Prozent), Groß- und Einzelhandel (28 Prozent) und Dienstleistungen (15 Prozent). Somit sind auch in den personennahen Dienstleistungen viele der Frauen geringfügig beschäftigt.

Bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen in den personennahen, sozialen Dienstleistungsberufen und eine Überführung von Minijobs in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fördern deshalb unmittelbar die Frauenerwerbstätigkeit. Sie helfen nicht nur, die Geschlechterungleichheit zu bekämpfen, sondern auch den Fachkräftemangel.

2. Zeitliche Restriktionen

Welche zeitlichen Restriktionen wirken gleichwertiger Erwerbsbeteiligung von Frauen entgegen?

Die Darstellung der strukturellen Hemmnisse anhand der Gender Gaps hat gezeigt, wie ungleich Care- und Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern verteilt ist. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich die in Care- und Erwerbsarbeit investierte Zeit wechselseitig beeinflusst. Leistet z. B. die Partnerin besonders viel unbezahlte Care-Arbeit im Familienhaushalt, bleibt ihr wenig Zeit für die Erwerbsarbeit. Andersherum hat ein in Vollzeit arbeitender Vater weniger zeitliche Kapazitäten für Care-Arbeit. Folglich liegt ein wichtiger Hebel zur Entfaltung des weiblichen Erwerbspotenzials darin, die Arbeitslast durch die Reproduktionsarbeit zu verringern.

Auch mit dem Ziel, Humankapital zu erhalten, ist es wichtig, dass Frauen den Anschluss an den Arbeitsmarkt nicht verlieren. Oftmals sind Frauen für ihre ausgeübte Tätigkeit sogar überqualifiziert, sodass eine verbesserte Zeitsouveränität dazu beitragen kann, das Humankapital der Frauen bestmöglich am Arbeitsmarkt einzusetzen, zu erhalten und auszuweiten. Frauen benötigen somit vor allem Zeit für Erwerbstätigkeit. Welche Rahmenbedingungen und Umstände die für Arbeit verfügbare Zeit limitieren und was dagegen getan werden kann, ist Thema des folgenden Abschnitts.

Fehlende KiTa-Plätze begrenzen die zeitliche Verfügbarkeit für Erwerbsarbeit.

Studien zeigen, dass die Betreuungsquote von Vorschulkindern in ganz Deutschland deutlich unterhalb der Betreuungsbedarfe liegt. Im Jahr 2023 fehlen deutschlandweit rund 383.600 KiTa-Plätze, wobei sich die Betreuungssituation je nach Region stark unterscheidet. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland: Während in Ostdeutschland rund 21.200 KiTa-Plätze fehlen, sind es in Westdeutschland ca. 362.400 (Bock-Famulla et al. 2022). Ohne ausreichende Betreuung ihrer Kinder sind Paare besonders stark darin eingeschränkt, ihre Care- und Erwerbsarbeit individuell aufzuteilen und zu gestalten. Oftmals sind es die Mütter, die für die Kinderbetreuung zu Hause bleiben und zeitlich dadurch viel weniger flexibel und verfügbar für Erwerbsarbeit sind als ihre Partner. Vor allem Eltern, die außerhalb der gängigen KiTa-Zeiten arbeiten, haben Schwierigkeiten, eine passende Betreuung zu finden.

Inflexible Arbeitszeitmodelle verhindern eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen.

Damit Frauen trotz ihrer Care-Verpflichtungen und oft unzureichender Kinderbetreuung einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, muss die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten gestärkt werden. Hierbei ist es essenziell, betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu priorisieren und zu fördern. Unternehmensseitige Angebote und Vereinbarungen zu flexiblen Arbeitszeiten oder auch ortsungebundenen Arbeitsstätten können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen.

Neben der flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit ist das Angebot unterschiedlicher Teilzeitmodelle eine wichtige Stellschraube. Mehr als ein Drittel der weiblichen Beschäftigten in Teilzeit gibt an, aufgrund von Betreuungsverpflichtungen oder sonstigen familiären Gründen keiner Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Um den individuellen Wünschen und unterschiedlichen Gründen für Teilzeitarbeit gerecht zu werden und zugleich gute Jobs mit passender Arbeitszeit anzubieten, sind flexible Teilzeitmodelle notwendig. Hierbei rücken neben Möglichkeiten zu vollzeitnaher Teilzeit, also einer 30-Stunden-Woche (Lott und Zucco 2021), auch Job-Sharing-Angebote oder lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle in den Fokus der Debatte.

Flexible Arbeitsarrangements brauchen eine offene Betriebskultur, die familiäre und gesellschaftliche Verpflichtungen anerkennt und fördert. In Zukunft sind Arbeitsorganisationen gefragt, die flexibles Arbeiten durch eine ausreichende Personalausstattung und verbindliche Vertretungsmöglichkeiten erleichtern. Auch Zuschüsse zur Kinderbetreuung oder betriebliche Betreuungsangebote können die Arbeitszeitmodelle unterstützen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern.

3. Kulturelle Rollenbilder

Welche Wirkung haben traditionelle Rollenbilder auf die Erwerbstätigkeit von Frauen?

Neben finanziellen Anreizen und zeitlichen Restriktionen bestimmen auch individuelle und gesellschaftliche Werte und Normen darüber, wie sich Frauen am Erwerbsleben beteiligen. Diese kulturellen Rahmenbedingungen stehen in Wechselwirkung mit Wirtschaft und Politik. Sie beeinflussen nicht nur die institutionell gegebenen Möglichkeiten, sondern werden auch durch diese geprägt. Das wiederum beeinflusst die Wahrnehmung von Frauen und Männern in der Erwerbstätigkeit.

Traditionelle Rollenbilder und geschlechtsspezifische Normen verändern sich nur langsam und beeinflussen die Erwerbsbeteiligung von Frauen. 

Im Spannungsfeld zwischen Erwerbstätigkeit und der Verantwortung für Familie bzw. Lebensgemeinschaft – oder auch in der Gesellschaft – sind vor allem Frauen gefordert und benachteiligt. Gerade bei Paaren wird die Frage nach der Arbeitsteilung von kulturellen Wertvorstellungen beeinflusst – oft zum Nachteil der Frau. Das betrifft besonders die Entscheidung über eine Vollzeittätigkeit bei Eltern mit kleinen Kindern. Aber auch Aushandlungsprozesse und Machtverhältnisse auf Paarebene sind zu berücksichtigen: Wer trifft abschließend Entscheidungen? Wer arbeitet wie lange? Welche Arbeit hat Priorität, wenn z. B. ein erkranktes Kind von keinem anderen betreut werden kann? Auch materielle Ungleichgewichte spielen bei der Arbeitsaufteilung eine Rolle, besonders, wenn sich die verfügbaren Einkommen stark unterscheiden.  Dadurch wirken sich vermeintlich geschlechtsneutrale Instrumente wie Elternzeit oder flexible Arbeitszeiten dann doch geschlechtsspezifisch aus. Und das, obwohl sich die meisten Menschen eine gleichwertige Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit wünschen.

Immer mehr Mütter und Väter verstehen unter partnerschaftlicher Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit, dass die damit verbundenen Aufgaben und Zeiten gleich verteilt sind (Institut für Demoskopie Allensbach 2022). Auch wenn sich diese Einstellung auf beiden Seiten nach 2014 stark entwickelt hat, ist vor allem die Zahl der Mütter gestiegen, die eine gleichgewichtige Aufgabenverteilung als partnerschaftlich betrachten – von 30 auf 50 Prozent.

Auch wenn beide Elternteile sich eine partnerschaftliche Aufteilung der Care- und Erwerbsarbeit wünschen, wird z. B. das gleichstellungspolitische Instrument der Elternzeit hauptsächlich von Müttern wahrgenommen. Seit der Einführung des Elterngeldes 2007 beziehen kontinuierlich über 98 Prozent der Mütter Elterngeld – und das mit einer Bezugsdauer von zumeist über zehn Monaten (Brehm et al. 2022). Der Anteil der Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, hat sich seit 2008 von 21,2 Prozent auf 43,7 Prozent im Jahr 2020 zwar mehr als verdoppelt, doch heißt das im Umkehrschluss auch, dass immer noch mehr als die Hälfte der Väter keine Elterngeldzeit in Anspruch nehmen. Zudem beschränkt sich die Elternzeit der Väter meist auf die zwei Partnermonate, sodass die durchschnittliche Bezugsdauer konstant niedrig bei ca. 3,6 Monaten liegt.

Damit nehmen Frauen weiterhin mehrheitlich die Elterngeldmonate in Anspruch und widmen sich der Care- statt der Erwerbsarbeit. Studien zeigen, dass sich eine stärkere frühzeitige Einbindung von Männern in die Kinderbetreuung positiv auf ihr weiteres familiäres Engagement auswirkt (vgl. z. B. Tamm 2018; Samtleben et al. 2021). Neben der geplanten zweiwöchigen Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin nach der Geburt des Kindes sind weitere Maßnahmen sinnvoll,  z. B. eine generelle Ausweitung der Partnermonate im Elterngeldbezug. Diese politischen Instrumente unterstützen nicht nur kurzfristig die innerpartnerschaftliche Aushandlung der Care-Arrangements und Erwerbsbeteiligung beider Partner:innen. Studienergebnisse zeigen auch, dass die Austauschbeziehung von Erwerbs- und Care-Arbeit zwischen Müttern und Vätern kein Nullsummenspiel ist: Die positiven Effekte auf das Arbeitskräfteangebot von Müttern sind bei einer Umverteilung der Care-Arbeit deutlich größer als die negativen Effekte bei Vätern (Heimer et al. 2023). Langfristig könnte also eine doppelte Dividende erzielt werden: Der Arbeitsmarkt wird entlastet und gleichzeitig können Aufgaben und Arbeitsteilung weniger nach Geschlechterzuschreibungen, sondern vielmehr nach Wünschen und Kompetenzen gestaltet werden – und somit produktiver und erfüllender werden.

Fazit

Die Steigerung der Zeitsouveränität von Frauen sowie die Dynamisierung kultureller Rollenbilder sind zentrale Hebel, um das Frauenerwerbspotenzial in Deutschland zu heben.

Individuelle Entscheidungen zur Care- und Erwerbsarbeit resultieren aus komplexen Aushandlungsprozessen. Sie werden geprägt durch kulturelle Wertvorstellungen, finanzielle Anreize bzw. Möglichkeiten, partnerschaftliche Dynamiken und zeitliche Verpflichtungen. Eine effektive Wirtschafts- und Gleichstellungspolitik muss diese finanziellen, zeitlichen und kulturellen Rahmenbedingungen als reale Probleme anerkennen und sie fokussiert angehen. Nur so lassen sich differenzierte und wirksame Reformen entwickeln – Reformen, die wichtige Beschäftigungspotenziale aktivieren, ohne die Beschäftigten langfristig zu überlasten und die uns helfen, Herausforderungen eines Arbeitsmarkts im Strukturwandel zu meistern.

Im Projektstrang Erwerbspotenziale von Frauen untersuchen wir differenziert, welche Hebel in welchen Kontexten Wirkung zeigen.


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1 Gender bezieht sich auf die soziale Konstruiertheit von Geschlechteridentitäten. Hieraus resultieren Gaps (Lücken), die ungleiche Zugänge zu Gesellschaft und Arbeitsmarkt beschreiben. Diese Stratifizierung ist nicht inhärent, sondern Auswirkung soziokultureller Prägung.
2 Beim Gender Pension Gap wird die einzelne Person betrachtet, nicht der Haushalt als ökonomische Einheit. Rückschlüsse auf die tatsächliche Versorgungslage der älteren Frauen lassen sich vom Gender Pension Gap dementsprechend nicht ableiten.
3 Mit dem Comparable Worth (CW) Index können Berufe mit vergleichbaren Anforderungen – also Berufe, die ähnlich hohe Anforderungen nicht nur in Bezug auf Wissen, Können, und psychosoziale und physische Kompetenzen, sondern auch Verantwortung verlangen – in unterschiedlichen Branchen nebeneinandergestellt werden. Z. B. weisen nicht-akademische Pflegeberufe einen vergleichsweise hohen CW-Wert von 28 aus (der Mittelwert liegt bei 24); die Verdienstniveaus in Ersteren fallen aber im Vergleich zu anderen Berufen mit CW-Wert 28 vergleichsweise gering aus (Klammer et al. 2018).

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Quellenverzeichnis