Obwohl ein Drittel der Befragten in Deutschland die Hauptverantwortung für den Einsatz gegen Desinformationen bei der Bundespolitik sehen, trauen nur 13 Prozent der Politik auch zu, tatsächlich Verbesserungen zu erreichen. Die Bürger:innen selbst (20 Prozent) und die Medien (17 Prozent) werden hingegen als kompetenter wahrgenommen. Bei den Plattformen sieht ein Fünftel der Befragten (22 Prozent) die Verantwortung, aber nur 10 Prozent glauben, dass diese das Problem wirklich lösen können. Bei der Frage nach der Eigenverantwortung der Nutzer:innen gibt es einen deutlichen Unterschied zu den USA: Während dort 22 Prozent der Befragten die Bürger:innen selbst in der Pflicht sehen, gegen Desinformation vorzugehen, liegt dieser Wert in Deutschland bei nur 9 Prozent.
Präventiv, reaktiv, restriktiv? Maßnahmen gegen Desinformationen aus Sicht der Bevölkerung in Deutschland und den USA
Das Jahr 2024 ist von zahlreichen wichtigen Wahlen weltweit geprägt, unter anderem der bald bevorstehenden Präsidentschaftswahl in den USA. In diesem Kontext gewinnt die Manipulation der öffentlichen Meinung durch Desinformation im Internet immer mehr an Bedeutung. Bereits im Februar 2024 zeigte unsere Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“, dass viele Menschen in Deutschland und den USA besorgt sind und sich durch Desinformationen verunsichert fühlen. In unserer neu veröffentlichten Studie „Präventiv, reaktiv, restriktiv?“ haben wir nun untersucht, wer in den Augen der Bürger:innen die Verantwortung trägt, gegen Desinformationen vorzugehen, welche Maßnahmen sie als sinnvoll erachten und worauf sie dabei besonderen Wert legen.
Vertrauen in Politik und Plattformen ist gering
Die Mehrheit möchte Zugang zu korrekten Informationen
Eine Mehrheit der Befragten in Deutschland äußert den Wunsch nach einem besseren Schutz vor Desinformation. 57 Prozent geben an, dass Bürger:innen im Internet nur Zugang zu korrekten Informationen haben sollten. Demgegenüber sind 34 Prozent der Ansicht, dass man im Internet alles sagen und schreiben dürfen sollte, was man möchte. Auch bei kontrovers diskutierten Themen, wie Ukraine-Krieg, Zuwanderung und Klimawandel, überwiegt jeweils der Wunsch nach korrekten Informationen. Mit 61 Prozent Zustimmung ist Frauen der Schutz vor gefälschten Inhalten zudem wichtiger als Männern. Beim Vergleich mit den USA zeigt sich, dass die Abwägung dort weniger eindeutig ausfällt: 47 Prozent der US-Befragten bevorzugen korrekte Informationen im Netz, während es für 44 Prozent wichtiger ist, alles äußern zu können, unabhängig vom Wahrheitsgehalt.
Politik soll aktiver werden, vor allem bei der Förderung von Medienkompetenz
Die in der Studie Befragten bewerten die aufgeführten Maßnahmen zum Umgang mit Desinformation überwiegend positiv. Insbesondere das Löschen von nachweislich falschen Behauptungen (69 Prozent) und das Richtigstellen solcher Informationen (66 Prozent) finden breite Zustimmung. Auch das Sperren von Akteur:innen, die Desinformationen verbreiten (61 Prozent), wird mehrheitlich befürwortet.
Große Mehrheiten fordern politisches Handeln: 87 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Politik Medienkompetenz fördern und über Desinformation aufklären sollte. Ebenso unterstützen 82 Prozent strengere Durchsetzungsmaßnahmen bei Verstößen durch Plattformen und 80 Prozent sehen mehr Bedarf für Personal bei Polizei und Justiz, um gegen Hass und Desinformation im Netz vorzugehen.
Fazit: Handlungsempfehlungen für Politik, Gesellschaft, Bürger:innen und Medien
Die Studienergebnisse machen deutlich: Die Bevölkerung wünscht sich mehr Maßnahmen zum richtigen Umgang mit Desinformation. Jedoch fehlt das Vertrauen, dass politische Entscheider:innen und Plattformen dies allein effektiv umsetzen können. Deshalb ist ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz, der Politik, Bürger:innen, Medien und Plattformen gleichermaßen in die Pflicht nimmt, notwendig.
Auf Folgendes kommt es an:
Ein entschlossenes politisches Handeln, das nicht in Aktionismus aufgeht, sondern langfristig plant. Förderung von unabhängiger Forschung, Aufbau von Kapazitäten zur Analyse und transparenter Beratung sowie ganz besonders die Förderung von Medienkompetenz müssen in den Mittelpunkt rücken. Gelingt es der Politik, bestehende Regelungen konsequent durchzusetzen und unabhängige Institutionen zu schaffen, können langfristig Vertrauen und Resilienz wachsen.
- Bürger:innen aktiv einbinden. Dies erfordert eine umfassende Aufklärung über die Mechanismen von Desinformation sowie die Förderung individueller Fähigkeiten im kritischen Umgang mit digitalen Inhalten - für alle Generationen und Gruppen.
- Journalismus stärken: Medienhäuser müssen ihre Rolle als Wächter der Demokratie ernst nehmen, indem sie ausnahmslos transparent und faktenbasiert berichten sowie aktiv Desinformationen entlarven und richtigstellen.
- Plattformen in die Pflicht nehmen: Technologiekonzerne wie Meta und TikTok sollten nicht nur ihre Moderationsmaßnahmen verbessern, sondern auch in Tools investieren, die den Nutzenden helfen, Desinformationen besser zu erkennen. Die Einführung von transparenten Kennzeichnungssystemen für manipulierte Inhalte ist dabei ein erster Schritt.
Autor:innen
Lukas Bernhard und Leonie Schulz von pollytix strategic research sowie Cathleen Berger und Kai Unzicker von der Bertelsmann Stiftung.
Methode und Hintergrund
Für die Studie wurden in Deutschland 5.055 und in den USA 2.018 Personen ab 16 Jahren online befragt. Die Umfrage führte die pollytix strategic research gmbh im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Zeitraum vom 4. bis 17. Oktober 2023 durch. Die Daten sind gewichtet und die Fehlertoleranz beträgt 1,4 (Deutschland) bzw. 2,2 (USA) Prozentpunkte. Erste Ergebnisse aus dieser Befragung sind bereits in der im Februar 2024 veröffentlichten Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ enthalten.