In unserem Land werden viele soziale Leistungen durch freiwillig Engagierte erbracht, sei es in der Erziehung, der Pflege oder der Hilfe für Geflüchtete. Was auf der einen Seite ein positives Signal für die Hilfsbereitschaft und den Zusammenhalt in der Gesellschaft ist, birgt auf der anderen Seite die Gefahr, für Einsparungen instrumentalisiert zu werden. Die vorliegende Studie stellt die Frage, in welchem Maße die Bevölkerung eine Indienstnahme des Engagements durch den Staat wahrnimmt und welche Konsequenzen dies auf das Engagementverhalten haben kann.
Mehr als 40 Prozent der Menschen in Deutschland engagieren sich freiwillig: im Sport, im sozialen Bereich, für junge Menschen, für Senioren, für die Umwelt, Kultur und vieles mehr. Dieses freiwillige Engagement ist eine der starken Seiten unseres Landes, denn es sorgt für Vielfalt und Zusammenhalt und mobilisiert nicht zuletzt vielfältige Ressourcen. Staat, Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen fördern daher freiwilliges Engagement: Menschen sollen zum Engagement ermutigt, Zugangshürden abgebaut werden.
Immer wieder tauchen dabei Fragen auf, die das Verhältnis der freiwillig Engagierten zum Staat berühren. Glauben freiwillig Engagierte, dass ihre Aktivitäten die Leistungen des Staates ersetzen? Zieht sich der Staat zurück, wenn Freiwillige aktiv werden? Fühlen sich Freiwillige durch den Staat kontrolliert und gesteuert oder sogar ausgebeutet? Oder sehen sie sich eher in der Pflicht gegenüber staatlichen Institutionen? Erscheint ihnen ihr Engagement schon fast wie eine Erwerbstätigkeit?
Diese Fragen sind nicht nur für die Freiwilligen selbst relevant, sondern auch für gemeinnützige Organisationen, für Engagement-Förderer, für diejenigen staatlichen Institutionen, die mit Freiwilligen zusammenarbeiten und für alle, die in Gemeinsam-Wirken-Initiativen Verantwortung tragen. Die Frage der „Indienstnahme“ und vermuteter staatlicher Steuerung des freiwilligen Engagements wird dementsprechend vielerorts diskutiert. Ihre Relevanz steigt mit knappen Kassen und mit steigenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Sie steigt auch mit der vielfach notwendigen und begrüßten Kooperationshäufigkeit zwischen Kommunen, Ländern, Bund und zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Bis dato gibt es jedoch kaum abgesicherte Erkenntnisse dazu, in welchem Ausmaß eine solche „Indienstnahme“ tatsächlich stattfindet, ob Freiwillige sie in ihrem Engagement wahrnehmen und wie sie sie bewerten. Kein Wunder, denn die objektive Erfassung von „Indienstnahme“ in der vielfältigen Zivilgesellschaft würde einen enormen Aufwand darstellen. Zudem ist es fraglich, ob eine solche Erhebung jemals umsetzungsrelevante Ergebnisse erbringen würde. Nützlicher scheint es, die engagierten Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und sich der Frage anzunähern, welche Auswirkungen vermutete oder wahrgenommene Indienstnahmen auf die Motivation und das Verhalten von Engagierten haben.
Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider und Markus Gerold, vom Berliner Institut für Gesellschaftsforschung der Steinbeis Hochschule legen mit dieser Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstmals empirische Daten zu diesem Thema vor.