Flagge von Bayern vor blauem Himmel

Die Konservativen werden nicht ohne Blessuren davonkommen

Die bayerischen Landtagswahlen stehen unmittelbar bevor und alles deutet darauf hin, dass die Christlich-Soziale Union ihre absolute Mehrheit verlieren wird. Welche Auswirkungen hätte das auf Bayern und den Rest der Republik?

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Je näher die mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Bayern rücken, um so verletzlicher wirkt die Christlich-Soziale Union (CSU). Die Schwesterpartei von Angela Merkels Christlich-Demokratischer Union (CDU) wird nach den Prognosen beim Urnengang am 14. Oktober ihre absolute Mehrheit verlieren.

In Bayern, das in der Nachkriegsgeschichte fast ausschließlich von der CSU regiert wurde, kommt das einem Erdbeben gleich. Von erheblicher politischer Brisanz wäre ein solches Ergebnis aber auch in Berlin, wo die Partei in jüngster Vergangenheit in Merkels Regierungskoalition für viel Unmut gesorgt hat.

Bayern mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern auf einer Fläche, die ein Fünftel Deutschlands ausmacht, gilt als Lackmus-Test für die politische Stimmung im ganzen Land. Es weist aber auch Besonderheiten auf. In Bayern sind viele internationale Großkonzerne wie BMW oder Siemens zu Hause. Von allen deutschen Bundesstaaten hat es das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt und untermauert mit diesem wirtschaftlichen Erfolg seinen bundesweiten Einfluss. Viel Wert wird daneben auch auf alte Traditionen gelegt, wie der Slogan "Laptops und Lederhosen" belegt.

Die politischen Parteien setzen im Wahlkampf auf regionale Nischen-Probleme und sind damit unterschiedlich erfolgreich. Seit Juli sinkt die CSU in Meinungsumfragen immer weiter ab. Im Aufwärtstrend befinden sich dagegen die Grünen und die extreme Rechte mit ihrer Partei Alternative für Deutschland (AfD), die vor allem den etablierten Konservativen Wählerstimmen wegnehmen. Gemessen wird die CSU bei dieser Wahl auch daran, inwieweit es ihr gelingt, den rechtsextremen Populisten die Stirn zu bieten.

Sollte die CSU tatsächlich so schlecht abschneiden, wie derzeit prognostiziert, dann werden wahrscheinlich Köpfe rollen. Bei den Wahlen 2008, als die Partei das letzte Mal im Keller war, weil sie auf ein Tief von 43,4 Prozent abrutschte, traten der Parteivorsitzende Erwin Huber und der Ministerpräsident Günther Beckstein zurück. Ein vergleichbares Ergebnis wäre dieses Mal eher Anlass zur Freude.

Die Einwanderungspolitik steht auf dem Prüfstand

Im Vorfeld der bayerischen Wahlen ist Einwanderung das Gesprächsthema Nummer eins. Umstrittene Vorhaben, wie die Forderung der AfD nach "islamfreien Schulen", machen Schlagzeilen. Ministerpräsident Markus Söder hat früher in diesem Jahr angeordnet, dass in jedem öffentlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen soll. Darin sahen Kritiker den Versuch, Wähler von der AfD zurückzugewinnen.

Der Tenor der bayerischen Wahlkampfdebatte schlägt sich auch national wieder. Die Merkelsche Politik der offenen Grenzen 2015, die dazu führte, dass mehr als eine Million Flüchtlinge, viele davon aus Syrien, ins Land kamen, rückte die Einwanderungspolitik in den Fokus. Auch der Deutschlandbericht der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung hebt die Bedeutung dieses Themas hervor und bezeichnet es als "größte Herausforderung" der Regierung: "In diesem Politikfeld geht es noch immer um hochgradig schwierige Fragen der Förderung von Integration und Steuerung von Einwanderung. Die Flüchtlingsfrage hat die Gesellschaft gespalten", heißt es dort und weiter: "Das Erstarken einiger rechtsgerichteter Protestbewegungen und der Erfolg der ausländerfeindlichen AfD deuten darauf hin, dass ein Teil der Bevölkerung das Vertrauen in die politische und ökonomische Elite und die etablierten Medien verloren hat."

Deutschlands Innenminister und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer propagierte wiederholt eine harte Linie in der Einwanderungsfrage. Lautstark hat er in den letzten Monaten den Druck auf Kanzlerin Merkel erhöht und zweimal die Regierungskoalition herausgefordert, zuletzt Anfang September

Durch seinen offenen Affront ist eine deutsche Regierungskoalition ins Wanken geraten, die von Anfang an schwach war. Fast sechs Monate dauerten die Verhandlungen, bis sich eine eher pragmatische als passionierte politische Allianz bildete. Seehofers Verhalten spiegelt eine eher ungewöhnliche politische Konstellation: Merkels ärgster Widersacher kommt neuerdings aus den Reihen der konservativen Schwesterpartei und nicht aus dem linken Spektrum.

Berlin schaut aufmerksam zu

Aus diesem Grund ist das bayerische Ergebnis auch für Berlin höchst relevant. Wenn die CSU im Ansehen der Wähler tatsächlich so stark abrutscht wie prognostiziert, wird für viele Seehofers harter Kurs in der Einwanderungspolitik dafür verantwortlich sein. Herbe Verluste könnten ihn sogar bewegen, unverzüglich den Parteivorsitz niederzulegen.

Auch nach einem Rücktritt ihres derzeit schwierigsten Partners wird das Regieren für Merkel mühsam bleiben. Seehofer ist nur einer von einer Reihe verärgerter Politiker der CSU, die im deutschen Parteienspektrum ihren Platz rechts von der CDU gefunden hat. Sein Nachfolger wäre vermutlich auch nicht zugänglicher. Sollte sich zudem bewahrheiten, dass die bayerischen Konservativen Stimmen an die AfD abgeben, wird der Druck auf Kanzlerin Merkel bestehen bleiben und das heikle Einwanderungsthema weiter im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.