Blick auf Globus - Ausschnitt Mitglieder der ASEAN

Asien-Pazifik: Bewährungsprobe für eine geopolitische
EU-Handelsstrategie

Der Asien-Pazifik-Raum ist mit Blick auf Marktgröße und Kaufkraft eine Schlüsselregion für künftiges globales Wachstum. Aus diesem Grund und angesichts der wachsenden Spannungen mit China sollte es für die EU von zentralem politischen und wirtschaftlichen Interesse sein, in dieser wichtigen Region eine starke und durchsetzungsfähige Handelspolitik zu verfolgen und diese zielstrebig umzusetzen.

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Foto Cora Francisca Jungbluth
Dr. Cora Francisca Jungbluth
Senior Expert China and Asia-Pacific
Foto Stefani Weiss
Stefani Weiss
Senior Expert EU Governance, Foreign and Security Policy

Inhalt

Selbst ohne China stehen die Länder im Asien-Pazifik-Raum für 30 Prozent der Weltbevölkerung, 20 Prozent des weltweiten BIP (Kaufkraftparität) und 18 Prozent des Welthandels. Die Region hat sich in Bezug auf Marktgröße und Kaufkraft zu einer der wichtigsten Wachstumsregionen der Zukunft entwickelt. Darüber hinaus verlaufen zentrale Welthandelsrouten durch ihre Gewässer. Daher versuchen die drei großen globalen Wirtschaftsakteure, China, die USA und die EU, sich Macht und Einfluss in der Region zu sichern. "Angesichts der zunehmenden systemischen Rivalität mit China ist es für die wirtschaftlichen und politischen Interessen der EU von entscheidender Bedeutung, sich stärker in Asien-Pazifik zu engagieren – insbesondere mit Blick auf die vieldiskutierte Diversifizierung der Handelsbeziehungen weg von China", so Cora Jungbluth, China-Expertin der Bertelsmann Stiftung.

Da der multilaterale Prozess zur Handelsliberalisierung unter dem Dach der Welthandelsorganisation ins Stocken geraten ist, sind bilaterale Freihandelsabkommen (FHAs) die zweitbeste Option, um eine tiefere wirtschaftliche Integration zu fördern und Anreize für den Handel mit dem jeweiligen Partnerland zu schaffen.

EU ist bislang an keinem der mega-regionalen Handelsabkommen beteiligt

Unserer Analyse zufolge hat die EU solche Abkommen bereits mit vier der 14 untersuchten asiatisch-pazifischen Staaten abgeschlossen. Bei allen handelt es sich um sogenannte tiefe Abkommen, d. h. sie gehen über eine reine Zollsenkung hinaus und decken auch Themen wie Investitionen, Standards oder geistige Eigentumsrechte ab. Das verspricht ein höheres Maß an wirtschaftlicher Integration zwischen den beteiligten Volkswirtschaften. Drei weitere FHAs im Asien-Pazifik-Raum verhandelt die EU gegenwärtig. Bei noch drei weiteren sind die Verhandlungen vorläufig ausgesetzt.

Die EU ist bislang an keinem der beiden in den vergangenen Jahren abgeschlossenen mega-regionalen Handelsabkommen beteiligt. Dabei handelt es sich um das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), das die zehn Mitglieder der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) sowie China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland zusammenbringt, und das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP), das elf Staaten auf beiden Seiten des Pazifiks, u.a. Chile, Kanada, Australien und Singapur, umfasst. Zudem wurden die Verhandlungen über ein überregionales Abkommen zwischen EU und ASEAN 2007 eingestellt.

China ist bei Handelsabkommen in der Region proaktiv, die USA hingegen nicht

China hat im Asien-Pazifik-Raum nicht nur vier bilaterale FHAs unterschiedlicher Tiefe abgeschlossen, sondern auch eines mit ASEAN. Außerdem ist China RCEP-Mitglied und hat 2021 offiziell den Beitritt zum CPTPP beantragt.

Im Gegensatz dazu sind die USA mit Blick auf Handelsabkommen in der Region nicht sehr aktiv: Sie haben lediglich drei tiefe FHAs abgeschlossen und verhandeln derzeit auch keine weiteren. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass FHAs für die USA keine politische Priorität haben, seit sie sich unter der Trump-Administration aus dem TPP, dem Vorgängerabkommen des CPTPP, zurückgezogen haben und die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) abgebrochen wurden. Die USA konzentrieren sich eher auf Partnerschaften mit weniger verbindlichen wirtschaftlichen Verpflichtungen, wie das Indo-Pacific Economic Framework for Prosperity (IPEF), das im Mai 2022 mit 13 Ländern der Region, u.a. Australien, Indien, Indonesien and Japan ins Leben gerufen wurde, sowie militärische oder sicherheitspolitische Initiativen. 

Vier Vorschläge für die EU-Handelspolitik im Asien-Pazifik-Raum

Für die EU hingegen sind FHAs gegenwärtig das wichtigste Instrument, um im Asien-Pazifik eine aktivere Rolle einzunehmen und ihre Handelsbeziehungen von China weg zu diversifizieren. Wir sehen vier Möglichkeiten, um das voranzutreiben:

  1. Die EU sollte die Einhaltung und Nutzung von FHAs genauer nachhalten und regelmäßig überprüfen, ob FHAs aktualisiert werden sollten. FHA-Verhandlungen sollte die EU schneller abschließen und umsetzen. Dabei sollten Entwicklungsstand und lokale Gegebenheiten des jeweiligen Partnerlands berücksichtigt werden.
     
  2. Die EU sollte ihre Regionalbeziehungen mit ASEAN stärker ausbauen und ein EU-ASEAN-Freihandelsabkommen anstreben, um in der Region besser Fuß fassen zu können.
     
  3. Die EU sollte mit dem RCEP und dem CPTPP Verhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit aufnehmen, die vom Beobachterstatus bis zur assoziierten oder sogar vollen Mitgliedschaft reichen kann.
     
  4. Die EU sollte das Asia-Europe Meeting (ASEM) als Prozess stärken und zu einer wichtigen Kooperationsplattform ausbauen mit der langfristigen Vision, eine Freihandelszone zwischen Asien und Europa (FTAAE) einzurichten. Die zunehmende Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen ist dabei zu berücksichtigen, sollte einer Verbesserung der Zusammenarbeit aber nicht dauerhaft im Weg stehen.

Über die Infografik

Unsere Infografik analysiert die Handelsbeziehungen und Freihandelsabkommen der EU, Chinas und der USA mit 14 asiatisch-pazifischen Staaten (Stand 2020). Dazu gehören die fünf großen Volkswirtschaften, die mindestens ein Prozent des weltweiten BIP stellen: Japan, Indien, Südkorea, Australien und Indonesien. Darüber hinaus haben wir ASEAN aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Bedeutung für die Region als zusätzliche "Volkswirtschaft" aufgenommen. Indonesien ist daher in den zehn ASEAN-Mitgliedstaaten enthalten. Die Analyse stützt sich auf die IWF-Datenbanken World Economic Outlook (WEO) und Directions of Trade Statistics (DOTS) für Daten zum BIP, zur Bevölkerung und zum Handel. Für die Messung der Tiefe von Freihandelsabkommen stützt sie sich auf die Design of Trade Agreements Database (DESTA).

Link zur Infografik: GED Trade Graphics - Global & European Dynamics (globaleurope.eu)