Mit seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas hat Mario Draghi im Jahr 2024 eine zentrale Debatte neu angestoßen. Er betonte, dass Europas wirtschaftliche Stärke entscheidend davon abhängt, wie gut Innovation, Regulierung und technologische Leistungsfähigkeit zusammengedacht werden. Eine seiner zentralen Empfehlungen lautete, bestehende Regulierungen zu vereinfachen und besser aufeinander abzustimmen, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Auf diese Impulse reagiert die Europäische Kommission mit der geplanten Omnibus Agenda, die bis 2030 eine spürbare Vereinfachung und Modernisierung des europäischen Regelwerks vorsieht. Ein zentraler Bestandteil ist das Digital Package, das auch die Überprüfung der europäischen KI-Regulierung umfasst. Ziel ist es, digitale Rechtsakte kohärenter zu gestalten und ihre Anwendung für Unternehmen und Behörden zu erleichtern.
Ein Jahr nach Vorlage seines Berichts äußerte sich Mario Draghi auf der High Level Konferenz zur Wettbewerbsfähigkeit erneut und nahm den AI Act als Beispiel für die aktuellen Herausforderungen einer ausgewogenen Regulierung. Während die ersten Bestimmungen erfolgreich umgesetzt wurden, warnte er, dass die nächste Phase, insbesondere bei Hochrisiko-Systemen in sensiblen Bereichen wie Gesundheit oder kritischer Infrastruktur, verhältnismäßig bleiben und Innovation nicht behindern dürfe.
Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung unterstützt durch den KI-Bundesverband, der für den empirischen Part sein Netzwerk geöffnet hat, das White Paper „Simplifying European AI Regulation“ veröffentlicht. Prof. Dr. Philipp Hacker, Dr. Robert Kilian und Prof. Dr. Jana Costas zeigen darin, wie sich der AI Act im Rahmen des geplanten Digital Packages zielgerichtet vereinfachen lässt, so dass er praktikabler wird, ohne an Schutzwirkung zu verlieren. Mit dem White Paper möchten die Autor:innen einen konstruktiven Beitrag zur europäischen Regulierungs-Debatte leisten und am Beispiel des AI Acts zeigen, was Vereinfachung konkret bedeuten kann. In der aktuellen Diskussion wird sie häufig verkürzt mit Deregulierung gleichgesetzt, meint jedoch eine Stärkung von Klarheit, Kohärenz und Grundrechtsschutz.
Ein besonderes Merkmal des Berichts ist seine empirische Grundlage. In 15 Interviews und einem interdisziplinären Workshop konnten Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ihre Perspektiven einbringen. Ihre Einschätzungen zeigen, dass nicht der AI Act selbst das Haupthindernis ist, sondern die mangelnde Abstimmung mit bestehenden europäischen Regelwerken. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen vor der Herausforderung, unterschiedliche Pflichten aus mehreren Rechtsakten gleichzeitig erfüllen zu müssen, was zu hohen administrativen Aufwänden und rechtlicher Unsicherheit führt.
Das White Paper bildet die Vorstufe zu einer vertieften Analyse. Diese abschließende erweiterte Studie erscheint Ende November 2025.


