In den vergangenen zwei Jahren hat sich im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) bemerkenswert viel getan. Früher musste erklärt werden, warum die Technologie Relevanz hat; heute muss aufgeklärt werden, damit sich nicht alle Themen dieser Welt ausschließlich um generative KI drehen. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen haben wir im Projekt reframe[Tech] der Bertelsmann Stiftung unsere Strategie für die nächsten eineinhalb Jahre überarbeitet.
Wir leben in einer Zeit des Hypes: Einige wenige Tech-Unternehmen, die durch Netzwerkeffekte, die Vermarktung von Aufmerksamkeit und die damit gesammelten Daten mächtig geworden sind, bestimmten den Diskurs, die wissenschaftliche Forschung und die wirtschaftliche Nutzung digitaler Technologien wie nie zuvor. Sie bestimmen maßgeblich darüber, wie über KI gedacht und geschrieben wird – von utopischen Fantasien eines Allheilmittels bis zu dystopischen Schreckensszenarien im Sinne einschlägiger Science-Fiction-Filme. Die tatsächlichen Potenziale und Chancen sowie die bereits spür- und messbaren Konsequenzen von alltäglicher Diskriminierung durch KI-Systeme, Umweltverschmutzung und fürchterliche Arbeitsbedingungen im globalen Süden kommen hingegen kaum zur Sprache.
Dies geht einher mit einem beispiellosen finanziellen Wettrüsten einiger weniger Tech-Unternehmen in Infrastruktur, KI-Unternehmen und die Entwicklung eigener Angebote. Allein Alphabet, Amazon, Meta und Microsoft werden in 2024 voraussichtlich 200 Milliarden US-Dollar für neue KI-Investitionen ausgeben. 139 Länder dieser Welt haben ein geringeres jährliches Bruttoinlandsprodukt. Diese Investitionen sind nicht neutral – denn sie fehlen an Stellen, die nicht im Licht des KI-Hypes glitzern, und verursachen einen horrenden Bedarf an Energie und Rohstoffen.
So nimmt die Privatisierung digitaler Zukunftstechnologien weiter zu, während öffentliche oder dezentrale Infrastrukturen ein Nischendasein fristen. Der Blick in andere Länder zeigt uns, wie gefährlich es sein kann, kritische Infrastrukturen und sensible Entscheidungen in die Hände einiger weniger zentralisierter Akteure zu geben – unabhängig davon, ob diese privat oder staatlich sind.
Diesen besorgniserregenden Gegebenheiten wollen wir gemeinsam mit Partner:innen eine gemeinwohlorientierte Vision entgegenstellen: Eine verantwortungsvolle digitale Gesellschaft setzt sich für die Entwicklung und Umsetzung ethischer, breit zugänglicher und gemeinwohlorientierter digitaler Technologien ein. Denn der Bedarf an dezentralen, öffentlichen Infrastrukturen und nutzerorientierten Angeboten als Alternative zu den Angeboten der dominanten, profitorientierten Tech-Giganten ist gewaltig. Nur so lassen sich Datenschutz, Transparenz, Zugangsgerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Mitbestimmung erreichen und damit Vertrauen und Teilhabe der Nutzer:innen stärken. Um dieser Vision näherzukommen, verfolgen wir insbesondere vier Missionen.
Wir werden uns künftig noch intensiver mit der Stärkung digitaler öffentlicher Infrastruktur beschäftigen. Wir bauen auf unsere Arbeit zum Design von Plattformen auf, wie wir es bereits bei der Ausgestaltung von Empfehlungsalgorithmen getan haben, und nehmen zusätzlich die Datengrundlagen von Sprachmodellen in den Blick.