Gerade in Zeiten von Fachkräfte- und Personalmangel ist Deutschland bekanntlich auf Zuwanderung aus Drittstaaten angewiesen. Auch wenn die Schutzsuchenden vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine fliehen, wäre es eine enorme Chance, wenn es gelänge, die große Anzahl von rund einer Million Schutzsuchenden aus der Ukraine als Arbeitskräfte in Deutschland zu integrieren. Der überwiegende Teil möchte gerne beruflich arbeiten, am liebsten im eigenen, in der Ukraine erlernten, Beruf. Und, es wäre eine Chance für die Zukunft der Ukraine selbst, wenn für den Wiederaufbau nach Ende des Krieges geübte Mediziner:innen und Pflegekräfte, Busfahrer:innen oder Verwaltungsmitarbeitende nahtlos an ihre berufliche Tätigkeit anknüpfen können. Doch bisher bleibt die Praxis hinter den Erwartungen zurück.
In der Studie wird der Stand der Arbeitsintegration in Deutschland mit der Arbeitsintegration östlicher EU-Länder verglichen. Ein Blick nach Estland, Polen und Tschechien, wo die Arbeitsbeteiligung bereits jeweils zwischen 60-65% liegt, macht deutlich, dass in Deutschland mit ca. 30% Arbeitsbeteiligung noch Luft nach oben ist. Der Vergleich zeigt, dass konsequent auf Arbeitsaufnahme ausgerichtete Politiken Erfolge zeigen.
Zudem wird analysiert, wo es im Vergleich zu den Nachbarländern Hürden bei der Arbeitsintegration der Schutzsuchenden aus der Ukraine gibt. In diesem Zusammenhang wird auf den Widerspruch zwischen Unterbeschäftigung einerseits und Arbeitskräftemangel andererseits eingegangen. In der Studie werden rechtliche Umsetzungsblockaden dargestellt, die sich von Beruf zu Beruf unterscheiden. Hierbei kommt durchaus Überraschendes zutage, beispielsweise wenn es um die unterschiedliche Arbeitsintegration zwischen den Geschlechtern und auch zwischen den verschiedenen Bundesländern geht. Auch auf die geänderte Strategie von Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit wird in der Studie eingegangen. Denn regierungsseitig wird mit dem Job-Turbo das Ziel verfolgt, die Arbeitsintegration von Schutzsuchenden aus der Ukraine zu beschleunigen. Hierzu gehört auch eine Abkehr von dem Prinzip „language first“. Administrative Engpässe stehen jedoch teilweise noch dieser geänderten Strategie des „Job-Turbos“ gegenüber.
Handlungsempfehlungen werden vom Autor der Studie, Prof. Thränhardt, benannt, die die Machbarkeit einer schnelleren Arbeitsintegration aufzeigen. Ein Schlüsselthema ist das Angebot von Qualifizierungsmaßnahmen, z.B. „Bridging measures“. Zudem stellt sich die Frage, in wie weit Lernerfahrungen aus der Fluchtzuwanderung von 2015 zu Verbesserungen der Arbeitsintegration von Ukrainer:innen geführt haben, aber auch umgekehrt, was sich aus der Aufnahme von Ukrainer:innen für das Asylsystem lernen lässt. Und schließlich spielen auch Digitalisierung und der Abbau von administrativen Blockaden eine Rolle sowie die Antizipierung und Umsetzung europaweiter Regelungen. Denn die nicht erfolgte oder verspätete Umsetzung von EU-Empfehlungen zur Arbeitsintegration weist ebenfalls auf Lernbedarf und Potenzial zur Verbesserung hin.
Rund 1 Mio. Schutzsuchende kamen infolge des Angriffskrieges in der Ukraine nach Deutschland. Die genauen Zahlen sind schwierig zu verifizieren. Die Mehrheit der ukrainischen Schutzsuchenden sind Frauen und Kinder. Etwa drei Viertel der nach Deutschland geflüchteten Menschen ist im erwerbsfähigen Alter, das heißt zwischen 15 und 65 Jahre alt. Eine große Chance, die es zu nutzen gilt.