Rezeption in einer Arztpraxis

Rezeption in einer Arztpraxis

Gleiche medizinische Leistungen gleich bezahlen

Die Vergütung ärztlicher Leistungen ist in Deutschland vielfältig geregelt. Es gibt unterschiedliche Honorarordnungen für gesetzlich und privat versicherte Patienten, für Behandlungen im Kollektivvertrag oder selektivvertragliche Leistungen. Besonders kompliziert wird es, wenn die gleiche Leistung sowohl in der Arztpraxis als auch im Krankenhaus ambulant erbracht werden kann – und dieser Leistungsbereich nimmt stetig zu. Wie kann ein Vergütungssystem aussehen, das gleiche Leistungen gleich bezahlt, unabhängig davon, von wem oder für wen sie erbracht werden?

Die beiden Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem und Dr. Anke Walendzik von der Universität Duisburg-Essen haben im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Vorschläge für eine Reform der ärztlichen Vergütung speziell für den Bereich ambulanter und ambulant erbringbarer Leistungen entwickelt. Dabei steht der Versorgungsbereich im Fokus, in dem die gleiche Leistung von niedergelassenen Ärzten und im Krankenhaus erbracht werden kann. Außerdem haben die Wissenschaftler geprüft, inwieweit eine Angleichung der gesetzlichen und privaten Honorarordnungen möglich ist.

Bewertungskriterien

Zunächst haben die Gesundheitsökonomen zusammen mit weiteren Experten Kriterien entwickelt, anhand derer der Status quo und die Reformmodelle zur ärztlichen Vergütung bewertet werden können.

Reformmodelle für die sektorübergreifende Vergütung

Danach wurden Reformmodelle zur sektorenübergreifenden Vergütung von ambulanten und ambulant erbringbaren Leistungen entwickelt. Die eine Variante setzt mehr auf Einzelleistungsvergütung, die andere mehr auf Pauschalen.

Handlungsempfehlungen

Die demographisch und morbiditätsbedingte Veränderung der Versorgungsbedarfe sowie die medizinisch-technische Entwicklung, angefeuert durch die Digitalisierung, erhöhen den Druck in Richtung einer grundlegenden Reform der ärztlichen Vergütung über die Sektoren hinweg. Somit lassen sich aus der Untersuchung folgende Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Definition eines dritten, von ambulantem und stationärem Sektor abgegrenzten Versorgungsbereichs für ambulant erbringbare, aber sowohl in der Arztpraxis wie im Krankenhaus durchgeführte Leistungen
  • Kontinuierliche Überprüfung und Anpassung des neuen Versorgungsbereichs unter Beteiligung der Akteure oder durch die Gemeinsame Selbstverwaltung
  • Aufbau eines Vergütungssystems für diesen Versorgungsbereich mit einheitlichen Regeln für Vertragsärzte und Krankenhäuser. Dieses System kann wie bisher auf Einzelleistungsvergütungen mit konsequenter Fixkostendegression oder auf eine stärkere Pauschalierung setzen.
  • Freigabe neuer Behandlungs- und Untersuchungsmethoden für dafür nachweislich geeignete Vertragsärzte in diesem Versorgungsbereich
  • Zusammenführung der bisher nach Sektoren getrennten zu einer gemeinsamen morbiditätsbezogenen Kapazitätsplanung
  • Angleichung der Honorarsysteme erfordert gleichzeitige Neugestaltung der Finanzierung von GKV und PKV 

Im zweiten Teil der Studie geht es um die Einbeziehung der Privatpatienten in das vorgeschlagene neue Vergütungssystem, also die Angleichung der ärztlichen Vergütungen für gesetzlich und privat versicherte Patienten. Dieses Nebeneinander von zwei Honorarsystemen erschwert versorgungspolitisch erwünschte Verbesserungen, etwa eine stärkere Qualitäts- und Bedarfsorientierung, anstatt diese zu fördern. Eine Angleichung der Honorarsysteme von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) wäre versorgungspolitisch daher wünschenswert. Da diese aber von der Ärzteschaft nur akzeptiert würde, wenn sie insgesamt aufkommensneutral erfolgt, wäre ein Niveauausgleich zwischen beiden Honorarsystemen notwendig. Dadurch würden GKV-Versicherte be- und PKV-Versicherte entlastet – die Studie geht dabei von mehr als 5 Milliarden Euro jährlich zulasten der GKV aus. Eine Aufhebung der dualen Vergütung ist daher kaum denkbar, ohne auch die Finanzierungsstruktur der Krankenversicherung insgesamt neu zu gestalten: Entweder durch einen Finanzausgleich zwischen GKV und PKV oder durch die Integration beider Versicherungszweige.